Eigentlich gibt es auch im Mai 2016 zur Leipziger Wirtschaft nur zu sagen: Der Laden läuft. Alle Unkerei der vergangenen Jahre war nichts anderes als das. Unkerei eben. Die Stimmung ist seit 2011, seit die Folgen der Finanzkrise gedeckelt wurden, positiv. Mal mit Achterbahneffekt, aber in der Regel auf höchstem Optimismus-Level. Die IHK zu Leipzig formuliert es so: „Die regionale Wirtschaft ist mit einem guten ersten Quartal ins Jahr 2016 gestartet.“

Drei Mal im Jahr befragt die IHK ihre Mitgliedsbetriebe nach Auftragslage, Stimmung und Zukunftsgefühl – gleich zum Jahresbeginn, im Frühjahr und im Herbst. An der Konjunkturbefragung nun im Frühjahr 2016 beteiligten sich 582 im IHK-Bezirk Leipzig ansässige Unternehmen aller Branchen und Größenklassen mit mehr als 42.000 Beschäftigten. Was trotzdem heißt, dass vor allem die größeren Unternehmen die Umfrage dominieren. Was trotzdem Sinn macht, denn sie schaffen nun einmal auch die größten Umsätze, beschäftigen die meisten Menschen und sind in der Regel auch über den Leipziger Markt hinaus aktiv, merken also, wenn es da draußen mit den Aufträgen mager wird.

Nur auf den ersten Blick hat sich da ein Wölkchen vor die Sonne geschoben: „Gegenüber dem Jahresbeginn beurteilen die Unternehmen insgesamt ihre aktuelle Lage etwas schwächer, ihre Erwartungen dagegen besser“, so die IHK. „Dadurch kann der IHK-Geschäftsklima-Index seine bisherige Bestmarke von 128 Punkten erfolgreich verteidigen. Knapp die Hälfte der Betriebe schätzt ihre Geschäftslage mit gut ein, gerade einmal sieben Prozent sind unzufrieden.“

„Dass die Leipziger gewerbliche Wirtschaft zum wiederholten Mal ihre konjunkturelle Bestmarke erreicht, ist sehr positiv. Vor allem die Aussichten der Unternehmen für die nächsten Monate sind optimistisch. Das globale Umfeld bleibt jedoch schwierig, das Wachstum der Weltwirtschaft dürfte sich weiter verlangsamen. Das heißt, die hiesige Konjunktur kann sich vorrangig auf den privaten Konsum stützen. Gerade für die vom Export abhängigen Industrieunternehmen ist die unsichere Entwicklung des Welthandels alles andere als günstig. Deshalb sollte die Politik die Wettbewerbsfähigkeit nicht durch wirtschaftsferne Regelungen bei Mindestlohn, Werkverträgen und Zeitarbeit gefährden“, fasst Wolfgang Topf, Präsident der IHK zu Leipzig, zusammen.

Export – das ist vor allem Industrie. Und die ist auch in Leipzig kein monolithischer Block, was in den Zahlen eher verschwimmt.

„Gegenüber dem Jahresbeginn unverändert erreicht der Lage-Saldo +38 Punkte. Damit ist der Start ins laufende Geschäftsjahr durchaus gelungen, auch wenn der letztjährige Saldostand von +41 Punkten nicht ganz erreicht wird. Kritischer sind die aktuellen Geschäftserwartungen der Unternehmen zu bewerten. Zwar zeigt hier der Saldo ein leichtes Plus von zwei Punkten gegenüber der vorherigen Umfrage, aber mit aktuell +12 Punkten liegt er unter dem Vorjahreswert von +19 Punkten“, so die IHK in ihrer Einschätzung.

Zum Jahresbeginn vermeldete die IHK, dass vor allem die Automobilbranche einen kräftigen Umsatzzuwachs erreichte, „mehrere – für die Region durchaus wichtige – Industriebranchen“ aber haben ihren Vorjahresumsatz verfehlt, hatten 2015 also wirklich einige Sorgen mit dem Absatz ihrer Güter.

Wirtschaft ist eben keine eindimensionale Angelegenheit. Und sie beschränkt sich auch nicht nur auf Industrieprodukte und auch nicht nur auf Auslandsmärkte.

Denn die eigentliche Konjunkturlokomotive ist in Leipzig nun schon seit einigen Jahren der Inlandsmarkt. Und der sorgt dafür, dass ganz andere Branchen einen deutlichen Aufwärtstrend genommen haben: der Bau, der Handel und die Dienstleistungen.

