Am 6. April veröffentlichte der Gutachterausschuss der Stadt Leipzig die neuesten Zahlen zum Leipziger Immobilienmarkt. Die erzählen auch ein Stück weit davon, warum im Leipziger Baugeschehen so gut wie nichts mehr geht. Viele Grundstücke, die eigentlich Bauland wären, sind schlichtweg blockiert und die Besitzer denken gar nicht daran, sie jetzt zu verkaufen. Ergebnis: Die Transaktionszahlen gehen zurück, die Preise steigen exorbitant.

Wohnen wird zum Spekulationsobjekt. Berühmte Gebäude wechseln mittlerweile im Jahresrhythmus den Besitzer. Jedes Mal geht mehr Geld über den Tisch. Aber es wird trotzdem nicht saniert und nicht vermietet. Eine ganze Wirtschaftsweise läuft irre, weil man mit Nichtstun mehr verdient als mit einer Nutzbarmachung städtischen Grundes für all die Bedürfnisse, die eine Stadt hat.

Wenn erst investiert und gebaut wird, wenn man die Luxusmieten von Städten wie Frankfurt, München oder London erzielen kann, dann sorgt das in einer Stadt wie Leipzig schlichtweg für Stagnation. Denn Geld verdient wird mit Immobilien immer erst dann, wenn sie auch vermietet werden können. Und das hat seine Grenzen in Leipzig. Sichtbar am Wohnungsmarkt, wo der Auftrieb der Mieten keineswegs zu einer Belebung des Wohnungsmarktes führt. Eher zum Gegenteil: Die Stadt wird in ihrem Wachstum jäh gebremst, weil es kein Luxus-Wachstum ist, sondern eines zu den besonderen Konditionen des Ostens – mit einem Einkommensniveau zwischen 60 und 80 Prozent des Bundesdurchschnitts. Und mit einem stagnierenden Einkommenssegment gerade im Niedriglohnbereich.

Den aber haben die klugen Väter der „Agenda 2010“ ja bekanntlich zum wichtigsten Wachstumssegment im Osten gemacht. Auf diesem Niveau entwickeln sich die „Boom“-Städte im Osten – mit einem hohen Anteil an Geringverdienern und Familien, die (trotz Arbeit) auf Sozialleistungen angewiesen sind. Und die sich beim besten Willen die neuen teuren Wohnungen, die gebaut werden, nicht leisten können.

Deswegen war die Kauf- und Bau-Aktivität in Leipzig schon in den vergangenen Jahren spürbar gebremst. Statt der 3.000 neuen Wohnungen pro Jahr, die rechnerisch gebraucht wurden, entstanden gerade mal 2.000.

Und das spiegelt sich logischerweise auch in allen Kaufzahlen.

„Die Anzahl der erfassten Kaufverträge fiel von 7.331 auf 6.728, liegt damit aber noch immer über dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre. Besonderes Augenmerk kommt dem Teilmarkt der unbebauten Grundstücke zu. Trotz eines erheblichen Rückgangs der Kauffallzahlen von mehr als einem Fünftel ist der Umsatz um 18 Prozent gestiegen“, teilt der Gutachterausschuss mit. „Der Leipziger Immobilienmarkt zeigt sich trotz eines Rückgangs von ca. 8 Prozent bei den Transaktionszahlen mit einem Geldumsatz von rund 2,8 Milliarden Euro sehr stabil. Nur 2015 und 2016 wurden in den letzten 15 Jahren höhere Umsätze erzielt.“

Das nennt man dann einen ersten Dämpfer. Denn noch haben allerlei Immobilienfirmen und Banken ja Leipzig zum Hotspot hochgeschrieben und den Leuten, die wie verzweifelt nach wertstabilen Anlagen suchen, Leipziger Immobilien wie Sauerbier ans Herz gelegt. Tatsächlich ähnelte das Phänomen genau dem Rausch der frühen 1990er Jahre, als die einschlägigen Medien nicht müde wurden, Leipzig als „Boomtown“ zu verkaufen.

