Das Leipziger Konzeptwerk Neue Ökonomie hat eine Studie "Sinn fürs Geschäft" veröffentlicht. In der Studie wird die Situation von sozial-ökologischen und demokratischen Unternehmen in Leipzig untersucht. Auf knapp 50 Seiten zeigen die Autoren, wie diese "Labore" einer anderen Wirtschaft arbeiten und mit welchen Problem sie zu kämpfen haben. Die zentrale Frage ist dabei: wie können Unternehmen unterstützt werden, die Werte wie Demokratie, Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt stellen?

Die Kernbotschaft fasst Felix Wittmann, Co-Autor der Studie, zusammen: “Es gibt bereits viele Unternehmen, die zeigen, wie eine zukunftsfähige Wirtschaft aussehen kann. Es ist nun an der Politik, diese Pioniere des Wandels zu erkennen und zu fördern.”

Die Autoren befragten Personen aus der Verwaltung, Politiker, vor allem aber die Unternehmerinnen und Unternehmer selbst. Dabei beeindruckten die untersuchten Betriebe mit innovativen Ansätzen: Während der Stadt-Gärtner Marian Schwarz versucht, erdölfreie Landwirtschaft zu betreiben, werden im IT-Unternehmen about:source alle Entscheidungen gemeinsam getroffen – es gibt keinen Chef. Beispielhaft ist auch das Bau+Farben Kontor, welches seine eigenen Farben herstellt, da es auf dem Markt keine gab, die ökologisch genug waren.

Das Ergebnis der Studie: es gibt drei Kernbereiche, in denen alternative Unternehmen Unterstützung am meisten gebrauchen können – Finanzierung, Zugang zu Flächen sowie Hilfe bei bürokratischen Hindernissen. Hinsichtlich dieser drei Bereiche macht “Sinn fürs Geschäft” konkrete Vorschläge für die Kommunalpolitik.

In der Studie taucht das Kürzel SÖDU auf. Das steht für soziale, ökologische und demokratische Unternehmen. Sie werden in keiner Wirtschaftsstatistik gesondert ausgewiesen. Es gibt sie in allen Branchen. Doch ihnen geht es in der Regel wie den vielfältigen Unternehmen der Kreativbranche (mit denen sie viele Überschneidungen haben): Keines der offiziellen Wirtschafts- und Förderprogramme passt auf sie, weder Banken noch Finanzberater sind auf sie eingerichtet. Politiker reden zwar gern von sozialer Verantwortung – aber wenn es einmal Forderungen nach solchen Standards auch in der Mittelstands- oder der Auftragspolitik von Kommunen und Land gibt, verweigern sich die Entscheider. Nur ja keine “wirtschaftsfremden” Kriterien in die Vergabepolitik einführen!

Aber warum eigentlich nicht? Sind diese Standards nicht schon immer wirtschaftliche Dimensionen gewesen, kommen aber immer wieder unter die Räder, weil der alten, ressourcenverschleudernden Wirtschaftsweise das Primat eingeräumt wird? Immerhin ein Thema, das in der Enquete-Kommission zur Nachhaltigkeit des Bundestages auch diskutiert wurde, am Ende in einen schönen Bericht verpackt und irgendwo in einem Regal versenkt wurde. Nur ja nicht damit anfangen, Wirtschaftspolitik auch einmal anders zu denken.

Dabei wünschen sich auch die SÖDUs nichts anderes, als dass auf ihre Bedürfnisse auch Rücksicht genommen wird. Sie sind in der Regel keine Projekte, die binnen kurzer Zeit lukrative Renditen erwirtschaften. (Wobei sich die Frage auftut, ob renditestarken Unternehmen nicht gerade deshalb hohe Renditen erzielen, weil sie die sozialen und ökologischen Ressourcen verschleudern). Eine Frage, die sich durchaus auftut beim Lesen der Studie,deren Grundlage Interviews mit 16 Leipziger SÖDUs sind.

Die Probleme, die sie alle miteinander haben, lassen sich in drei Gruppen gliedern:
Echte Finanzierungsangebote für solche Unternehmensgründungen gibt es in Sachsen und Leipzig nicht: “Für ein Unternehmen, das den Unternehmensgewinn und damit die Möglichkeit der Kreditbedienung nicht an erster Stelle stellt, ist es deutlich schwieriger, Kredite über konventionelle Banken zu erhalten”, stellt das Leipziger Konzeptwerk Neue Ökonomie fest. “Viele Unternehmer_innen sehen auch davon ab, sich über Bankenkredite zu finanzieren, da sie keinen ‘Businessplan’ erstellen wollen, dessen finanziellen Vorgaben sie sich dann beugen müssen. Selbst die Finanzierung über Banken mit einer gewissen Gemeinwohlorientierung, wie die GLS-Bank, ist schwierig, da auch dort recht hohe Profitabilitätsansprüche gestellt werden.”

