Das hat reingehauen. Das hat die Weltwirtschaft so noch nicht erlebt, dass praktisch alle wichtigen Industrienationen fast zwei Monate ihre Wirtschaft herunterfahren, um den Ausbruch einer Pandemie in den Griff zu bekommen. Mit durchaus unterschiedlichem Erfolg. Sachsen ist dabei noch relativ glimpflich davongekommen. Aber zumindest im März und April sorgt der Shutdown für eine massive Eintrübung der Stimmung in der Wirtschaft.
Wobei man alle diese Fragen aus der regelmäßigen Konjunkturumfrage immer mit Vorsicht genießen muss. Aus verschiedenen Gründen. Einer ist: Die Stimmung der teilnehmenden Unternehmen spiegelt nicht immer die wirkliche Lage. Oft sehen Unternehmer ihre Lage und ihre Zukunft wesentlich pessimistischer, als sie tatsächlich ist, lassen sich von Medienmeldungen anstecken oder von anderen Mitgliedern der Branche, die oft eine völlig andere Geschäftsgrundlage haben.
Bestes Beispiel ist das Baugewerbe, das von der IHK Leipzig in der Frühjahrserhebung so ausgewertet wird: „Die Boomphase im Baugewerbe endet mit der Corona-Pandemie ausgesprochen abrupt. Durch den wirtschaftlichen Shutdown melden die Baufirmen vermehrt Auftragsstornierungen sowie rückläufige Auftragseingänge. Diese Entwicklung überlagert die saisonübliche Frühjahrsbelebung und führt insgesamt zu einer schlechteren Lagebeurteilung als zuletzt.
Der entsprechende Saldo verringert sich um 35 auf 40 Prozentpunkte, was jedoch nach wie vor das beste Ergebnis aller Wirtschaftsbereiche darstellt. Ihre Geschäftserwartungen korrigieren die Bauunternehmen krisenbedingt nach unten. Vor allem die bereits erkennbare kräftige Investitionszurückhaltung im gewerblichen und privaten Sektor dämpft die Geschäftsaussichten erheblich. Fast die Hälfte der Betriebe (46 Prozent) rechnet mit rückläufigen Umsätzen, der Prognosesaldo stürzt von 24 auf -29 Punkte ab.“
Was die tatsächliche Lage betrifft, sind selbst die Entwicklungen innerhalb der Branche sehr verschieden, wie gerade die jüngste Auswertung zu den realen Geschäftszahlen durch das Statistische Landesamt vom 26. Mai zeigt: „Trotz Corona-Pandemie wurde im März 2020 saisontypisch ein Umsatzplus von 39,0 Prozent zum Vormonat verbucht, wobei der Hochbau um 23,6 Prozent und der Tiefbau um 58,7 Prozent höhere Umsätze abrechneten.
Gegenüber März 2019 erhöhte sich der Gesamtumsatz um 9,3 Prozent. Der Auftragseingang der Betriebe der Wirtschaftszweige Hoch- und Tiefbau sowie Vorbereitende Baustellenarbeiten (Bauhauptgewerbe) lag im März 2020 mit 511 Millionen Euro um 25,9 Prozent über dem Vormonatswert. Allerdings musste der Hochbau einen Rückgang um 4,8 Prozent hinnehmen, während der Tiefbau ein um 56,9 Prozent höheres Auftragsvolumen verzeichnete. Im Vergleich zum Vorjahresmonat hingegen wurden insgesamt 28,4 Prozent weniger Aufträge akquiriert.“
Zwar konnte das Statistische Landesamt bisher nur bis März auswerten (die IHK-Umfrage erfasst auch den April), aber die Auftragslage hat sich vor allem im Tiefbau eingetrübt: „Im 1. Quartal 2020 ging der Auftragseingang im Vergleich zum 1. Quartal 2019 um 11,3 Prozent auf 1.291 Millionen Euro zurück. Die Nachfrageentwicklung in Hochbau (+14,7 Prozent) und Tiefbau (-24,7 Prozent) war dabei gegenläufig.“
Diese Widersprüche findet man in allen Branchen. Manche konnten sogar ihre Umsätze steigern, weil sie auch in der Corona-Zeit weiterarbeiten konnten.
