Die wichtigsten Worte sagte Oberbürgermeister Burkhard Jung ganz zum Schluss. Eine Mahnung an die Bundes- und die Landespolitik. Und die vertrackten „schwäbischen Hausfrauen“, die Deutschland genau in dem Moment mit der Schuldenbremse knebeln, in dem die Republik Milliarden Euro in die Wärme- und Energiewende investieren muss. Und zwar nicht nur, um klimaneutral zu werden und die Pariser Verträge einzuhalten. Es ist die größte Transformation seit der Elektrifizierung, sagte Jung.
Allein in Leipzig würde die Wärmewende rund 6 Milliarden Euro kosten. „Das ist eine Jahrhundertaufgabe“, sagte Jung. „Dem müssen wir uns stellen.“ Doch zur Wahrheit gehöre auch: „Wir werden das nicht allein schaffen.“ Das brauche finanzielle Unterstützung von Bund und Land und auch privaten Kapitalgebern.
Deutschlandweit übrigens. Denn alle anderen Städte stehen vor denselben Herausforderungen. Doch was macht der Bundesfinanzminister? Er klammert sich an die Schuldenbremse und streicht den Bundeshaushalt zusammen. Womit er das schafft, was sich die Klimawandelleugner von ganz rechts und die Fossilkonzerne nur wünschen: Er macht den Ausstieg Deutschlands aus den fossilen Energieträgern unmöglich.
Doch genau das, so Jung, werde in wenigen Jahren sehr teuer. Dafür werde allein der steigende CO₂-Preis sorgen.
Leipzig muss trotz allem investieren
Mahnende Worte vor dem Hintergrund einer Bilanzpressekonferenz für die Leipziger Gruppe (LVV) am Freitag, dem 7. Juni, im Neuen Rathaus. Jung ist auch Aufsichtsratsvorsitzender der Leipziger Gruppe. Und die konnte nun tatsächlich wieder ein positives Konzernergebnis vorlegen – trotz Energiemarktturbulenzen und deutlich gewachsenem Zuschussbedarf für die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB).
Der wird über den Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrag (VLFV) aus den Erlösen von Stadtwerken und Wasserwerken finanziert. Und das ist auch 2023 gelungen, obwohl die notwendige Summe von 65,5 auf 70,2 Millionen Euro gestiegen ist.
Was eben auch möglich wurde, weil das operative Ergebnis (EBITDA) der Leipziger Gruppe von 252 Millionen Euro im Jahr 2022 auf 344 Millionen Euro stieg.
Zudem investierte der kommunale Unternehmensverbund mit 368 Millionen Euro (353 Millionen Euro im Vorjahr) erneut verstärkt in die Gestaltung der Leipziger Lebensadern, um vor Ort Versorgungssicherheit und Klimaschutz voranzubringen, wie es das Unternehmen ausdrückt.
„Die Leipziger Gruppe ist auf solidem Kurs. Sie hat im Jahr 2023 erneut bewiesen: Auf Daseinsvorsorge in unserer Stadt ist Verlass“, lässt sich Burkhard Jung zu diesem Ergebnis zitieren. „Unsere Leipziger Verkehrsbetriebe erreichten einen beachtlichen Fahrgastzahlen-Zuwachs. Unsere Leipziger Stadtwerke konnten in der Energie-Erzeugung deutlich zulegen – auch dank des neuen Heizkraftwerks Leipzig Süd. Und die Leipziger Wasserwerke sind erneut ein Garant für Versorgungssicherheit. Zudem treibt die Leipziger Gruppe ihre Maßnahmen zum Erreichen der Leipziger Klimaschutzziele kontinuierlich voran.“
„Wir haben ein anspruchsvolles Jahr hinter uns, am Ende mit sehr guten Ergebnissen“, sagt Karsten Rogall, Sprecher der Geschäftsführung der Leipziger Gruppe. „Die Rahmenbedingungen haben uns alle gefordert: In der gesamten Wirtschaft war die Stimmung 2023 verhalten und geprägt von unterbrochenen Lieferketten, steigenden Zinsen, galoppierenden Bau- und Energiepreisen. Zudem hatte es das Jahr besonders in der Energie- und Mobilitätsbranche aufgrund der vielen überregionalen Regelungen, die lokal umgesetzt werden mussten, in sich.
All diese Herausforderungen haben unsere Mitarbeiter mit einem erhöhten Arbeitsaufwand gemeistert. Dabei hat unsere Leipziger Gruppe gut gewirtschaftet. Die so erarbeiteten Kraftreserven brauchen wir auch dringend, um unsere Stadt weiter zukunftsfest gestalten und die Energie- und Mobilitätswende Stück für Stück verwirklichen zu können.“
Wichtige Investitionen für die Leipziger Nachhaltigkeitsziele
Beschlossen ist das alles schon vom Leipziger Stadtrat: Energiewende, Wärmewende, Mobilitätswende. Aber dafür muss in ein Großprojekt ums andere investiert werden. Die Verkehrsbetriebe investierten 2023 z.B. für die Mobilitätswende in neue Fahrzeuge (zum Beispiel E-Busse), in neue Angebote (zum Beispiel neue Buslinien und Erweiterungen im Flexa-Netz) sowie in die Modernisierung der Infrastruktur (zum Beispiel Waldstraße und Landsberger Straße).
