Leipzig verändert sich. Es wird bunter. Ein Großteil der Zuwanderung in den letzten Jahren war Zuwanderung von Menschen mit Migrationshintergrund. Und die IHK zu Leipzig macht mit einer Meldung darauf aufmerksam, dass Leipzigs Wirtschaft schon lange dringend darauf angewiesen ist, dass Menschen aus aller Welt zuwandern. Und endlich wird das auch in der Berufsausbildung spürbar.
Dort, wo schon lange der Lehrlingsnachwuchs fehlt. Und wo die Forderungen der Wirtschaftskammern seit Jahren verhallten, etwa wenn es um eine Senkung der Schulabbrecherquote ging. Sachsen kann sich so ein Phlegma schon lange nicht mehr leisten. Die halbierten Geburtenjahrgänge der 1990er Jahre machen sich längst in allen Branchen bemerkbar. Und viele Unternehmen haben deswegen gleich 2015/2016 begonnen, ihre Ausbildung auch für Flüchtlinge zu öffnen.
Doch schon damals scheiterten sie immer wieder an der deutschen Bürokratie. Selbst in jüngster Zeit wurden noch junge Menschen, die längst in Ausbildung waren, aus Sachsen abgeschoben, weil sie nicht ins deutsche Asylraster passten. Und ein belastbares Einwanderungsgesetz gibt es bis heute nicht – eines der großen Versprechen der Großen Koalition, mit dem auch Forderungen der deutschen Wirtschaftsverbände aufgegriffen wurden. Stattdessen streitet man sich über Grenzkontrollen in Bayern.
So unzeitgemäß war deutsche Politik lange nicht.
Und dass mehr junge Flüchtlinge in Leipzig jetzt in Ausbildung sind, ist zwar ein Hoffnungsschimmer. Die IHK hat aber trotzdem berechtigte Bauchschmerzen. Denn das Behördendenken hat sich nicht geändert.
Zum 30. September 2018 waren in der Wirtschaftsregion Leipzig (Stadt Leipzig sowie Landkreise Nordsachsen und Leipzig) 401 ausländische Auszubildende bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig registriert – fast doppelt so viele wie zum gleichen Zeitpunkt des Jahres 2016 (229), lautete die gute Meldung am Mittwoch, 24. Oktober.
Sprunghaft gestiegen ist insbesondere die Zahl der Ausbildungsverhältnisse mit Flüchtlingen – von 49 im Jahr 2016 auf aktuell 207. Davon stammen 168 Auszubildende aus den sogenannten acht Hauptherkunftsländern Geflüchteter – aus Afghanistan (61), Syrien (60), Somalia (1), Iran (11), Irak (14), Eritrea (12), Nigeria (1) und Pakistan (8). Aus Ländern der Europäischen Union kommen 65 Auszubildende (2016: 93), aus Drittstaaten 129 (2016: 87).
„Die betriebliche Ausbildung ist für unsere regionalen Unternehmen inzwischen der wichtigste Rekrutierungsweg für künftige Fachkräfte. Angesichts zunehmender Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Lehrstellen investieren immer mehr Unternehmen auch in die Ausbildung Geflüchteter“, beschreibt Kristian Kirpal, Präsident der IHK zu Leipzig, den aktuellen Stand.
Und äußert dann seinen deutlichen Unmut über die staatliche Begleitmusik: „Diese Anstrengungen der Wirtschaft für die Fachkräftesicherung in unserer Region werden aktuell durch ein zunehmend restriktives Behördenhandeln bei der Ausbildungsduldung konterkariert. Es häufen sich Fälle, in denen Ausbildungsduldungen im Rahmen der 3+2-Regelung trotz vorliegender Ausbildungsverträge verwehrt werden.“
Das heißt: Ein völlig aufs Abschotten und Abschieben fixierter Staatsapparat macht den Unternehmen selbst diesen Weg der Nachwuchsgewinnung sauer. Statt die jungen Menschen frühzeitig zu integrieren, setzen die Behörden weiter auf Abschottung und Verhinderung. Und die Politik streitet sich weiter über die vorgestrigen Themen der menschenfeindlichen Parteien, die so gar nichts mit den Bedürfnissen einer lebendigen Wirtschaftsregion zu tun haben.
Und die Folgen, so Kristian Kirpal: „Wenn das Schule macht, wird die Bereitschaft der Unternehmen, Flüchtlinge auszubilden, zurückgehen. Die Unternehmen erwarten im Gegenteil mehr Unterstützung und Verbindlichkeit seitens der Politik. In der Praxis wünschen sie sich insbesondere klare und verlässliche aufenthaltsrechtliche Regelungen verbunden mit einer Bleibeperspektive, aber beispielsweise auch mehr berufsbezogene Deutschsprachförderung in Teilzeit. Wenn wir es mit der Integration von Flüchtlingen ernst meinen, muss es verlässliche Rahmenbedingungen geben.“
Im Bund aber sträuben sich vor allem die Unionsparteien gegen neue Regelungen, die jungen Asylsuchenden mit Eintritt in Ausbildung und Arbeit eine echte Bleibeperspektive ermöglichen. Stattdessen diskutiert man mit Argumenten aus der Klamottenkiste des 19. Jahrhunderts und ignoriert sogar die dringenden Mahnungen der Wirtschaftskammern.
Seit August 2016 unterstützt die IHK zu Leipzig ihre Mitgliedsunternehmen über das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderte Projekt „Willkommenslotse“ bei der Besetzung offener Ausbildungsstellen mit Flüchtlingen, bei der Vermittlung in Einstiegsqualifizierungen („Azubi auf Probe“) sowie mit einem breiten Beratungsangebot rund um die betriebliche Integration.
Keine Kommentare bisher