Nu ja, man würde ja gern eine ganz große Geschichte draus machen. Etwa mit dem Einleitungssatz: „Mehr als die Hälfte der Kleinunternehmer in Leipzig sieht im Fachkräftemangel das größte unternehmerische Risiko, das sind deutlich mehr als im Vorjahr.“ So leitet die Commerzbank Leipzig ihre Meldung zur eigenen neuen Umfrage unter den bei ihnen aktiven Gewerbetreibenden ein. Dass Fachkräftemangel zum Hauptproblem wird, war zu erwarten.
Fast 90 Prozent haben bereits Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen. Zu diesem Ergebnis kommt die dritte Geschäftskunden-Studie der Commerzbank für die Region Leipzig. Für diese wurden Freiberufler, Handwerker und Gewerbetreibende mit einem Jahresumsatz von bis zu 2,5 Millionen Euro im Auftrag der Commerzbank befragt. Aber leider nicht allzu viele.
Für die Studie wurden zwischen Juli und August 2016 insgesamt 3.110 Geschäftskunden bundesweit befragt, davon aber nur 100 in der Region Leipzig.
Das ergibt leider keine aussagekräftigen Werte. Eher ein Stimmungsbild, auch wenn einem das sehr vertraut vorkommt.
Denn Commerzbank-Kunden unterscheiden sich nicht signifikant von den Mitgliedern der IHK oder der Handwerkskammer. Und die haben – in einer deutlich umfänglicheren Erhebung der IHK zum Beispiel – auch von all den Problemen mit der Nachwuchssuche erzählt. Und das größte ist nicht einmal der Nachwuchsmangel.
Das größte ist das fehlende Geld im Umlauf: Die meisten Unternehmen können keine exorbitanten Gehälter zahlen. Weshalb die niedrigen Honorarangebote in der Regel auch ein Grund dafür sind, dass Bewerber abspringen. Über die Entlohnung konkurrieren die Leipziger Unternehmen mittlerweile heftig miteinander um den rar gewordenen Nachwuchs. Und wer nicht mithalten kann, bekommt die jungen Leute nicht.
Oder steht vor einem anderen Problem, das ähnlich schwer zu lösen ist: Die Bewerber bringen zu wenige Fachkenntnisse mit, haben nicht die nötigen Ausbildungs- und Einstellungsvoraussetzungen. Gerade die kleinen und mittelständischen Unternehmen werden mit der sächsischen Bildungsmisere direkt konfrontiert. Und sie sind es aber auch, die kaum Spielraum haben, die Bildungslücken aufzufüllen und die jungen Leute dennoch für den Facharbeitsplatz auszubilden.
Was womöglich mit einem anderen Phänomen zu tun hat, das die Commerzbank abgefragt hat: Nur 26 der befragten Unternehmen bilden überhaupt eigenen Nachwuchs aus. Und nur ein Drittel davon übernimmt seine eigenen Azubis auch in einen Job.
Und die kleine Befragung macht auch sichtbar, wie in der Region Leipzig überhaupt neues Personal rekrutiert wird.
„Auch im digitalen Zeitalter ist Networking bei der Personalsuche immer noch wichtiger als Jobportale im Internet. 65 Prozent der Kleinunternehmer in Leipzig rekrutieren ihr Personal über persönliche Empfehlungen von Mitarbeitern oder Geschäftspartnern“, sagt Cora Heide, Niederlassungsleiterin der Commerzbank Leipzig.
Was ja eigentlich eine Botschaft an alle ist, die eine Ausbildung oder eine Arbeit suchen: Sie müssen selbst losgehen, Kontakte knüpfen – und vor allem in der Branche suchen, wohin sie gern möchten. 35 der befragten Unternehmen bekamen zwar auch Personal vom Jobcenter – aber es wurde nicht erhoben, welche Art Personal. 31 bekamen Bewerbungen über das eigene Portal.
Dass sich gerade die kleinen Unternehmen schwertun, für Flüchtlinge neue Arbeitsangebote zu schaffen, ist nach diesem Exkurs eigentlich logisch und deckt sich mit den Umfragen der IHK. Um mit Menschen, die erst noch Sprachkenntnisse und Qualifikationen erwerben müssen, arbeiten zu können, braucht man ein größeres Unternehmen, das auch die nötigen Ressourcen hat.
Denn gerade die kleinen Unternehmen leiden besonders unter dem Fachkräftemangel. Denn wenn sie Monate und halbe Jahre nach neuen Fachkräften suchen müssen, lastet das auf dem ganzen Unternehmen, verschleißt das Stammpersonal und lässt die Produktivität sinken.
Vielleicht ist genau das die wichtige Botschaft, die man aus dieser Commerzbank-Umfrage gewinnen muss: Man kann auch bei der Frage, wer Flüchtlinge nun in Arbeit bringen kann, nicht alle Unternehmen in einen Topf schmeißen. Gerade die kleinen sind damit meist überfordert – erst recht, wenn sie hochqualifizierte Arbeit machen. Hier sind tatsächlich die größeren Unternehmen gefragt.
So gesehen zeigt der bundesweite Vergleich an dieser Stelle wieder, dass in Leipzig eigentlich eine Menge echter Mittelstand fehlt, wenn bundesweit 42 Prozent der Unternehmen sich die Beschäftigung von Flüchtlingen zutrauen, in Leipzig aber nur 22 Prozent. Oder eben 22. Was auch egal ist und was eigentlich schon viel ist für eine Region, die noch immer um einen starken Mittelstand ringt.
Die Präsentation zur neuen Commerzbank-Studie.
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