Und Leipzig ist – so weh das manchem Liebhaber der modernen Produktion tun mag – zuallererst eine Dienstleistungsstadt.

Da klingt schon ein leichter Dämpfer so, als wäre irgendetwas passiert: „Erstmals seit dem Herbst 2014 wurde die Aufwärtsbewegung der Geschäftslage im Dienstleistungsgewerbe unterbrochen. Der Lage-Saldo gibt gegenüber dem Jahresbeginn um vier Punkte nach und liegt aktuell bei +53 Punkten, dem jedoch nach wie vor mit Abstand höchsten Wert aller Wirtschaftsbereiche. Die Geschäftsprognosen der Dienstleister gehen ebenfalls leicht zurück, der Saldo verringert sich um vier auf +19 Punkte. In der Grundtendenz bleiben die Unternehmen optimistisch. Insbesondere die günstige Tendenz der Auftragseingänge lässt auf weitere Umsatzzuwächse hoffen.“

Da muss man nur in den Januar zurückblättern. Da hatte die Lageeinschätzung in der Dienstleistung erst einen neuen Rekordstand erreicht. Die Überschrift „Aufwärtstrend vorerst gestoppt“ kann sich also nur aufs Bauchgefühl beziehen – die Umsätze steigen ja. Und zwar nicht nur in der Pflege, sondern auch in den ganzen technischen und wissenschaftlichen Dienstleistungen, die in Leipzig mittlerweile einen guten Standort gefunden haben. Nur: Das ist eben nicht Industrie. Da kommen keine schönen neuen Maschinen hinten raus, sondern oft genug digitale Zahlenpakete, virtuelle Produkte, die man einfach nicht anfassen kann.

Gleichzeitig wird – auch wenn die Investitionen der Wirtschaft selbst zurückgegangen sind – weiter investiert. Darüber freut sich die Bauwirtschaft. „Hinsichtlich der Geschäftsaussichten gibt es dagegen kaum Unterschiede. Diese bleiben ausgesprochen optimistisch. Der Saldo liegt mit +18 Punkten sechs Punkte über dem Wert vom Jahresbeginn. Insbesondere die geplanten Investitionsprogramme in die Verkehrsinfrastruktur und den sozialen Wohnungsbau sowie lokale Investitionen in Schulen und Kindergärten stützen die Zuversicht der Baufirmen“, fasst die IHK das zusammen.

Dem Handel geht es gut, in der Logistik schnurrt der Motor.

Und selbst da, wo man vor Einführung des Mindestlohnes noch Drama erwartet hatte, zeigt die Kurve nach oben: im Gastgewerbe und Tourismus. „Der übliche Rückgang der Geschäftslage gegenüber dem Jahresbeginn fiel in diesem Frühjahr deutlich schwächer aus als in früheren Jahren. Der entsprechende Saldo sank gerade einmal um fünf auf +34 Punkte und liegt damit um 15 Punkte über dem Vorjahresstand. Auch die vorliegende Beherbergungsstatistik zeigt für die ersten beiden Monate bereits wieder ein Übernachtungsplus in der Region Leipzig an. Wie die Geschäftserwartungen zeigen, starten die Unternehmen mit viel Schwung und Zuversicht in die diesjährige Freiluftsaison. Der Prognose-Saldo steigt kräftig um 20 auf +19 Punkte.“

Und das alles in einer Stadt, in der nun seit Jahren immer neue Arbeitsplätze aufgebaut werden. Die Unternehmen berichten also direkt aus einem Gesamtwachstum heraus. Und auch wenn man sich bei Investitionen zurückzuhalten scheint (der Saldo ist nach wie vor mit 7 Punkten im Plus), ist der Ausbau augenscheinlich nicht gestoppt.

Denn – so die IHK: „Der Anteil der Firmen, der in den kommenden Monaten zusätzliche Mitarbeiter einstellen möchte, ist mit 18 Prozent doppelt so hoch wie der Anteil, der mit weniger Personal plant. Aktuell melden bereits 30 Prozent der befragten Unternehmen Probleme bei der Suche nach qualifiziertem Personal. Vor allem im Verkehrs- und Tourismusgewerbe hat sich die Situation gegenüber dem Frühjahr 2015 weiter verschärft. Insbesondere die Suche nach Berufskraftfahrern, ausgebildeten Köchen sowie Servicekräften für Restaurants und Hotels erweist sich als immer schwieriger.”

Und das trotz des allgegenwärtigen Sorgenkindes „Arbeitskosten“.

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