Die Verhandlungen um bessere Arbeitsbedingungen im sächsischen ÖPNV drohen zu scheitern, wie die Gewerkschaft ver.di mitteilt. Sie ruft die Beschäftigten der kommunalen Nahverkehrsunternehmen in Sachsen am Freitag, dem 22. März, wieder zu einem ganztägigen Warnstreik auf. Nachdem die Arbeitgeber in der ersten Verhandlungsrunde am 24. Januar kein Angebot zu den Forderungen vorgelegt und die zweite Verhandlungsrunde einseitig abgesagt hatten, wurden die Gespräche am 19. März in Leipzig fortgesetzt.
Doch statt einen Kompromiss zu suchen, legte der Kommunale Arbeitgeberverband (KAV) Sachsen ein Papier vor, das zahlreiche Gegenforderung enthält und jede Wertschätzung für die Arbeit der Beschäftigten vermissen lasse, so stellt es ver.di fest.
So seien nach mehreren Gesprächsrunden zwar kleine Verbesserungen beim Thema Zuschläge und geteilte Dienste in Aussicht gestellt worden. Gleichzeitig hätten die Arbeitgeber jedoch eine massive Mehrbelastung der Kolleginnen und Kollegen gefordert – und das in einer Tarifrunde, die unter dem Schwerpunkt Entlastung stehe.
Die Kritik der Gewerkschaft
Dazu sagt Paul Schmidt, ver.di Fachbereichsleiter und Verhandlungsführer: „Statt für Entlastung zu sorgen, fordern die Arbeitgeber, dass die Beschäftigten zukünftig bis zu 44 Stunden pro Woche arbeiten. Diese Mehrarbeit soll anders als bisher aber nicht mehr in Freizeit, sondern ausschließlich in Geld abgegolten werden. Im Ergebnis würden die eh schon stark belasteten Kollegen noch schneller verschlissen. Das ist kurzsichtig und verantwortungslos.“
Jahrelang wurden im sächsischen Nahverkehr die geringsten Löhne bundesweit gezahlt. Mit dem im ersten Quartal stattfindenden Lohnsteigerungen schließen die Beschäftigten nun zum Lohnniveau des öffentlichen Dienstes auf. Sollte die Anbindung an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) aufgehoben werden, fallen die Beschäftigten erneut hinter die Einkommen und Arbeitsbedingungen anderer kommunaler Beschäftigter zurück.
Schon jetzt sind die Krankenstände im ÖPNV in der Regel mindestens doppelt so hoch wie in der gesamten Wirtschaft. Gleichzeitig ist der Anteil der Beschäftigten unter 35 Jahren im Schnitt nur halb so hoch wie in anderen Branchen. Es gelinge de facto also kaum noch, junge Beschäftigte von einem Jobeinstieg im Nahverkehr zu überzeugen, so ver.di.
„Nachdem es erst im letzten Jahr gelungen war, im Tarifvertrag Nahverkehr das Entgeltniveau des öffentlichen Dienstes zu erreichen, wollen die Arbeitgeber nun eine Kehrtwende vollziehen“, interpretiert die Gewerkschaft das Angebot des KAV. „Sie fordern die Entkopplung der Arbeitsbedingungen vom öffentlichen Dienst. So sollen zukünftige Entgeltsteigerungen oder Veränderungen bei der Arbeitszeit in den ÖPNV-Unternehmen nicht mehr umgesetzt werden.“
„Bei der nächsten Tarifrunde im öffentlichen Dienst verhandeln wir über die Einkommen der Beschäftigten in Rathäusern, Kitas, den Stadtreinigungen und vielen Bereichen mehr. Von den Kollegen im Nahverkehr erwarten die Arbeitgeber nun aber, dass sie sich davon entkoppeln und auf die dort zu vereinbarenden Verbesserungen verzichten. Das ist schlicht und ergreifend ungerecht“, ergänzt Schmidt.
Warnstreik am 22. März: Daher ruft ver.di die Beschäftigten der kommunalen Verkehrsunternehmen in Chemnitz, Dresden, Leipzig, Plauen und Zwickau am 22. März 2024 zu einem ganztägigen Warnstreik auf.
