Nicht nur die Leipziger Gruppe als Stadtholding legte in dieser Woche ihre Geschäftszahlen für das vergangene Jahr vor. Auch die drei Tochterunternehmen legten ihre Zahlen vor. Und gerade bei den Leipziger Verkehrsbetrieben (LVB) war eine gewisse Aufmerksamkeit sicher. Denn erstmals in den vergangen Jahren konnten die LVB ihre Erlöse nicht durch eine Fahrpreiserhöhung steigern.
Im Vorjahr hatte der Leipziger Stadtrat ein zweijähriges Fahrpreismoratorium beschlossen, um den Automatismus bei den Fahrpreiserhöhungen zu beenden. Wie selbstverständlich die LVB diese Preissteigerungen schon als Planung für ihre Bilanz nutzten, macht der Blick auf die geplanten Fahrgasteinnahmen sichtbar.
Denn geplant hatte man das Jahr mit 106,7 Millionen Euro an Fahrgasteinnahmen. Geworden sind es am Ende aber „nur“ 103 Millionen. „Nur“ deshalb, weil auch das eine deutliche Steigerung gegenüber dem Vorjahr ist. 2018 hatte man mit 100 Millionen Euro geplant und am Ende 98 Millionen Euro eingenommen.
Da verblüfft es schon, dass man trotz Moratorium am Ende mehr Geld aus dem Ticketerlös verbuchen konnte. Und noch etwas kommt hinzu: Die Fahrgastzahlen waren gegenüber dem Vorjahr sogar zurückgegangen – von 155 Millionen gezählten Fahrten auf 152,5 Millionen. Grund dafür unter anderem die vielen Baustellen und die damit notwendigen Sonderfahrpläne im Linienbetrieb.
Woher kamen dann aber die Mehreinnahmen?
Sie stecken in jenem Segment, in dem es um die Stammkunden der LVB geht, jene Menschen, die ganz selbstverständlich mit Straßenbahn und Bus zur Arbeit, Einkauf und Vergnügen fahren und dafür ein Abonnement bei den LVB abschließen. Was ja dann auch die Nachricht war, auf die die Leipziger Verkehrsbetriebe 2019 besonders stolz waren. Denn sie überschritten nicht nur die Marke von 100.000 Abonnenten, feierten auch nicht nur im Herbst die 111.111, sondern zählten am Jahresende sogar 116.937 Abonnenten, 40 Prozent mehr als 2014.
Das heißt eben nicht nur, dass immer mehr Leipziger/-innen den ÖPNV ganz selbstverständlich als Alltagsmobilität verstehen, was natürlich eine gute Ausgangslage für die Umsetzung des vom Stadtrat beschlossenen Nachhaltigkeitsszenarios ist. Sie honorieren damit auch, dass zumindest an einigen Stellen die Investitionsstrategie der LVB sichtbar und erlebbar wird.
Denn noch vor wenigen Jahren bewegten sich die jährlichen Investitionsbudgets der LVB bei 20 bis 25 Millionen Euro jährlich, gerade einmal genug, um das Netz einigermaßen in Schuss zu halten, aber viel zu wenig, um das Angebot tatsächlich zu verbessern. Eine sichtbare Verbesserung sind die seit Dezember 2016 nach und nach in Leipzig ankommenden neuen XL-Straßenbahnen, die ein nicht ganz unwichtiges Segment in den deutlich gestiegenen Investitionsausgaben der LVB sind, die 2017 mit 48,8 Millionen Euro erstmals an der 50-Milllionen-Grenze kratzten, 2018 dann 63,9 Millionen betrugen und 2019 dann 78,5 Millionen. Wobei das Ziel eigentlich gewesen war, sogar 100 Millionen zu investieren.
Die LVB formulieren das in ihrem Geschäftsbericht so: „Die Verkehrserlöse konnten in 2019 um 6,3 % auf Mio. EUR 122,5 gegenüber dem Vorjahr gesteigert werden. Die Linieneinnahme als wesentlicher Teil der Verkehrserlöse betrug in 2019 Mio. EUR 103,2 und lag damit Mio. EUR 5,1 über dem Vorjahr. Dabei wirkt insbesondere die im Vorjahr durchgeführte Tarifanpassung, während im Geschäftsjahr mit der Umsetzung des vom Stadtrat beschlossenen Tarifmoratoriums keine Preisänderung vorgenommen wurde.
Gestützt wurde die Einnahmeentwicklung durch das stetige Wachstum im ABO-Segment. Zudem konnten insbesondere durch das Angebot ABO Flex die Anzahl der verkauften Tickets im Bartarif gesteigert werden. Die zum 1. August 2019 neu eingeführten Produkte ,Azubiticket Sachsen‘ und ,Schülerfreizeitticket‘ beeinflussten die Entwicklung der Linieneinnahme ebenfalls positiv. Der positive Erlösverlauf der letzten Jahre setzt sich damit fort.“
Was dann dieses schöne Bild im Vergleich von Fahrgastzahlen und Fahrgasteinnahmen ergibt.
