Geht es weiter aufwärts? Ist die Stimmungsdelle vorbei? Ende Januar hatte ja das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) schon so etwas wie ein vorläufiges Ende der Katerstimmung gemeldet: "Für das Jahr 2015 erwarten die vom IWH befragten Unternehmen Geschäfte in etwa auf Vorjahresniveau." Im Herbst war die Stimmung deutschlandweit abgesackt. Aber irgendwie werden auch die Stimmungsbarometer immer unzuverlässiger. Das muss auch die IHK zu Leipzig so feststellen.

“Entgegen der abgeschwächten Prognosen vom vergangenen Herbst hat die Konjunktur im letzten Quartal 2014 wieder angezogen”, teilt die Industrie- und Handelskammer zu Leipzig nun mit. Was eher wenig mit der Konjunktur zu tun hat, als mit der immer stärkeren Rolle, die die Stimmung der Unternehmer dabei spielt – und die lassen sich augenscheinlich auch wieder von Stimmungsmachen an der Börse, in Krisengebieten, im hektischen Kleinklein von Bund und EU usw. anstecken. Und die diversen Wirtschaftsinstitute, Stiftungen und Wirtschaftsprüfer, die aller Nase lang neue Meldungen in die Welt posaunen, tun wohl ihr Übriges dazu. Wenn man den ganzen Mulch sammeln würde, hätte man eine ganze Achterbahnfahrt zusammen von himmelhoch bis höllentief. Und dazu gehört natürlich auch der Unfug, den die Wirtschaftsprüfer von PriceWaterhouseCoopers am Mittwoch, 18. Februar, in die Welt setzen: “Deutschland steigt ab” hieß die Meldung auf “Spiegel Online”. Reine Kaffeesatzleserei und der Versuch, wirtschaftliche Entwicklungen gleich mal für 15 oder gar 35 Jahre vorauszusagen. Studie nennt sich das Ding auch noch.

Dabei wissen auch Sachsens Unternehmer, dass der Erfolg eines Standorts nicht von Prognosen abhängt, sondern von regionalen und internationalen Rahmenbedingungen: Brechen Märkte weg? Kann man neue gewinnen? Wie entwickeln sich Währungskurse? Wie entwickelt sich die Kreditbereitschaft der Banken? Wie entwickeln sich Rohstoffpreise (allen voran Öl, Gas usw.)? Wie entwickeln sich Lohnniveaus, Staatsverschuldungen, Arbeitskräfteangebot?

Nichts davon findet man in der PWC-Studie. Dafür lauter “Projektionen” in die Zukunft – als könnte man die Wachstumsraten der Länder einfach so in die Zukunft fortschreiben, ohne Krisen, ohne Depression … Das Ergebnis ist tatsächlich reine Kaffeesatzleserei. Wird aber auch wieder Entscheider beeinflussen. Und wieder ein irrationales Element in die große Soße bringen, aus der dann die Unternehmer, die für ihr eigenes Haus sinnvolle Entscheidungen treffen müssen, wieder irgendein Bild filtern müssen.

Die halbjährlichen Befragungen der Wirtschaftskammern lassen sich auf derlei abstruse Spiele gar nicht ein. Sie fragen die Unternehmen in ihrer Region nach ganz simplen Dingen: Wie voll sind die Auftragsbücher? – Das sind die Geschäftsausichten.  – Wie gut ist die jetzige Auslastung? – Das ist die Lage. – Und will man demnächst investieren? Und wofür genau? Und will man Arbeitskräfte einstellen – oder entlassen?

Das Ergebnis sind Zustandsmeldungen aus den großen Branchen. Und ein Gesamtbild, das zeigt, ob die Mehrheit der Befragten zuversichtlich ist oder harte Monate vor sich sieht.

Das typische Leipziger Stimmungsbild: Die Lage ist in Ordnung - aber in die Zukunft schaut man lieber mit ganz gedämpften Erwartungen. Grafik: IHK zu Leipzig
Das typische Leipziger Stimmungsbild: Die Lage ist in Ordnung – aber in die Zukunft schaut man lieber mit ganz gedämpften Erwartungen. Grafik: IHK zu Leipzig

Zum Jahresbeginn 2015 ist das Lagebild wieder freundlicher, nachdem gerade die Ukraine-Krise im Herbst für Ängste sorgte.

Die Lage der gewerblichen Wirtschaft ist weiterhin überdurchschnittlich gut, bilanziert jetzt die IHK zu Leipzig. Sehen aber, dass die Beunruhigung noch anhält: Aber trotz des konjunkturellen Schwungs bleiben die Aussichten für 2015 zurückhaltend.

„In vielen Branchen lief die geschäftliche Entwicklung besser als erwartet. Nicht nur die Industrie konnte die konjunkturellen Turbulenzen der Sommermonate überwinden, vor allem der anziehende private Konsum sorgte zum Jahresende in den konsumabhängigen Branchen nochmals für eine Lageverbesserung“, fasst Wolfgang Topf, Präsident der IHK zu Leipzig, zusammen. „Von einem moderaten Wirtschaftswachstum ist auch 2015 auszugehen. Während die Geschäftsaussichten im Bau- und Dienstleistungsgewerbe unverändert freundlich sind und auch die Industrie wieder optimistischer in die Zukunft blickt, sind die Prognosen sowohl im Handel als auch im Verkehrs- und Tourismusgewerbe jedoch deutlich schlechter als vor einem Jahr. Trotz realer Kaufkraftzuwächse durch die gesunkenen Öl- und Kraftstoffpreise haben sich in diesen Wirtschaftsbereichen die Aussichten vieler Firmen insbesondere durch die schwer kalkulierbaren Auswirkungen des Mindestlohnes eingetrübt.“

Die Wirtschaftsbereiche im Einzelnen

+ Leipzigs Industrie meldet eine Verbesserung der Lage. Der Lage-Saldo legte um 11 auf +41 Punkte zu.