Es verblüfft schon, wie unkritisch dieselben Phrasen 20 Jahre später wieder benutzt wurden, ganz so, als wüssten die Marktstrategen in den Maklerbüros besser, wie es um Leipzig steht und wie goldig dessen Zukunft ist.

Zahlen zu Kaufpreisen und Umsätzen 2016 und 2017 in Leipzig. Grafik: Gutachterausschuss der Stadt Leipzig
Zahlen zu Kaufpreisen und Umsätzen 2016 und 2017 in Leipzig. Grafik: Gutachterausschuss der Stadt Leipzig

Aber eine Stadt, die von einem solchen Niveau kommt, die braucht Zeit. Die wächst viel langsamer, als es sich all die schönen bunten Broschüren ausmalen. Nachhaltiger, könnte man sagen. Wenn es denn wirklich nachhaltig wäre und nicht ein seltsamer Eiertanz zwischen Alkoholrausch und ernüchtertem Tagewerk.

Und das elementarste Stück des Immobilienmarktes erlebte 2017 geradezu eine Vollbremsung: „Im Teilmarkt der unbebauten Grundstücke gab es deutliche Marktbewegungen. Bei Geschossbaugrundstücken gingen die Transaktionen um fast 30 Prozent zurück, bei den Baugrundstücken für den individuellen Wohnungsbau verringerten sie sich sogar um etwa 47 Prozent.“

Das sind Sätze, die zumindest andeuten, dass all die Fonds und Makler, die sich in Leipzig mit Grundstücken eingedeckt haben, fast alle nicht in Leipzig sitzen, oft nicht einmal in Deutschland. Sie halten ihre Immobilien nur und verhindern selbst in „boomenden“ Straßenzügen Brachen- und Lückenbebauung. Manchmal brennen ihre Wohnhäuser auch einfach ab – und keiner weiß, wie das passieren konnte.

Direktes Ergebnis: Die Preise für solche Grundstücke gehen durch die Decke. Denn wenn weniger gehandelt wird, wird der verbleibende Rest logischerweise rar und teuer.

„Die Preise für Geschossbaugrundstücke stiegen hingegen nochmals deutlich und auch das Preisniveau für Grundstücke des individuellen Wohnungsbaus erhöhte sich weiter“, stellt der Gutachterausschuss fest. „Der durchschnittliche Bodenwert für Bauland des individuellen Wohnungsbaus lag in Leipzig zum Stichtag 31.12.2017 bei 177 Euro je Quadratmeter-Grundstücksfläche. Der durchschnittliche Preis für ein Einfamilienhausgrundstück in Leipzig betrug 2017 etwa 128.000 Euro (mittlere Grundstücksfläche rund 750 Quadratmeter). Bei den Geschossbaugrundstücken stiegen die Bodenpreise teilweise extrem. In einzelnen Lagen mussten sie auf Basis der ausgewerteten Kaufverträge wie bereits im Vorjahr tlw. auf das Doppelte angehoben werden. Dabei waren insbesondere in den mittleren Lagen die deutlichsten Veränderungen zu registrieren, wohingegen sie in den bevorzugten Lagen etwas geringer ausfielen. Die durchschnittliche Preissteigerung lag über alle Lagen bei rund 70 Prozent.“

70 Prozent in einer Stadt, die gerade mal um 1,9 Prozent an Bevölkerung zunahm?

Das deutet darauf hin, dass ein guter Teil der Leipziger Wohnimmobilien zu reinen Spekulationsobjekten geworden sind. Und wo doch mal wirkliche Investoren noch ein unsaniertes Ensemble erwerben können, ist das natürlich deutlich teurer geworden: „Auch bei den bebauten Grundstücken wurde ein Rückgang der Transaktionen gegenüber dem Vorjahr verzeichnet. Das Kaufpreisniveau zog jedoch weiter an. Für sanierte Mehrfamilienhäuser wurden im Durchschnitt 1.433 Euro pro Quadratmeter-Wohnfläche gezahlt, das sind rund 16 Prozent mehr als im Vorjahr. Für unsanierte Mehrfamilienhäuser lag der Durchschnittspreis bei 822 Euro pro Quadratmeter-Wohnfläche, das waren nahezu 60 Prozent mehr als im Vorjahr.“

Das alles hat schon nichts mehr mit der realen Einkommensentwicklung in Leipzig zu tun.