Die Forderungen in der aktuellen Tarifrunde
Erhöhung des Urlaubsanspruchs 33 Arbeitstage
Einführung von Zeitzuschlägen für Samstagsarbeit in Höhe von 20 Prozent
Erhöhung der Zeitzuschläge für Sonntagsarbeit auf 50 Prozent verbunden mit der Möglichkeit, diese in zusätzliche Regenerationstage umzuwandeln
Erhöhung der Zeitzuschläge für Nachtarbeit auf 25 Prozent verbunden mit der Möglichkeit, diese in zusätzliche Regenerationstage umzuwandeln
Verkürzung der Stufenlaufzeiten auf jeweils 2 Jahre
5 zusätzliche Regenerationstage für Kombifahrer*innen
je 1 zusätzlicher Regenerationstag für 100 geleistete Nachtstunden (jahresübergreifend)
Anerkennung der Wegezeiten als Arbeitszeit, wenn Anfangs- und Endort des Dienstes nicht identisch sind
Streichung der Ausnahmen bei der ununterbrochenen Ruhezeit zwischen zwei Dienstschichten
Berechnung der Zeitzuschläge auf der jeweils individuellen Erfahrungsstufe der Beschäftigten
Begrenzung der Anzahl der geteilten Dienste auf max. 1 pro Beschäftigten pro Monat; Ausnahmen sind einvernehmlich möglich
Überstundenzuschläge für Fahrzeugverspätungen ab der 1. Minute als Überstunden
Erhöhung der Entschädigung für geteilte Dienste auf 30 Euro pro Dienstschicht
Wiederinkraftsetzen der Regelungen zur Altersteilzeit
Update: Die Meldung der LVB
LVB richten Notfahrplan für Freitag ein
Die Gewerkschaft verdi bestreikt die Leipziger Verkehrsbetriebe mit einer kleinen Warnstreik-Aktion von Donnerstag, 21. März, 3 Uhr, bis 22. März, 6 Uhr, wobei es hier zu einzelnen Einschränkungen und punktuellen Ausfällen kommen kann.
Am Freitag, 22. März, wird von 3 Uhr bis zum 23. März um 6 Uhr eine große Warnstreik-Aktion durchgeführt. Dadurch wird es zu erheblichen Einschränkungen und Auswirkungen für Verkehre zur Leipziger Buchmesse kommen.
„Als Gastgeber versuchen wir – trotz der vollkommen unangemessenen Gewerkschaftsaktionen – ein Angebot für die Menschen in der Messestadt udn unsere Besucher aufzubauen. Obwohl die Verhandlungen noch laufen, entsteht Schaden für unsere Stadt, die Messe und die LVB. Wir tun alles um dies zu reduzieren”, sagt Ulf Middelberg, Sprecher der Geschäftsführung der Leipziger Verkehrsbetriebe.
Als Mobilitätsdienstleister für die Stadt und die Messe versuchen die Leipziger Verkehrsbetriebe nun ein eingeschränktes Notfahrplan-Angebot für den 22.3.2024 aufzustellen, um vor allem die Gäste aus aller Welt auf die Neue Messe Leipzig zu bringen. Die Straßenbahnlinie 16 soll trotzallem ab Hauptbahnhof alle 5 Minuten fahren, anstatt wie angekündigt alle 3 Minuten. Fahrgäste werden gebeten, frühzeitig ihre Fahrt auf die Messe anzutreten und sich über die App LeipzigMOVE zu informieren.
Die Straßenbahnlinien 1, 3, 4, 7, 11, 15 sowie Buslinie 70, 80 und 90 sollen alle 20 Minuten fahren. Ein Nachtverkehr kann nicht sichergestellt werden. Informationen zum Fahrt-Angebot finden Kunden und Gäste der Leipziger Buchmesse unter www.L.de/fahrplan und in der App LeipzigMOVE. Folgende Buslinien, die von Mobilitätspartnern betrieben werden, sind weiterhin für die Leipzigerinnen und Leipziger unterwegs: 61, 62, 66, 67, 77, 83, 87, 88, 91, 143, 161, 162, 172, 173, 175, 176, Schulfahrten von Sommerfeld bis Taucha sowie Flexa Nord, Südwest, Leutzsch und Südost.
Über die App LeipzigMOVE bieten die Leipziger Verkehrsbetriebe alternative Mobilitätsdienste wie BikeSharing und E-Scooter an. Dabei erhalten vollständig registrierte Nutzerinnen und Nutzer an Streiktagen je 30 Freiminuten zur kostenlosen Ausleihe von Nextbike-Rädern. Die einzelne Fahrten werden minutengenau abgerechnet.
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