+ Baugewerbe: Über die Hälfte der Baufirmen beurteilt ihre Lage mit gut. Der Saldo der Geschäftslage erreicht mit +46 Punkten – trotz der Verringerung um 6 Punkte – einen nach wie vor äußerst hohen Wert.

+ Dienstleistungsgewerbe: Dem Lagedämpfer im Herbst folgte in den vergangenen Monaten eine spürbare konjunkturelle Gegenbewegung. Der Lage-Saldo kletterte um 6 auf +47 Punkte und markiert für den Dienstleistungsbereich einen neuen Spitzenwert.

+ Einzelhandel: Dank der verbesserten Kauflaune der privaten Verbraucher und des erfolgreichen Weihnachtsgeschäfts kletterte der Lage-Saldo auf +36 Punkte, dem besten Lage-Ergebnis im Einzelhandel seit Beginn der IHK-Befragung im Jahr 1991. – Der Dämpfer: Im Gegensatz fällt der Saldo der Erwartungen um weitere 12 auf -8 Punkte und liegt erstmals seit dem Frühjahr 2013 im negativen Bereich. Grund für diese Skepsis ist in erster Linie der gesetzliche Mindestlohn. Der Einzelhandel gehört zu den Branchen, in denen der Niedriglohnsektor am stärksten ausgebaut ist. Die IHK: Es herrscht Unsicherheit, ob die steigenden Lohnkosten über Preiserhöhungen an die Kunden weitergegeben werden können.

+/- Großhandel: Auch im Großhandel führte die allgemeine konjunkturelle Belebung zum Jahresende 2014 zu einer Lageverbesserung. Der positive Schwung kann jedoch nicht für das laufende Geschäftsjahr genutzt werden. Der Saldo der Geschäftsprognosen sinkt nochmal um 13 Punkte und rutscht mit aktuell -4 Punkten in den negativen Bereich, was letztmalig im Herbst 2013 der Fall war.

+/- Verkehrsgewerbe: Auch die Situation im Verkehrsgewerbe hat sich verbessert. Vor allem die gesunkenen Kraftstoffpreise dürften dafür mitverantwortlich sein. Der aktuelle Lage-Saldo erhöhte sich um 10 auf +26 Punkte und liegt um 6 Punkte über dem Vorjahresstand. Deutlich ungünstiger sehen die Geschäftsprognosen aus, deren Saldo nochmals kräftig um 10 auf -17 Punkte nachgibt. Der Abwärtstrend setzt sich fort. Viele Firmen sind vom Handelsembargo gegen Russland betroffen und der Mindestlohn verstärkt den Kostendruck.

+ Gastgewerbe/Tourismus: Mit Hilfe des wichtigen Adventsgeschäftes hat sich die Lage im Gast- und Tourismusgewerbe ebenfalls verbessert. Wie schon im Herbst können 46 Prozent der Befragten mit einer guten Geschäftslage glänzen. Nur noch 3 Prozent sind unzufrieden. Der Lage-Saldo steigt um 10 auf +43 Punkte. Die Geschäftsaussichten hingegen fallen auf den schlechtesten Wert seit 2010 – der Saldo verringert sich um 10 Punkte und liegt nur noch bei -6 Punkten. Die schwer abschätzbaren Folgen des Mindestlohnes bereiten insbesondere Firmen im Gastronomiebereich große Sorgen.

Die nächste Zukunft

Im Ergebnis zeigt sich: Die Unternehmen bleiben zurückhaltend. Aufgrund des positiven Vorzeichens sind die Erwartungen als vorsichtig optimistisch einzuschätzen. So richtig wissen viele Unternehmer noch nicht, wie sich die gestiegenen Lohnkosten (Mindestlohn) auswirken werden. Einige kürzen dafür ihre Mittel für Investitionen oder streichen sie ganz. Aber der Saldo der Investitionsplanungen bleibt trotzdem im positiven Bereich, fällt gegenüber 2014 nur von +10 auf +8 Punkte.

Und der Mindestlohn wird auch nicht zu einer Arbeitslosenschwemme führen. Im Gegenteil: Gutes Personal wird weiter gesucht. Über 70 Prozent der Firmen wollen ihren Personalbestand konstant halten, 18 Prozent planen mit Personalzuwächsen und 11 Prozent mit weniger Mitarbeitern. Der Saldo sinkt leicht, bleibt aber mit +7 Punkten positiv. Und die klare Bilanz der IHK zu diesem Punkt: Befürchtungen, dass durch den Mindestlohn verstärkt Mitarbeiter entlassen werden, lassen sich aktuell nicht erkennen.

Das Fazit also: Leipzigs Unternehmer geben sich zurückhaltend, erwarten keine Wunder, machen aber einfach so weiter wie 2014, das für Sachsen und Leipzig eindeutig ein stabiles wirtschaftliches Jahr war.

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