Den Sommerbeginn nutzen die beiden Messe-Geschäftsführer Martin Buhl-Wagner und Markus Geisenberger regelmäßig, um für die Presse noch einmal einen kleinen Überblick zu geben: Wo landete die Leipziger Messe im abgelaufenen Geschäftsjahr? Wie hat sie sich im Markt behauptet? Und stimmt die Richtung, in die sie sich entwickelt? Denn augenscheinlich ist Leipzigs Messe schon lange kein schwerfälliger Tanker mehr, sondern eine Art Gewimmel kleiner Dienstleistungsboote. So ungefähr 274 an der Zahl.

Denn das ist die Zahl der im Jahr 2017 von der Leipziger Messegesellschaft und ihrer Töchter organisierten oder betreuten Veranstaltungen weltweit. Und Messen, die man ja nun klassisch mit der Arbeit einer Messegesellschaft verbindet, machen dabei mit 29 an der Zahl nur einen geringen Anteil aus. Was nicht heißt, dass die Messen verschwinden. Es werden nur immer mehr kleine und kleinteilige Veranstaltungen, die die Leipziger Messe mit ihren Töchtern organisiert. Dazu gehören 178 Kongresse und Veranstaltungen im Congress Center (CCL) und der Kongresshalle am Zoo. Womit schon der Hauptfaktor genannt ist.

Denn noch vor wenigen Jahren zeigte die Bilanz der Messe 140 bis 170 Veranstaltungen insgesamt. Und da merkte Martin Buhl-Wagner, Sprecher der Geschäftsführung, schon neckisch an, dass das eine Menge Arbeit sei, die die knapp 400 Mitarbeiter fast das ganze Jahr auf Trab halte – etliche von ihnen schon permanent auf internationalen Flügen unterwegs. Denn über die Leipziger Messe International und die Fairnet hat sich das Dienstleistungsgeschäft der Messe längst auch in andere Länder ausgeweitet. Wichtige Eigenmarken finden als Ableger auch in Russland, China, Indien und anderswo statt – man denke nur an die Messe „denkmal“ oder an die „therapie“.

Es funktioniert also durchaus noch, im eigenen Haus neue Messeschwerpunkte zu entwickeln, die Branche zu sammeln und das neue Produkt dann auch international zu vermarkten. Und mit dem Giga-Thema Denkmalserhalt oder dem Thema Therapie hat Leipzigs Messe zwei Kernthemen der Gegenwart besetzt. Wobei das Thema Denkmalpflege, Restaurierung und Altbausanierung in diesem Jahr noch viel wichtiger wird. Denn wir sind ja mitten drin im Kulturerbejahr. Dazu gibt es deutschlandweit genau drei Höhepunkte. Einer davon wird ein großer Kongress während der „denkmal“ sein, die vom 8. bis 10. November wieder in Leipzig stattfindet.

Warum es nie wieder eine AMI geben wird

Man reibt sich ja die Augen: Waren es früher nicht ganz andere Messen, die für Aufreger im Leipziger Messekalender gesorgt haben?

Da muss auch Buhl-Wagner erst mal nachrechnen. Denn ein einstiges Flaggschiff wie die Auto Mobil International (AMI) fand das letzte Mal 2014 statt. Seitdem sind auch die großen Leitmessen der Autohersteller in die Krise geraten und es sieht nicht so aus, als würde es jemals wieder eine Automesse im alten Stil geben.

Und das nicht nur, weil die gesamte Autobranche durch den Diesel-Skandal zutiefst verunsichert ist und die Manager reihenweise vor dem Kadi landen.

Das Thema ist ein ganz anderes, stellt Buhl-Wagner fest. Denn der Diesel-Skandel und die ihm zugrunde liegenden Software-Manipulationen sind ja nur Zeichen einer Krise. Einer Krise, die damit begann, dass die EU und die USA berechtigterweise die Abgasnormen in den vergangenen Jahren stückweise verschärft haben. Und auch wenn die großen Zeitungen immer wieder großmäulige Artikel produzieren nach dem Motto „Der Diesel-Motor ist noch gar nicht ausgereizt“, ist die Wahrheit eher das, was einige Manager mittlerweile zugeben: Bei aller Cleverness schafft man es nicht, die alten Verbrennungsmotoren so leise und sauber zu machen, dass sie wirklich ohne Tricksereien die Grenzwerte einhalten.

„Deswegen fokussiert sich das Ganze längst schon auf den Motor“, sagt Buhl-Wagner. Alle Autohersteller arbeiten wie wild daran, neue Antriebstechniken zu entwickeln. Und das bedeutet vor allem: Neue Motoren mit völlig anderen Grundbestandteilen, anderer Fertigung, anderen Lieferstrecken. Die Branche krempelt sich um. Da macht das Ausstellen immer neuer blitzender Karossen, in deren Antriebstechnik sich nichts geändert hat, keinen Sinn.