Aber es waren eben auch nicht nur die Baustellen, die das Fahrgeschäft beeinträchtigten. Auch das geben die LVB selbstkritisch zu: „In 2019 beförderten die Leipziger Verkehrsbetriebe 152,5 Mio. Fahrgäste und mussten damit erstmalig seit der Einführung des Mitteldeutschen S-Bahn-Netzes einen Rückgang verzeichnen. Die Ursachen sind dabei differenziert zu betrachten. So musste im 1. Halbjahr 2019 infolge der angespannten Fahrpersonalsituation Verkehrsleistung reduziert werden. Um dabei die Kundenwirkung so gering wie möglich zu halten, wurde der etablierte Ferienfahrplan für einige Linien zeitlich ausgeweitet.“
Was aber eben doch für viele Nutzer unattraktive Angebote ergab. Und natürlich die Personalsuche der LVB deutlich befeuerte. Selten zuvor haben die LVB so viele Personal-Werbeaktionen durchgeführt wie 2019. Ein bisschen spät, wenn man bedenkt, dass es um eine ganze Menge Fahrer und Fahrerinnen für Busse und Bahnen ging.
Denn die Aussage im Geschäftsbericht stimmt ja: Eine wachsende Zahl von Leipziger/-innen steigt ganz bewusst auf den umweltfreundlichen ÖPNV um. Und ärgert sich dann zu Recht, wenn die Fahrpläne ausgedünnt sind und die Bahnen rappelvoll.
Was 2019 ebenfalls neu war, war die ebenso durch den Stadtrat forcierte bessere Finanzierung der LVB. Denn erstmals seit Jahren erhöhte die Stadt diese Zuschüsse wieder, nachdem sie jahrelang auf 45 Millionen Euro gedeckelt waren: „Der Leipziger Stadtrat hat sich in seiner Sitzung am 24. Oktober 2018 mit der Fortschreibung des VLFV befasst. Es wurde beschlossen, den festgesetzten Höchstbetrag, den die LVB für die Erbringung von Verkehrsleistungen im Stadtgebiet auf der Grundlage der Betrauung erhalten, für das Jahr 2019 mit Mio. EUR 54,0 und für das Jahr 2020 mit Mio. EUR 56,0 festzusetzen.“
Im Geschäftsbericht freuen sich die LVB zwar über die Marktchancen, die sie mit dem „Nachhaltigkeitsszenario“ und den im Nahverkehrsplan 2019 beschlossenen Netzerweiterungen haben. Aber es bleibt trotzdem der Wermutstropfen, dass man statt angepeilter 167 Millionen Fahrgäste nur 152,5 Millionen erreicht hat. Zuwächse sind auch im ÖPNV kein Selbstläufer, sondern hängen eng mit dem Gefühl der Fahrgäste zusammen, ob das Angebot wirklich tragfähig ist und es sich lohnt, noch fünf Minuten auf die nächste Bahn zu warten.
Leipziger Gruppe schafft trotz erhöhter Zahlungen an die LVB auch 2019 ein positives Konzernergebnis
Leipziger Gruppe schafft trotz erhöhter Zahlungen an die LVB auch 2019 ein positives Konzernergebnis
Hinweis der Redaktion in eigener Sache
Natürlich werden auch die L-IZ.de und die LEIPZIGER ZEITUNG in den kommenden Tagen und Wochen von den anstehenden Entwicklungen nicht unberührt bleiben. Ausfälle wegen Erkrankungen, Werbekunden, die keine Anzeigen mehr schalten, allgemeine Unsicherheiten bis hin zu Steuerlasten bei zurückgehenden Einnahmen sind auch bei unseren Zeitungen L-IZ.de und LZ zu befürchten.
Doch Aufgeben oder Bangemachen gilt nicht 😉 Selbstverständlich werden wir weiter für Sie berichten. Und wir haben bereits vor Tagen unser gesamtes Archiv für alle Leser geöffnet – es gibt also derzeit auch für Nichtabonnenten unter anderem alle Artikel der LEIPZIGER ZEITUNG aus den letzten Jahren zusätzlich auf L-IZ.de ganz ohne Paywall zu entdecken.
Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere selbstverständlich weitergehende Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.
Vielen Dank dafür.
Keine Kommentare bisher
“Die Fahrgastzahlen waren gegenüber dem Vorjahr sogar zurückgegangen – von 155 Millionen gezählten Fahrten auf 152,5 Millionen. Grund dafür unter anderem die vielen Baustellen und die damit notwendigen Sonderfahrpläne im Linienbetrieb.”
Da haben sich die LVB aber eine sehr LVB-freundliche Erklärung ausgedacht. Die Fahrgastzahlen sind wohl vor allem gesunken, weil man über Monate nur im Ferienfahrplan unterwegs war und das “schöne” Wetter dazu führte, dass einige Fahrgäste wohl nun dauerhaft aufs Fahrrad umgestiegen sind.
Baustellen gab es 2019 übrigens nicht mehr als 2018 oder 2017 – eher im Gegenteil. Die LVB haben auch 2019 erheblich zu wenig gebaut. Es müssen jedes Jahr mindestens 7 km Doppelgleis erneuert werden, wenn man nicht auf Verschleiß fahren möchte. Davon sind die LVB meilenweit entfernt.