Die Zahlen zu Eigentumswohnungen

Mit über 70 Prozent aller Transaktionen (das entspricht ca. 30 Prozent des Euro-Gesamtumsatzes) dominiert dieser Teilmarkt, ähnlich wie in anderen Großstädten, den Leipziger Immobilienmarkt. Dabei nehmen die Wiederverkäufe sanierter Eigentumswohnungen mit einem Anteil von rund 50 Prozent an allen Eigentumswohnungen eine hervorgehobene Stellung ein.

Der durchschnittliche Kaufpreis sanierter Eigentumswohnungen im Erstverkauf (ohne Stellplatzanteil) stieg 2017 auf 3.699 Euro pro Quadratmeter-Wohnfläche, das entspricht ca. 11 Prozent. Die Preise lagen zwischen 2.346 und 4.696 Euro pro Quadratmeter-Wohnfläche. Beim Wiederverkauf sanierter Eigentumswohnungen (ebenfalls ohne Stellplatzanteil) reicht die Preisspanne von 323 bis 4.420 Euro pro Quadratmeter-Wohnfläche. Der Mittelwert aller ausgewerteten Preise lag mit 1.472 Euro pro Quadratmeter-Wohnfläche fünfzehn Prozent über dem Vorjahresniveau.

Eigentumswohnungen in neu errichteten Wohnanlagen (inklusive Stellplatzanteil) erzielten 2017 einen durchschnittlichen Kaufpreis in Höhe von 3.739 Euro pro Quadratmeter-Wohnfläche (1.967 bis 5.287 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche) und lagen damit um fünf Prozent über dem Vorjahresniveau.

Während bei Erstverkäufen von Eigentumswohnungen in sanierten Altbauten die Käufer/innen zu rund 95 Prozent nicht aus Leipzig stammten, hatten beim Wiederverkauf 35 Prozent ihren Wohnsitz in Leipzig. Bei den Neubauten (Erstverkauf) beträgt hingegen der Anteil der Erwerber/-innen, die ihren Wohnsitz in Leipzig haben, rund 26 Prozent.

Die Zahlen zum Teilmarkt Gewerbe

Die Kauffallzahlen für unbebaute Gewerbegrundstücke lagen 2017 mit 45 Transaktionen rund zehn Prozent unter dem Vorjahr aber noch über dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre. Die Preise für das Gewerbebauland können derzeit weitgehend als stabil betrachtet werden.

Der Trend rückläufiger Transaktionszahlen kann auch für die bebauten Gewerbegrundstücke konstatiert werden. Allerdings sank auch der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr in ähnlicher Größenordnung, so dass das Preisniveau im Durchschnitt in etwa dem des Vorjahres entspricht.

Der Grundstücksmarktbericht

Der Grundstücksmarktbericht ist im Amt für Geoinformation, Zimmer 311 des Stadthauses (Burgplatz 1), oder per E-Mail über geoinformation@leipzig.de für 60 Euro erhältlich.

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Es gibt 11 Kommentare

Ja, die Kritik an den optimistischen Schätzungen hinsichtlich Bevölkerungswachstum teile ich.

Auch sollte man mal beleuchten, dass nach dem steuerfinanzierten Boom der 90er Jahre eine steuerfinanzierte Marktbereinigung (in Form von Abriss) stattfand und nun nach wieder steuerfinanzierten Maßnahmen zur erneuten Ausweitung des Angebots gerufen wird.

Ob letztlich die Kolportierung von Schätzungen zu Wachstumsprognosen die Spekulanten angelockt haben oder der Run z.B. aufgrund Verlustängsten durch die Geldschwemme der EZB ausgelöst wurde, wäre auch einer genaueren Betrachtung wert. Es ist jedenfalls so, dass der Immobilienmarkt in vielen Teilen Deutschlands wohl wenigstens als überhitzt gelten kann. Das ist jedenfalls kein Leipzig-spezifisches Problem. Die Ursachen sind wahrscheinlich vielschichtig.