Und deswegen wird auch ein anderes Messe-Doppel in Leipzig immer wichtiger: das Duo Z / Intec. Dort werden die Entwicklungen der neuen Antriebstechnik sichtbar. Und schon jetzt, sagt Markus Geisenberger, sind die Ausstellungsflächen für die nächste Z / Intec überdurchschnittlich ausgebucht. Diese findet diesmal vom 5. bis 8. Februar 2019 statt, vier Wochen früher als gewohnt. Die Ferien sind schuld, meint Geisenberger. Es ist nun einmal eine Messe, die nicht in den Ferien stattfinden sollte. Auch weil sie eine der wichtigsten Plattformen ist, auf der sich gerade mitteldeutsche Unternehmen präsentieren.

Die wichtigste Präsentationsplattform für die regionale Wirtschaft

Denn das hat man bei allem Wandel im Messegeschäft ganz und gar nicht aufgegeben: Die Leipziger Messe als wichtigste Marketingplattform für die heimischen Unternehmen zu betrachten. Deshalb schießen ja die beiden Gesellschafter, das Land Sachsen und die Stadt Leipzig, auch jedes Jahr bis zu 7 Millionen Euro zu, weil sie wissen, wie wichtig dieses Schaufenster ist. Auch als große Beschäftigungsmaschine für die Region. Das hat die Messe ja zuletzt 2016 mal ausrechnen lassen: 3.000 Arbeitsplätze in der Region hängen direkt oder indirekt an der Messe. Die Steuereffekte für Sachsen liegen bei 37 Millionen Euro, die Konsumeffekte insgesamt bei über 600 Millionen Euro.

Dass das so ist, hat auch damit zu tun, dass jede Veranstaltung Folgeaufträge auslöst – an die vielen professionellen Messe(stand)bauer zum Beispiel, an Logistiker, den hauseigenen Caterer usw.. Die Messe selbst sieht sich, so Buhl-Wagner, längst als eine Art Veranstaltungsmanager, der das Knowhow und das Equipment bietet und damit auch in einem heftigen innerdeutschen Wettbewerb ganz gut dasteht. Denn richtig Geld verdient die Messe eher im Ausland. Deutschland selbst ist ein harter Markt, weil es kein Land der Welt gibt, in dem sich so viele Messestädte und Messegesellschaften ballen. Und wo die Konkurrenz so stark ist, sind die Preise logischerweise niedrig. So niedrig, dass kaum eine Messegesellschaft ohne Zuschüsse auskommt.

Nur so als Nebengedanke: Gerade das aber ist auch einer der Gründe für den Erfolg des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Und so ploppte an diesem Vorsommerabend in der einstigen Meyerschen Villa an der Käthe-Kollwitz-Straße, wo heute der Club International zuhause ist, das Ludwig Erhard zugeschriebene Zitat „Wirtschaft ist zu 50 Prozent Psychologie“ auf.

Man muss überzeugt sein von seiner Idee, man muss Optimismus ausstrahlen und auch dann noch freundlich sein, wenn der Stressfaktor steigt. So ungefähr erzählt es Buhl-Wagner. „Wenn man merkt, dass jemand eine Dienstleistung erbringt, ist schon was falsch gelaufen“, sagt er. Deswegen sei der nun zum vierten Mal errungene Titel „Service-Champion“ so wichtig. Und den gab es auch deshalb, weil auch professionelle Kongressveranstalter die Auftritte etwa im CCL oder in der Kongresshalle für gelungen halten. Die Kongresshalle ist im letzten Jahr deutlich aus dem Fokus der Berichterstattung gerückt. In den ersten Monaten hatten ja vor allem regionale Ausrichter die Schönheit des sanierten Komplexes genossen. Mittlerweile sind hier auch mehrtägige Kongresse die Regel, die mittlerweile vor allem nationalen und internationalen Charakter haben und gar nicht viel Begleitmusik brauchen.

Neue Formate werden immer spezieller

Und wie ist das mit den neuen Messeformaten? Wird es noch welche geben? Immerhin ging Leipzig ja dereinst auch mit der „Games Convention“ ein wichtiges selbst entwickeltes Format verloren. Aber Markus Geisenberger sieht das nicht als Problem. Mit der „Dreamhack“ habe man längst wieder ein attraktives Format für Gamer installiert. Und wenn nicht alles trügt, werden Messe- und Kongressformate im Bereich IT und Digital Business in Zukunft noch viel stärker im Messeportfolio auftauchen. Vielleicht nicht mal mit großen Publikumsveranstaltungen, wie Buhl-Wagner andeutet. Denn das Messegeschäft sei längst ein Spiegel der Zeit. Und das heißt: Die Interessen der Menschen differenzieren sich immer weiter, immer mehr Spezial-Veranstaltungen für besondere Gruppen tauchen im Portfolio auf. Ergebnis: Ein immer kleinteiligeres Geschäft mit immer mehr Veranstaltungen.

Und das sorgt für ein – aus Sicht der Messe – trotzdem vorzeigbares Ergebnis. 87,1 Millionen Euro konnte man 2017 erwirtschaften. Das lag deutlich über dem Ergebnis des Vergleichsjahres 2015, als es 79,9 Millionen Euro waren. 2016 waren es 96 Millionen Euro – aber die Messezyklen unterscheiden sich deutlich. Die Ergebnisse der geraden Jahre sollte man denn auch nur mit denen der anderen geraden Jahre vergleichen, so Buhl-Wagner.

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