„Unsere Biomassekraftwerke gehören zu den modernsten in Deutschland. Sie werden ausschließlich mit naturbelassenem Holz betrieben, das bei der Waldpflege bzw. Durchforstung oder der Landschaftspflege anfällt“, teilen die Leipziger Stadtwerke auf ihrer Homepage mit. Zwei Biomassekraftwerke betreiben sie – eines in Piesteritz und eines im thüringischen Bischofferode. Aber da wird wohl auch anderes Holz verbrannt, machte Greenpeace am Freitag öffentlich.

Und zwar mit einer morgendlichen Protestaktion vor dem Biomassekraftwerk in Holungen/Bischofferode. Auf einen etwa 4,5 Meter hohen Stapel aus Holzstämmen vor dem Werk sprühten sie ein 20 Meter langes Graffiti mit der Frage „Waldschutz?“ und forderten auf Bannern: „Wälder schützen, nicht verbrennen!“

Vorher hatten die Greenpeace-Mitstreiter schon einen Verdacht. Denn in Biomassekraftwerken in Deutschland wird immer mehr Holz verbrannt. Betreiber von Kohlekraftwerken planen die Umstellung auf Holzverbrennung. Doch so viel Holz fällt bei der Waldpflege in deutschen Wäldern gar nicht an, schon gar nicht in den FFH-Schutzgebieten, die besonderen Schutzstandards unterliegen.

Deutschland verliert immer mehr gesunde Wälder

„Wälder stehen immer öfter in Flammen und hier werden sie verbrannt, obwohl wir sie dringend für den Klimaschutz brauchen. Wir müssen auf saubere, erneuerbare Energien, wie Wind, Solar und Geothermie setzen! Holzverbrennung ist nicht klimaneutral“, sagt Greenpeace-Waldexperte Christoph Thies

Etwa ein Drittel des deutschen Holzeinschlags wird schon jetzt laut Umweltbundesamt (UBA) verbrannt, Tendenz steigend und mit extremen Folgen für das Klima und die Artenvielfalt, stellt Greenpeace fest. Im Oktober 2021 hatte das Umweltbundesamt die offiziellen Statistiken zum Holzeinschlag deutlich in Zweifel gezogen, nach denen nur 14 Prozent der geschlagenen Holzmenge verheizt wird.

„Nach den Ergebnissen dieser Studie lag das tatsächlich dem Wald entnommene Holz im Jahr 2016 bei 62,5 Mio. m³ und damit rund 10 Mio. m³ über der in der Holzeinschlagstatistik angegebenen Menge. Auch die energetische Nutzung lag mit 17,1 Mio. m³ deutlich über der laut Holzeinschlagstatistik ausgewiesenen Energieholzmenge von 9,9 Mio. m³ im Jahr 2016“, schrieb das Umweltbundesamt.

Das heißt: Es wird deutlich mehr Holz aus den Wäldern geholt, als in die offiziellen Statistiken eingeht. Und der größte Teil davon wird augenscheinlich verheizt.

Holzkraftwerke sind nicht die Lösung

Dabei ist ein naturnaher Waldbestand ist für den Klimaschutz dringend nötig, um mehr CO₂ aus der Luft zu binden und zu speichern, stellt Greenpeace fest. Doch zwischen 2017 und 2019 hat sich die jährliche CO₂-Speicherung des Waldes in Deutschland dem UBA zufolge stattdessen halbiert: Weil Bäume abgeholzt werden oder wegen der Dürre sterben. Dadurch steigt der CO₂-Gehalt in der Atmosphäre und heizt die Klimakrise weiter an.