Echten Gestaltungsspielraum sehe ich eigentlich nur, wenn die Kommunen die Standortentwicklung selbst vornähmen. Aber das ist ja gerade nicht der Fall und Bauträgern wird das Feld überlassen. Ich finde diesen Artikel, wenn auch schon etwas älter, sehr interessant.
http://www.deutschlandfunkkultur.de/stadt-neu-denken.1001.de.html?dram:article_id=246904
Im zweiten Teil wird deutlich, dass die Konzeptvergabe auch nicht unbedingt zu den Allheilmitteln zählen muss.

Die Herren Tiefensee und Jung, dazu noch die verwaltungshörige – und meist nur Beschlussvorlagen abnickende SPD-Fraktion … da habe ich wirklich nichts anderes erwartet!

Durch ganz Deutschland ziehen, um den “billigen Wohnraum” anzupreisen, wie Sauer-Bier!

Aber wenn dann die Leute kommen (und wer hätte es gedacht, einfach “nur” der “Durchschnittsbürger”, mit seinem “normalen” Job – was im Osten meist “BILLIG-JOB” heißt – und nicht der “Wohlstandsbürger” mit dickem, finanziellem Polster), dann ist die gesamte Kommune, in fast allen Bereichen überfordert!
Schulen, ÖPNV, Straßen, KITA – und mittlerweile eben auch Mietwohnungen (zum “normalen” Preis) – nicht auf so ein Szenario vorbereitet!

Das ist das Ergebnis, einer SPD-geführten Kommunalpolitik!

Was aber auch einmal erwähnt werden darf, ist die Rolle der Medien – und zwar ALLER Medien.

Gerade auch hier in der “L-IZ”, in der sich doch zu gern, über die journalistische Arbeit “der anderen Zeitung aus Leipzig” ausgelassen wird, habe ich lesen dürfen, was Leipzig alles noch ganz schnell zu schaffen hat, damit wir im Jahr 2030, auch wirklich mit 720.000 Einwohnern klar kommen (das ist jetzt nicht wörtlich).

Aber warum um alles in der Welt, wurden (und werden) permanent solche Zahlen wiederholt, die mit nichts unterlegt sind, außer “Prognosen” und “Hochrechnungen” – und wie man nun schon wieder aus einigen Richtungen andeutet, eher nicht in Erfüllung gehen werden (Gott sei Dank!).

Es hat nichts gebracht, außer Spekulanten anzulocken und die Probleme, im Eiltempo in die Höhe schnellen zu lassen!

Meiner Meinung nach, hatten und haben hier viele Medien auch eine Verantwortung, der sie großteils nicht gerecht geworden sind.

Wieder wird ein Ballon aufgeblasen, hatten wir doch alles schonmal. Ergebnis waren niedrige Mieten, damit überhaupt einer einzog und der Verlust nicht gar so groß war, im besten Fall wenigstens die Bank bedient werden konnte. Man kann nunmal nicht Münchner Mieten veranschlagen, nur weil BMW hier vor Ort produziert. Die Autohersteller, DHL, Amazon etc sind hier, weil mit niedrigsten Löhnen, niedrigen Mieten, mit billigstem Bauland für Gewerbe geworben wurde. Herr Tiefensee und Herr Jung dürften sich noch gut an ihre eigenen Reden vor Investoren erinnern. Münchner Mieten passen nunmal nicht zu Leipziger Löhnen, auch nicht denen bei BMW.

Von daher stimmt es, was Matthias schreibt: Gier frisst Hirn.
Und ich sag so: wer viel will, kriegt gar nix.

@Mathias: ein gutes Beispiel darf gern Schule machen, sich bei Spekulanten herumsprechen – und sich damit auch selbst abschaffen! Utopisch? 1949 sah man vielleicht einfach klarer. Und die Miethöhe ist es nicht allein, es geht auch um bebauungsfähige Flächen, mit denen spekuliert wird. Grund und Boden sind keine Waren wie andere; jedes Grundstück ist einmalig, also eigentlich per se nicht marktfähig. Aber das ist dann schon wirkliche Utopie…

@Matthias: Klingt etwas utopisch für unsere Zeit, jedoch nicht unvernünftig. Ich glaube jedoch, es würde sich immer auf so wenige Fälle beschränken, daß die Auswirkungen auf die allgemeine Miethöhe doch recht gering wären.