Aber nicht nur Geld für den Start bekommt man kaum (wenn nicht gemeinschaftliche Formen der Starthilfe nutzt). Auch wenn es um Gewerbeflächen geht, hat man zumeist das Nachsehen gegenüber potenteren Mietern und Käufern: “Das Thema Fläche und Raum kam in den Interviews immer wieder auf, allerdings in unterschiedlichen Formen”, stellt das Konzeptwerk fest. Und listet auf: “Zugang zu landwirtschaftlichen Flächen für feldwirtschaftliche Projekte, Zugang zu gewerblichen Flächen, die Nutzung öffentlicher Dachflächen für die regenerative Energieerzeugung und hohe Mieten”. Und dann ein Problem, das sichtbar macht, wie sehr auch die Verkehrspolitik die klassischen, ressourcenverbauchenden Wirtschaftsformen bevorzugt: Leipzig ist als Autostadt konzipiert – wer sein Gewerbe auf alternative Verkehrsarten aufbaut, merkt schnell, dass er damit benachteiligt wird.

Und dann ist da noch der ganze Papierkram, der besonders kleinen, personalschwachen Unternehmen in Leipzig das Leben schwer macht, also auch vielen SÖDUs: “Zum schwierigen Gang durch den ‘Ämterdschungel’ kommt hinzu, dass die zuständigen Personen die Besonderheiten eines SÖDU oft nicht verstehen und erst einmal misstrauisch reagieren. Viele Unternehmer_innen wünschen sich daher mehr Offenheit für Unternehmen, die nicht in eine bestimmte Schublade passen.”

Was dann auch mit den Leipziger Förderprogrammen zu tun hat, die allesamt auf die klassischen Wirtschaftsformen zugeschnitten sind und das Neue, Unpassende, gar nicht erst mitdenken.

“Die konventionelle Wirtschaftsförderung Leipzigs hat oft ein blindes Auge für ökologische und soziale Werte und versucht meistens Jobs um jeden Preis zu schaffen (Anwohner_innen des Flughafens hatten große Bedenken wegen der Umwelt- und Lärmbelastungen, die Mitarbeiter_innen von Amazon klagen regelmäßig über ihre Arbeitsbedingungen)”, heißt es zu diesem Nicht-Wahrnehmen in der Studie. “Im Sinne der Umwelt und der Menschen, die versuchen ihren Lebensunterhalt zu verdienen, ist es sinnvoll, Leipzigs Wirtschaftsförderung auf Unternehmen auszuweiten, die sich selbst soziale, ökologische und demokratische Werte geben. Für Leipzig bietet diese Perspektive auch eine Chance, Vorreiterin einer neuen Wirtschaft zu werden, deren Konturen sich bereits in einigen Stadtteilen abzeichnen.”

Aber um Politik und Verwaltung wenigstens erst einmal zum Mitdenken zu bewegen, will das Leipziger Konzeptwerk Neue Ökonomie seine Studie auch gern drucken. Denn zum alten Wirtschaftsdenken gehört nun leider auch noch das Denken in Papier: Was nicht in einer Hochglanzbroschüre gedruckt ist, wird nicht für voll genommen. Die Digitalkultur in Leipzig ist noch sehr, sehr rudimentär.

“Jetzt geht es darum, mit unseren Forderungen Gehör zu finden. Wir wollen sowohl Kommunalpolitiker_innen als auch andere interessierte Menschen für die Wichtigkeit dieses Themas sensibilisieren”, betont deshalb das Konzeptwerk Neue Ökonomie. “Die Botschaft ist: Eine soziale, ökologische und demokratische Wirtschaft existiert bereits im Kleinen und zwar direkt vor unserer Haustür. Diese muss durch bessere politische Rahmenbedingungen gefördert werden. Deswegen versuchen wir jetzt unsere Studie breit zu streuen und damit insbesondere Entscheidungsträge/innen zu erreichen. In Leipzig sprechen wir deswegen direkt die Fraktionen des Stadtrats an.”

Und dazu sammelt das Konzeptwerk jetzt Spenden.

“Der Druck der Studie kostet etwa 1.000 Euro, die bisher noch in unserem Projektbudget fehlen”, so der Verein.

Spendenaufruf und Studie findet man auf der Webseite des Konzeptwerks:
www.konzeptwerk-neue-oekonomie.org

Direkt zur Studie:
www.konzeptwerk-neue-oekonomie.org/wp-content/uploads/2014/11/Konzeptwerk_SfG-Studie.pdf

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