Und natürlich beeinflussen auch Branchen diese Umfrage, die auch noch im Mai direkt betroffen waren oder sind – wie das Hotel- und Gastgewerbe oder die völlig zum Ausharren verdammte Leipziger Messe – die Leipziger Konjunkturumfrage.
Was die IHK zu Leipzig zu der Einschätzung bringt: Nachdem die Unternehmen zu Jahresbeginn noch recht zuversichtlich in die Zukunft blickten, hat sich mit der Coronakrise die Situation dramatisch verändert. Geschäftslage und Geschäftserwartungen der Firmen stürzen gleichermaßen ab. Der daraus resultierende IHK-Geschäftsklima-Index fällt um 53 Punkte extrem ab und erreicht aktuell mit 79 Punkten exakt den Tiefpunkt der globalen Wirtschaftskrise von 2009. Zu diesem Ergebnis kommt die Konjunkturbefragung der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig im Frühjahr 2020, an der sich 455 Unternehmen aller Branchen und Größenklassen mit insgesamt mehr als 30.000 Beschäftigten beteiligt haben.
Kristian Kirpal, Präsident der IHK zu Leipzig, erklärt zu diesem Befund: „Der wochenlange Shutdown des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens hat massive Auswirkungen für die Wirtschaftsregion Leipzig. Im Sturzflug ist die Stimmung der regionalen Unternehmen auf den Tiefststand der Wirtschafts- und Finanzkrise von vor elf Jahren zurückgefallen. Für viele Unternehmen ist die Situation existenzbedrohend.
Eine schwere Rezession ist nicht mehr abzuwenden, das zeigen erste amtliche Daten zur Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes an und spiegeln auch unsere Konjunkturergebnisse wider. Die Politik ist jetzt gefragt, mit kräftigen Konjunkturimpulsen, von denen alle Branchen schnell und direkt profitieren, dagegenzuhalten. Gleichzeitig müssen zusätzliche Steuer- und Abgabenlasten für Unternehmen auf lange Sicht ausgeschlossen werden, um eine schnelle Erholung der Wirtschaft nicht abzuwürgen.“
Die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie haben die regionale Wirtschaft im März und April in Teilen nahezu lahmgelegt. Die Beschränkungen des Geschäftsbetriebes führten zu einer drastischen Verschlechterung der aktuellen Geschäftslage. Im Ergebnis fällt der Lage-Saldo aktuell um 59 auf -5 Punkte. Jede dritte Firma meldet eine schlechte Geschäftslage, gegenüber gerade einmal sechs Prozent zu Jahresbeginn.
Und die Verunsicherung der Unternehmen mit Blick auf die weitere konjunkturelle sowie geschäftliche Entwicklung ist branchenübergreifend sehr groß. Dementsprechend pessimistisch fallen momentan die Geschäftserwartungen der Firmen aus. Der Saldo aus positiven und negativen Geschäftsaussichten gibt von 13 auf -35 Punkte nach. Fast die Hälfte der Firmen rechnet in den kommenden Monaten mit einer Verschlechterung und nur noch 13 Prozent mit einer Verbesserung der geschäftlichen Situation.
Ähnlich schlecht ist es nach Einschätzung der Unternehmen um die Exportaussichten bestellt. Da zur Bekämpfung der Corona-Pandemie die wirtschaftlichen Aktivitäten in den meisten Industrieländern stark zurückgefahren wurden, ist in diesem Jahr von einem kräftigen Rückgang der weltweiten Wirtschaftsleistung auszugehen. Die negativen Folgen auf den globalen Handelsverkehr sind bereits deutlich spürbar. Entsprechend skeptisch beurteilen die im Außenhandel aktiven Unternehmen ihre Exportaussichten. Der Export-Saldo fällt kräftig um 36 auf -28 Prozentpunkte.