@Mathias: was das GG suggeriert, ist, dass wenn Eigentum nicht nur nicht zum Wohle, sondern sogar zu Lasten der Allgemeinheit eingesetzt wird, es Enteignungen geben kann. Wenn Menschen keine Wohnung finden und gleichzeitig Hausbesitzer nicht vermieten oder zum Zweck der Vermietung verkaufen, dann erfüllt das Haus (Eigentum) nicht den ihm eigenen Zweck (Leute leben darin). Also sollte enteignet werden können. Das Ist @Bovary unabhängig von Steuern, die zu zahlen sind (oder auch nicht). Da diese umlagefähig sind, werden sie sowieso von den Mietern gezahlt.
Nochmal: Eigentum, deren Nutzung bzw. Nichtnutzung für Alle schädlich ist, sollte nicht in den Händen des Eigentümers verbleiben, sondern der Gemeinschaft zum Gemeinnutz, und das meint GG Art 14.2 nach meiner Ansicht, uberlassen werden. Es gibt ja sogar auch eine Entschädigung!

@Matthias: Enteignung? Ich denke, da ist im GG anderes gemeint, nicht der “gierige” Vermieter.
@Bovary: Ob wir oder unsere Enkel nur dort spazieren gehen dürfen, hängt auch von der Einkommensentwicklung ab, die wiederum auch einen gewissen Einfluß auf die Mietentwicklung hat, leer sind die Viertel ja nicht (mehr).
Und auf die ganzen wirtschaftlichen “Begleiterscheinungen”, die mit den Sanierungen der Gründerzeitviertel einhergingen und noch gehen, wird sicher kaum jemand stolz sein, ich jedenfalls nicht. Aber wir leben nun mal im Kapitalismus und wenn’s dann schon mal was positives gibt, sollte man es auch wahrnehmen.
Und die Grundsteuer: Da bin ich pessimistisch, die Gelegenheit ist einfach zu günstig.
Nochmal zurück zum Artikel: Mit den Spekulanten (in x. Generation) leben wir doch schon seit der Wende. Mindestens die große Mehrheit aller Sanierungen und Baugrundstücke sind vorher durch mehrere Hände gegangen. Warum das nun ein Hindernis sein soll, erschließt sich mir nicht so ganz, es sie denn, das Ende der Preisspirale wäre erreicht.

@Matthias
Du hast natürlich recht, es ist noch nicht bekannt, ob die Wohnlagenwerte mit dem neuen Mietspiegel neu zugeordnet werden. IMHO steht aber nirgends geschrieben, dass eine Stadt einfache Wohnlagen haben muss. Und das Wohnlagenkriterium des Mietspiegels stellt eben mittelbar auf den aktuellen Marktwert ab und nicht auf die tatsächlichen Kriterien, die man so zur Beurteilung heranziehen würde (Art der Bebauung, Grünflächen, ÖPNV-Anbindung etc. pp.). …Ganz dünnes Eis, vor allem in Boomtown. Interessant wird diese Frage übrigens auch noch einmal im Zusammenhang mit der Neuordnung der Grundsteuerberechnung.

Im umgangssprachlichen Sinne magst Du mit den Schrottimmobilien recht haben. Im Sinne der Rechtssprechung hat der Begriff aber nichts mit der Qualität einer Immobilie zu tun, sondern vielmehr damit, dass der wirtschaftliche Ertrag nicht zum Kapitaleinsatz passt. Die Bauträgerkonzepte aus den 90ern werden in veränderter Form fortgeführt. Das nennt sich dann Standortentwicklung. Heraus gekommen sind Projekte, die am tatsächlich bestehenden Bedarf vorbei laufen…
Ja sicher, kann man das so sehen, dass wunderschön sanierte Gründerzeitviertel was Tolles sind. Doch worauf ist man da stolz? Auf die Insolvenzen der Handwerksbetriebe, die damals nach Platzen der Schneiderblase ihre Außenstände nicht eintreiben konnten? Auf die Verluste der Banken, die letztlich wohl an alle weitergereicht wurden? Darauf, dass der Enkel in diesen so tollen Gründerzeitvierteln höchstens mal spazieren gehen darf?

