In einer komplexen Wirtschaft hängen alle voneinander ab. Wenn die exportierende Industrie schwächelt, hat das nicht nur Auswirkungen auf Zulieferer, Logistik und Großhandel. Es drückt auch die Stimmung am Arbeitsmarkt. Und wenn dann auch noch eine spürbare Inflation dazu kommt, jammern auch Einzelhändler, Touristiker und Dienstleister, weil die Menschen weniger konsumieren. In dieser Zwickmühle steckt auch Leipzig.

„Die Wirtschaft im IHK-Bezirk kommt, wie die deutsche Wirtschaft insgesamt, nicht in Schwung“, sagt Kristian Kirpal, Präsident der IHK zu Leipzig. Als Gründe zählt er die Kosten für Energie und Klimatransformation auf, zudem die geopolitischen Spannungen, die gehemmte globale Konjunktur und zunehmende Handelsbarrieren. „Es sind keinerlei Impulse erkennbar, die dem Bruttoinlandsprodukt aufhelfen würden. Das spüren wir auch in der Region Leipzig. Die Nachfrage sinkt, das beeinträchtigt die Umsätze ebenso wie die Investitionstätigkeit.“

Mit seiner Aussage „Es sind keinerlei Impulse erkennbar, die dem Bruttoinlandsprodukt aufhelfen würden“ benennt er den Punkt, an dem normalerweise die Politik agieren müsste. Denn seit den diversen Wirtschaftskrisen des 20. Jahrhunderts weiß man ja eigentlich, wie eine kluge Regierung in Flautezeiten gegensteuern kann. Nur hat sich die Bundesregierung mit der Schuldenbremse und einer völlig falschen Steuerpolitik selbst Fesseln angelegt. Ihr fehlen schlicht die Milliarden, um jetzt mit staatlichen Investitionen konjunkturelle Anreize zu setzen und das Land wieder zu modernisieren.

Denn ein Hauptproblem der stagnierenden Exporte ist natürlich, dass es auch an den gefragten Produkten für den Weltmarkt fehlt. Wichtige Zukunftsbranchen wurden durch eine restriktive Wirtschaftspolitik in den vergangenen 20 Jahren vergrault – und können (man sehe nur auf die Pläne für neue Halbleiterfabriken) jetzt nicht einmal mit Milliardensubventionen angesiedelt werden. Wobei es eben nicht die Aufgabe des Staates ist, dringend benötigte Fabriken zu subventionieren, sondern die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen.

30 Jahre falsche Sparpolitik

Doch jeder Blick in Bildungssystem, Gesundheitssystem, auf deutsche Brücken und Bahnstrecken zeigt, dass genau hier die 30 Jahre lange Sparpolitik fatale Folgen zeitigt und die Menschen aus guten Gründen das Gefühl haben, dass nichts mehr richtig funktioniert.

Das heißt: Auch Leipzig hat inzwischen eine Wirtschaftslandschaft, welche die Versäumnisse der vergangenen Jahrzehnte spiegelt. Von der zunehmenden Not im Leipziger Stadthaushalt, überhaupt noch das Nötigste zu finanzieren, ganz zu schweigen. Womit auch die Stadt in Teilen als Impulsgeber für die Wirtschaft ausfällt.

Aber wo sieht Kirpal nun die Stellschrauben? Er sieht die Politik in der Pflicht: „Die Unternehmen müssen entlastet werden, vor allem bei den Energiekosten, der überbordenden Bürokratie, bei Steuer- und Abgabenlasten. Gerade die Bürokratie erweist sich als Hydra: Kaum schlägt man ihr einen Kopf ab, wachsen zwei neue nach. Deshalb werden wir nicht müde zu betonen: Die Politik muss an die Rahmenbedingungen ran, damit Unternehmen wieder mehr unternehmen können und die Abwärtsspirale durchbrochen wird. Sonst können wir im internationalen Wettbewerb nicht bestehen.“

Aber das sind nur kleine Stellschrauben, die freilich auch von Behörden erzählen, die selbst unter Rechtfertigungsdruck stehen und sich deshalb mit Bergen von Papier immer wieder neu absichern. Aber eine Reparatur an all diesen Stellen ersetzt nun einmal kein staatliches Konjunkturprogramm. Für das mit dem Denken der deutschen Schuldenbremse eben die benötigten Gelder fehlen.

Die Lage der Wirtschaft in Leipzig

Die gewerbliche Wirtschaft im IHK-Bezirk Leipzig hat sich in den vergangenen sechs Monaten insgesamt unbefriedigend entwickelt. Das ergibt die Konjunkturbefragung der IHK zu Leipzig im Herbst 2024, an der sich 585 Unternehmen aller Branchen und Größenklassen mit insgesamt etwa 32.000 Beschäftigten beteiligt haben.