Dabei nutze das Unternehmen auch den Schwung des Deutschlandtickets. Als Folge legen die LVB bei den Fahrgastzahlen deutlich zu – und liegen damit auch über dem Trend im Bund. Für das Jahr 2023 sind es gut 153,3 Millionen Fahrgäste, also 14 Prozent mehr als im Vorjahr. Im 4. Quartal 2023 wurden mit 41,9 Millionen Fahrgästen so viele Personen befördert wie noch nie zuvor seit Beginn der automatischen Fahrgastzählung in den 1990er Jahren.
Doch ein Problem gibt es dabei: Zur Finanzierung des 49-Euro-Tickets braucht es zwingend finanzielle Unterstützung von Bund und Land. 20 Millionen Euro flossen dafür 2023 an die LVB. Für 2024 scheint diese Förderung gesichert, so Jung. Doch jetzt eiern Bund und Länder für 2025/2026 schon wieder herum. Und sorgen damit dafür, dass ÖPNV-Unternehmen deutschlandweit in finanzielle Engpässe geraten.
So gestaltet man keine Mobilitätswende. Aber im Land der Schuldenbremse ist so ein Unfug möglich.
Auch Wasserwerke und Stadtwerke investieren
„Die Wasserwerke stehen mit ihren umfangreichen Maßnahmen bei Netzen und Anlagen für eine langfristig zuverlässige und umweltschonende Trinkwasserversorgung und Abwasserbehandlung“, sagt Rogall. Ziel sei es, die wassertechnische Infrastruktur noch resilienter zu machen gegen Einflüsse von außen, darunter insbesondere Klimathemen und Aspekte der Informationssicherheit.
„Darüber hinaus setzen die Wasserwerke maßgebliche Zukunftsprojekte wie den Ausbau des Klärwerks Rosental um und bringen mit kommunalen Partnern den Paradigmenwechsel hin zu einer wassersensiblen Stadtentwicklung maßgeblich voran.“
Europarechtlich sei der Ausbau des Klärwerks um 30 Prozent (von 100.000 Kubikmeter Fassungsvermögen auf 130.000 Kubikmeter) inzwischen gesichert. Die ersten Ausschreibungen können raus, das Gelände kann beräumt werden und 2025 mit dem Bau begonnen werden, der die Wasserwerke bis 2031 beschäftigen wird. Wahrscheinlicher Kostenumfang, so KWL-Geschäftsführer Dr. Ulrich Meyer: rund 240 Millionen Euro.
Die aber längst fällig sind, denn für die aktuelle Bevölkerung Leipzigs ist das Klärwerk unterdimensioniert – und bei jedem stärkeren Regenereignis sofort überlastet.
Und die Stadtwerke sind natürlich weiter Treiber der Strom- und Wärmewende.
„Unser neues potenziell wasserstofffähiges Heizkraftwerk Leipzig Süd ist am Netz und bereitet uns auch mit seinen wirtschaftlichen Beiträgen viel Freude“, sagt Rogall. Der Betrieb wurde 2022 aufgenommen. „Unser erstes selbst projektiertes Windrad in Königshain-Wiederau liefert grünen Strom, weitere Windkraftanlagen sind im Bau. Wir vergrößern zudem unsere PV-Flächen sowohl im ländlichen als auch im urbanen Raum. Für die deutschlandweit viel beachtete Solarthermie Leipzig West ist der Baustart erfolgt. Die kommunale Wärmeplanung der Stadt Leipzig unterstützen die Leipziger Stadtwerke aktiv mit.“
Konzernumsatz und steigende Kosten
Im zurückliegenden Geschäftsjahr stieg der Konzernumsatz der Leipziger Gruppe von 4,160 Milliarden Euro (Vorjahr) auf 4,469 Milliarden Euro.
„Unsere Stadtwerke haben – auch mithilfe neuer Anlagen – deutlich mehr Energie selbst erzeugt und diese professionell im Energiegroßhandel verkauft. Auch in den Biomassekraftwerken gab es eine deutliche Ergebnisverbesserung“, erklärt Volkmar Müller, kaufmännischer Geschäftsführer der Leipziger Gruppe, die Gründe für die Steigerung.
„2023 war im Ausgang der Energiekrise ein Jahr der Sondereffekte. Größere Energie-Unternehmen, die die gesamte Wertschöpfungskette von der Erzeugung bis zum Handel ausspielen können, haben mit zügigen und richtigen Entscheidungen die Marktlage für sich nutzen können. Dazu gehören auch unsere Stadtwerke.“
Zudem habe der Konzern mit situativem Augenmaß und Weitblick agiert. Dazu gehörten auch Verschiebungen von Investitionen in den Bereichen Mobilität und Wasser aufgrund der angespannten Marktlage.
„Wir haben unter dem Strich erneut kaufmännisch gut gearbeitet, um unseren Investitionsmarathon fortsetzen zu können“, betont Müller.
Aber natürlich würden auch die höheren Tarifabschlüsse mit auf die künftige Bilanz schlagen. Was – so Rogall – auch wieder dringend notwendig ist. Denn auch der Leipziger Stadtkonzern muss sich auf einem angespannten Arbeitsmarkt sein Personal sichern. Und gerade die LVB haben nach wie vor zu kämpfen, genug Fahrpersonal für die Busse und Bahnen zu bekommen.
Um aber den Aspekt der Daseinsvorsorge zu unterstreichen, betonte Müller noch: „In den vergangenen fünf Jahren haben wir rund 1,6 Milliarden Euro in Leipzigs Lebensadern investiert. Das war eine starke Leistung. Und diesen Kurs gehen wir weiter. Im kommenden Jahr wollen wir im Vergleich zum Vorjahr einmal mehr eine Schippe drauflegen.“
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