Ja, Eigentum verpflichtet, deshalb muss man beispielsweise (zum Wohle der Allgemeinheit) Grunderwerbssteuer, Straßenausbaubeiträge und was nicht alles zahlen. Es stellt aber die Autonomie und grundsätzliche Verfügungsfreiheit des Privateigentums in keiner Weise in Abrede…

“Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Art 14 (…)
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. (…)”

@Bovary: Mit dem neuen Mietspiegel werden die Wohnlagen zu den Bodenrichtwerten neu zugeordnet, sonst gäbe es heute in Leipzig keine einfachen Wohnlagen mehr. Deshalb wird die neue Vergleichsmiete nicht höher liegen… Auch wenn das nur ein schwacher Trost ist.
Das Ergebnis der Spekulationsblase sind wunderbar sanierte Gründerzeitviertel, auf die noch unsere Enkel stolz sein können, keine Schrottimmobilien. Das damit die Eigentümerstruktur umgekrempelt (nach Westen) wurde, steht auf einem anderen Blatt und ist durchaus kritikwürdig.
Wer sich heute die Neubaupreise leisten kann, ist kein so kleiner Anleger mehr, daß man mit ihm Mitleid haben müßte, wenn dann die vom Verkäufer versprochene Miete nicht gleich erzielt wird. Schrott ist die Immobilie dann auch nicht, er macht halt Verlust. Schrottimmobilien sind ein ganz anderes Thema: Gier frißt Hirn.

Das Ergebnis der letzten „Spekulationsblase Leipzig“ (induziert durch Steuergeschenke der Regierung Kohl) haben wir ja noch vor Augen. Jahrelanger Leerstand und ein Mietermarkt mit sehr günstigen Mieten. Damals waren es viele Kleinanleger (die an und für sich gar nicht so viele Steuern sparen können), die sich vom Kauf der Schrottimmos oft nicht erholt haben. Auch jetzt sieht man, dass die ach so tollen Luxuswohnungen, wohl nichts ausreichend Abnehmer finden. Damit fallen auch sie eigentlich wieder in die Kategorie „Schrottimmo“ – die wirtschaftliche Substanz fehlt, wenn keine Mieter gefunden werden, die diesen Luxus bezahlen können. Wer die gängigen Vermittlungsplattformen regelmäßig im Blick hat, kennt die Anzeigen….

Der Grundstückmarktbericht Sachsen (aus dem sich die Daten auch für Leipzig entnehmen lassen) steht übrigens auch zum kostenfreien Download bereit:
http://www.boris.sachsen.de/download/MB_SN_2017.pdf

Was auch bemerkenswert und vor allem für Bestandsmieter relevant ist, ist die Entwicklung der Bodenrichtwerte. Der Stadtrat hat den qualifizierten Mietspiegel unter Einbeziehung eines Lagekriteriums auf Grundlage von Bodenrichtwerten beschlossen. In nur zwei Jahren hat sich z.B. meine Wohngegend von „einfach“ (unter 130 € / qm) auf „sehr gut“ (über 400 € / qm) geändert. Bei der Aktualisierung des Mietspiegels wird dies also mit 74 ct. / qm Wohnfläche durchschlagen. Mein Vermieter steht schon in den Startlöchern…Damit wird dann die Spekulationsblase auch auf Bestandsmieter voll durchschlagen. Der einzige „Schutz“ ist damit die Kappungsgrenze von nunmehr nur noch 15%. Aktuelle Bodenrichtwerte sind hier zu finden: http://www.boris.sachsen.de

Fairerweise muss man anmerken, dass der Eigentümerverband „Haus- und Grund“ sich vehement gegen ein Lagekriterium auf Grundlage der Bodenrichtwerte ausgesprochen hatte.

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