Und, so warnt Greenpeace: „Es droht die Gefahr, dass das industrielle Verbrennen von Holz weiter zunimmt. So planen beispielsweise mehrere Betreiber von Kohlekraftwerken in Deutschland, auf das Verfeuern von Holz umzurüsten. Dies würde den Verbrauch weiter in die Höhe treiben – auf bis zu sieben Prozent je Kraftwerk. Deshalb fordert Greenpeace, Kohlekraftwerke nicht auf Holz umzurüsten.“

Mit Trackern Bäume aus Schutzgebieten verfolgt

Um aber herauszubekommen, ob das eingeschlagene Holz aus den FFH-Gebieten tatsächlich direkt ins Kraftwerk wandert, hat Greenpeace 36 aufgefundene Holzstapel mit Trackern versehen. Je Stapel jeweils ein Sender. Das Ergebnis, so stellt Greenpeace fest: 15 Prozent der getrackten Buchen, Eichen und Birken aus den geschützten Waldgebieten landeten direkt im Kraftwerk Holungen, also dem von den Stadtwerken Leipzig betriebenen Biomasse-Kraftwerk in Bischofferode.

Greenpeace hat dabei gezielt Holzstapel in FFH-Gebieten in der Nähe von Kraftwerken getrackt. Der Holzeinschlag ist dabei nicht einmal ein Gesetzesverstoß, obwohl die vergangenen vier Dürre-Jahre gezeigt haben, dass Deutschland mit seinen noch vorhandenen Wäldern anders umgehen muss.

„Diese Gebiete sollen gefährdete Ökosysteme und wildlebende und teilweise bedrohte Tiere und Pflanzen schützen. Ein Rückzugsort für Arten sein, deren Lebensräume kontinuierlich schrumpfen. Doch von unberührter Natur kann in diesen FFH-Gebieten nicht die Rede sein, denn: Wer durch diese Wälder streift, stößt auf einen Polter nach dem nächsten“, geht Greenpeace darauf ein, dass auch die FFH-Gebiete wie simple Energielieferanten behandelt werden.

„Wir sehen seit Jahren einen massiven Raubbau am Rohstoff Holz. Hier ist es ein doppeltes Desaster, weil selbst Schutzgebiete nicht schützen. Deshalb ist auf mindestens 15 Prozent der Waldflächen echter Schutz vor Kettensägen nötig, ohne forstwirtschaftliche Eingriffe“, sagt Christoph Thies.

Was sagen die Leipziger Stadtwerke?

“Unsere Biomasse-Kraftwerke gehören zu den modernsten in Deutschland. Sie werden ausschließlich mit naturbelassenem Holz betrieben, welches bei der Waldpflege bzw. Durchforstung oder der Landschaftspflege anfällt”, betonen die Leipziger Stadtwerke auf Rückfrage.  Und sie ergänzen: “Hier werden wir mit minderwertigem Holz beliefert, welches anders nicht wirtschaftlich verwertet wird. Derzeit gibt es durch Dürre, Waldbrände und Borkenkäferbefall ausreichend Material für unseren Einsatzzweck.”

Aus Sicht der Stadtwerke Leipzig ist die Strom- und Wärmeerzeugung aus Biomasse ein wichtiger Bestandteil ihrer nachhaltigen Erzeugungsstrategie.

“Damit setzen wir auf eine zuverlässige, regionale und umweltschonende, weil CO2-neutrale, Erzeugung”, teilen sie uns mit. “Es gibt nach meinem Kenntnisstand auch keine Energieerzeugungsanlage, die nicht durch verschiedene NGOs oder Bürgerbewegungen in Frage gestellt wird. Die Leipziger Stadtwerke setzen auf einen breiten Energiemix, der uns große Versorgungssicherheit bietet. Bei uns möchte keiner, wie von Greenpeace behautet, ‘ausschließlich und verstärkt’ auf die Verwertung von Biomasse setzen. Wir würden uns zudem freuen, wenn uns Greenpeace-Aktivisten bei unseren Windkraft- und PV-Anlagen-Projekten unterstützen würden. Denn dagegen setzen sich grundsätzlich wieder andere NGOs und Bürgerinitiativen ein. So werden wir das Klima nicht retten. Denn der Strom kommt ursprünglich leider nicht aus der Steckdose.”

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