Was dann zur Folge hat, dass viele Unternehmen ihr Investitionsbudget drastisch gesenkt und geplante Investitionen erst einmal gestrichen haben. Und auch die Personalplanungen der Unternehmen haben sich im Zuge der derzeitigen Krise sprunghaft gedreht. Konnte noch zu Jahresbeginn mit einem moderaten Beschäftigungszuwachs in der gewerblichen Wirtschaft gerechnet werden, ist nunmehr wohl – trotz starker Ausweitung von Kurzarbeit – ein Personalabbau nicht zu verhindern, schätzt die IHK ein. So planen 28 Prozent der Betriebe mit weniger Personal als bisher. Nur noch sechs Prozent wollen zusätzliche Mitarbeiter einstellen. Der daraus resultierende Beschäftigungssaldo sinkt von zuletzt +15 auf -22 Punkte.
Und waren vorher Fachkräftemangel und hohe Arbeitskosten die Hauptsorgen der Leipziger Wirtschaft, ist jetzt die bange Sorge um die Inlandsnachfrage an deren Stelle getreten.
Aber noch erhellender ist eigentlich die Frage nach den direkten Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf die Betriebe. Und da überrascht eigentlich die Aussage überhaupt nicht, dass vor allem die fehlende Kinderbetreuung den größten Schaden in den Betrieben anrichtet: „So wird am häufigsten der Ausfall von Mitarbeitern aufgrund von Betreuungspflichten für Kinder genannt. In 46 Prozent der Betriebe ist dies der Fall.“ Erst dahinter folgen ausbleibende Kundenströme und stornierte Aufträge.
Was eben auch das Thema Fachkräfte wieder anders beleuchtet: Die Arbeit ist schon da, aber vor allem Frauen hängen – weil Kitas und Schulen geschlossen waren – zu Hause fest und fehlen in den Unternehmen, wo sie eben dringend gebraucht werden.
Licht und Schatten in den einzelnen Wirtschaftsbereichen
Die Industrie ist durch die weltweit stark eingeschränkte wirtschaftliche Tätigkeit im Zuge der Coronakrise spürbar geschwächt. Durch Mitarbeiterausfälle sowie fehlende Zulieferprodukte haben auch viele hiesige Industriebetriebe ihre Produktion zurückgefahren oder zeitweise sogar völlig eingestellt. Ebenso verzeichnen die Firmen einen starken Rückgang bei den Auftragseingängen.
Entsprechend beurteilen 30 Prozent der Unternehmen ihre Lage als schlecht (Jahresbeginn: 9 Prozent), der Lage-Saldo sinkt um 52 auf -8 Punkte. Die Geschäftserwartungen zeigen momentan keine Anzeichen auf Besserung. Zwei Drittel der Industriebetriebe rechnen in diesem Jahr mit rückläufigen Umsätzen gegenüber 2019, der Saldo der Geschäftserwartungen bricht um 41 auf -36 Punkte ein. Infolgedessen planen viele Betriebe mit stark reduzierten Investitionen und einer deutlich geringeren Personalnachfrage.
Das Dienstleistungsgewerbe als regionaler Wirtschaftsmotor kommt in vielen Bereichen zum Stillstand. Insbesondere die persönlichen und veranstaltungsbezogenen Dienstleister (Messen/Sport-/Kulturevents) sowie die Kreativwirtschaft spüren die Folgen des wirtschaftlichen Shutdowns massiv. So führen Messe- und Veranstaltungsverbote sowie Schließungsanordnungen teilweise zur völligen Einstellung der Geschäftstätigkeit. Dadurch hat sich die Lage im Dienstleistungssektor erheblich eingetrübt. Der Saldo fällt um 55 auf nur noch sieben Punkte.
Auch die Geschäftserwartungen der Dienstleister zollen den veränderten wirtschaftlichen Bedingungen Tribut und sind – trotz bereits beschlossener Lockerungsmaßnahmen – ausgesprochen gedämpft. Etwa die Hälfte der Unternehmen geht von Auftrags- und Umsatzrückgängen in den kommenden Monaten aus. Der Prognose-Saldo sinkt um 45 auf aktuell -25 Punkte. Damit endet vorerst die Wachstumsphase der vergangenen Jahre.
Äußerst unterschiedlich haben die Betriebe im Einzelhandel die vergangenen Wochen durchlebt. Während Versand- und Lebensmittelhandel sowie Drogerien und Apotheken ihre Geschäftstätigkeit fortsetzen konnten, mussten große Teile des übrigen stationären Einzelhandels im März und April schließen. Entsprechend differenziert fallen die aktuellen Lageeinschätzungen aus: Jede fünfte Firma meldet eine gute, 28 Prozent eine schlechte Lage. Der Saldo liegt bei -8 Punkten, 44 Punkte weniger als noch zu Jahresbeginn.