Der Geschäftsklimaindex für Leipzig im Herbst 2024. Grafik: IHK zu Leipzig
Der Geschäftsklimaindex für Leipzig im Herbst 2024. Grafik: IHK zu Leipzig

Besonders die Geschäftslage der Unternehmen hat kräftig nachgegeben, aber auch die
Geschäftserwartungen haben sich wieder eingetrübt, nachdem sie sich im Frühjahr leicht erholt hatten. Infolgedessen fällt der IHK-Geschäftsklima-Index um sechs auf 103 Punkte; was darauf hindeutet, dass sich die Wirtschaft rezessiv entwickelt, schätzt die IHK zu Leipzig ein.

Die Lage der Unternehmen hat sich gegenüber dem Frühjahr spürbar verschlechtert. Mit 34 Prozent meldet nur noch etwa jedes dritte Unternehmen eine gute, fast jede fünfte Firma jedoch eine schlechte Geschäftslage. Der Lage-Saldo fällt um neun auf 15 Punkte. Das ist der schlechteste Wert seit über drei Jahren. Der Rückgang betrifft alle Wirtschaftsbereiche. Die Umsätze sanken in vielen Unternehmen.

Der Saldo rutscht mit -9 Punkten in den negativen Bereich. Im Minus befindet sich seit geraumer Zeit bereits der Saldo der Ertragsentwicklung – aktuell liegt er bei -22 Punkten.

Geschäftserwartungen

Nach einer Aufwärtsbewegung im Frühjahr haben die Unternehmen ihre Geschäftserwartungen nunmehr wieder leicht nach unten korrigiert. Somit bleibt der Prognose-Saldo mit -8 Punkten weiterhin negativ. Jedes vierte Unternehmen erwartet eine Verschlechterung seiner aktuellen Lage und nur 17 Prozent eine Verbesserung. Mit Ausnahme des Dienstleistungsgewerbes blicken alle Wirtschaftsbereiche mehr oder weniger skeptisch auf die kommenden Monate. Das Bild gleicht damit den Umfrageergebnissen des Frühjahrs.

Weder in der Industrie, im Baugewerbe noch in Verkehrsgewerbe und Großhandel ist Entspannung in Sicht. Auch im Gast- und Tourismusgewerbe fallen die Aussichten eher zurückhaltend aus. Die mit Abstand schlechtesten Prognosen gibt weiterhin der Einzelhandel ab. Nach wie vor fehlen stabile konjunkturelle Wachstumsimpulse. An der zuletzt leicht rezessiven Wirtschaftsentwicklung dürfte sich daher kaum etwas ändern.

Investitionen

Die Investitionsbereitschaft der Unternehmen bleibt auch in den kommenden Monaten unverändert schwach. Gegenüber dem Frühjahr ist diese sogar noch leicht gesunken. Der Saldo liegt mit -6 Punkten wieder auf Vorjahresniveau. Das schwierige Umfeld, besonders die schwache Nachfrage, dämpfen das Investitionsklima. Dies zeigt der Blick auf die Investitionsmotive. So planen aktuell gerade einmal 16 Prozent der Unternehmen, ihre Kapazitäten auszubauen. Aber auch die steigenden Kosten schmälern das Investitionsbudget vieler Betriebe spürbar.

Personal

Aufgrund der schwachen Konjunktur sinkt der Personalbedarf in den Unternehmen. Die Anteile der Betriebe mit steigendem bzw. sinkendem Personalbedarf nähern sich immer weiter an. Mit einem Saldo von 2 Punkten sollte die Beschäftigung in der regionalen Wirtschaft zumindest stabil bleiben. Den größten Personalbedarf meldet momentan der Dienstleistungsbereich.

Dagegen könnte es im Einzelhandel vermehrt zu Personalabbau kommen. Trotz der zurückhaltenden Personaleinstellung bleibt der Fachkräftemangel für 47 Prozent der Betriebe ein Risikofaktor. 46 Prozent melden nach wie vor Probleme bei der passgenauen Besetzung offener Stellen.

Geschäftliche Risiken

Im regionalen Risikoradar haben die Arbeitskosten mit 57 Prozent die Spitzenposition übernommen; Energiepreise liegen mit 53 Prozent erstmals seit dem Jahresbeginn 2022 an der zweiten Stelle. Infolge der schwächelnden Nachfrage verbleibt die Inlandsnachfrage mit 51 Prozent auf dem dritten Rang, gefolgt vom Fachkräftemangel mit 47 Prozent.

Nach wie vor beurteilt über die Hälfte der Firmen die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen kritisch. Im Mittelpunkt der Kritik stehen die starke Regulierung, die resultierende Bürokratie und Steuer- und Abgabenlasten.

Zum kompletten Report: Konjunkturreport IHK-Bezirk Leipzig Herbst 2024

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