Die Geschäftserwartungen der Branche sind insgesamt äußerst pessimistisch. Kurzarbeit und drohende Arbeitslosigkeit lassen die Sorge um hohe Kaufkraftrückgänge der privaten Haushalte wachsen. Zudem dürften viele Einzelhändler wegen wochenlanger Schließung auf Teilen ihrer georderten Saisonware sitzen bleiben. So geht über die Hälfte der Firmen von einer Verschlechterung der Geschäftslage aus, mehr als 60 Prozent rechnen in den kommenden Monaten mit sinkenden Umsätzen. Der Erwartungssaldo fällt dementsprechend drastisch um 39 auf -35 Punkte.
Durch die erfahrungsgemäß starke Abhängigkeit des Großhandels von der allgemeinen Konjunkturentwicklung wirkt sich der krisenbedingte Einbruch im Frühjahr äußerst negativ auf die Lage der Unternehmen aus. Vor allem die produktionsnahen Großhändler melden rückläufige Aufträge. Jede dritte Firma kann aktuell noch auf eine gute Geschäftslage verweisen, aber bereits 42 Prozent sind mit ihrer Situation nicht mehr zufrieden. Der Saldo fällt von 23 auf -9 Punkte. Die Geschäftsaussichten der Unternehmen lassen keine schnelle Erholung erkennen. Im Gegenteil: Über 40 Prozent gehen von einer Verschlechterung der Lage aus, fast 60 Prozent rechnen mit sinkenden Umsätzen. Der Prognose-Saldo sinkt insgesamt um 40 auf -30 Punkte.
Im Verkehrs- und Logistikgewerbe hat aufgrund von Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen insbesondere der Personenverkehr mit kräftigen Einschnitten zu kämpfen. Durch Grenzschließungen, massive Produktionsrückgänge und Lieferprobleme im Industriesektor blieb jedoch auch der internationale und nationale Gütertransport von den Auswirkungen der Krise nicht verschont. Der Saldo der Lagebeurteilungen fällt insgesamt um 55 auf -4 Punkte. Auch die Geschäftsaussichten der Branche sind alles andere als zuversichtlich.
Infolge der weltweiten Rezession und damit verbundener Produktions- und Umsatzrückgänge rechnen die regionalen Verkehrsunternehmen mit einer sinkenden Nachfrage nach Transportkapazitäten und logistischen Dienstleistungen. Die Hälfte der Unternehmen erwartet eine weitere Verschlechterung der Lage, der Saldo der Geschäftsaussichten sackt um 51 auf -37 Punkte ab. Auch die zuletzt hohe Personalnachfrage geht aktuell auf ein Minimum zurück.
Die absolut stärksten Auswirkungen haben die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie auf das Gast- und Tourismusgewerbe. Die Branche befindet sich geradezu in Schockstarre. Für 32 Prozent der Betriebe ist die Lage bereits existenzbedrohend. Über 90 Prozent melden eine schlechte und nur drei Prozent eine gute Geschäftslage. Per Saldo -87 Punkte sind der niedrigste jemals bei einer Konjunkturumfrage der IHK zu Leipzig gemessene Wert. Auch mit der allmählichen Rückkehr zu einem „normalen“ Geschäftsbetrieb dürfte sich die Situation der Branche kaum bessern.
Die Geschäftsaussichten der Unternehmen sind mit -76 Punkten so schlecht wie nie. Es fehlt an Möglichkeiten, um entgangene Umsätze aufzuholen, zudem bleibt die Geschäftstätigkeit durch die Absage großer Events und weiterhin geltende Restriktionen erheblich eingeschränkt. Unsicher ist auch, wie sich das Konsumverhalten der privaten Verbraucher im Jahresverlauf entwickeln wird. Für viele Unternehmen wird das Jahr 2020 ein Überlebenskampf.
Massive Umsatzeinbrüche bei sächsischen Einzelhändlern und deutliche Zuwächse bei Supermärkten und Online-Handel
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