"Wolken am Horizont" verkündet die Industrie- und Handelskammer in ihrer Herbst-Konjunktur-Umfrage. Und wahrscheinlich tun das derzeit Handelskammern in der ganzen Republik. Der Motor stottert. Das Gemäre und Gewärsche um die Finanz- und Staatsschuldenkrise würgt die Märkte ab. Zu spüren bekommen das zuallererst die Autobauer.
Schon seit Wochen mehren sich die Nachrichten über die Umsatzeinbrüche bei Deutschlands Automobilbauern. Das hat Ursachen und das hat Folgen. Denn das Automobil ist der sensibelste Konjunkturanzeiger. Wenn Wirtschaften aufdrehen und Arbeitskräfte und Führungspersonal brauchen, steigt der Autoabsatz, egal ob es ein südeuropäisches EU-Land ist, ein Schwellenland oder nur eine Zulieferregion. Das erste, was 2008 einbrach, nachdem die Finanzkrise von den USA auf Europa übergriff, war der Autoabsatz. Seit 2010 hat er sich wieder erholt. Doch kaum zwei Jahre später steckt er wieder in der Krise. 14 Prozent Umsatzeinbruch im ersten Halbjahr – das kann man auch als Rechnung für die ziel- und strukturlose “Rettungspolitik” für die südeuropäischen Sorgenstaaten betrachten. Wer die Konsumtion auf Weisung drosselt, drosselt auch den Autoabsatz.
Wäre ja schön für die Umwelt – wenn man die Krise als Chance begriffe, die Weichen für ein nachhaltiges Wirtschaften in Europa jetzt umzulegen. Was nicht zu erwarten ist. Man hofft immer wieder auf dubiose Selbstheilungskräfte der Märkte, auf ein neues Absatzwunder.
Die Krise im Autoabsatz betrifft auch Leipzig. Denn die beiden großen Autobauer sind auch im Jahr 2012 die beiden wichtigsten Motoren für die Leipziger Industrie. Allein mit ihrem Absatzminus von 14 Prozent haben sie die Gesamtumsätze der verarbeitenden Betriebe in Leipzig im ersten Halbjahr um 4 Prozent ins Negative gedrückt. “Ohne die Autobauer hätte die Industrie, die nun leider in Leipzig noch immer sehr schwach ausgeprägt ist, sogar ein Plus hingelegt”, sagt Dr. Thomas Hoffmann, Hauptgeschäftsführer der IHK zu Leipzig.Denn die Krise an den internationalen Absatzmärkten erreicht die regionale Wirtschaft unterschiedlich schnell und mit unterschiedlichen Zwischenstationen. Neben den Leipziger Autobauern, die ihre Modelle zum großen Teil in anderen Ländern absetzen, hat das Zittern auch schon den Großhandel in der Region erreicht. “Nachfragerückgang lässt Prognosen abstürzen”, beschreibt die IHK dieses Kapitel aus der Herbstumfrage. Noch ist die Geschäftslageeinschätzung mit 15 Prozent im Positiven. Doch die Geschäftserwartungen sind seit Jahresbeginn (+ 35 Prozent) in den Keller gerutscht – auf minus 15 Prozent.
Eigentlich ein deutliches Zeichen dafür, wohin das grimmige Spardiktat führt, das Ländern wie Italien, Spanien, Griechenland verordnet wird. Ist natürlich die Frage: Bleibt das nun auf die exportorientierte Industrie beschränkt oder schlägt es auch durch auf die regional verortete Wirtschaft? Die Bauwirtschaft zum Beispiel? – Vorerst noch nicht. Die Lageeinschätzung der Baubetriebe ist unverändert gut. Die Aussichten trüben sich – saisonbedingt – ein: der Herbst ist da, der Winter kündigt sich an. Da ruhen viele Baustellen. Aber das ist nur eine Seite der Medaille. Die andere sind die öffentlichen Aufträge. Man hat es auch in Leipzig 2012 wieder gesehen – der Haushaltsplan war im Dezember beschlossen, die Bestätigung gab’s erst im Juni, der teilweise Haushaltsstopp folgte auf den Fuß. Ergebnis: erste große Baustellen im Sommer und ein ganzes Baustellenpaket, das Leipzig im Herbst mit Umleitungen zudeckt. So wird es auch mit dem großen Schulinvestitionsprogramm 2013 sein.
Aber da in Leipzig seit 2010 am Stück gebaut wird – erst mit Konjunkturmitteln, jetzt mit erhöhten Anstrengungen für Schulen, Straßen und Kitas, gibt es ein Phänomen, das Leipzig zuletzt Anfang der 1990er Jahre kannte: Der Bauwirtschaft geht es von allen Branchen derzeit am besten. 58 Prozent der Baufirmen haben volle Auftragsbücher, weitere 37 Prozent können nicht klagen, nur 5 Prozent jammern.
Ein ähnliches Bild auch bei den Dienstleistern, auch wenn die Lageeinschätzung hier nicht ganz so rekordverdächtig hoch ist. “Die Dienstleistung ist und bleibt auch in diesem Jahr der Motor der Leipziger Wirtschaft”, sagt Hoffmann. Leipzig ist eine Dienstleistungsstadt, auch wenn man damit wieder abhängig ist von den Aufträgen anderer – auch der Industrie. Was die Lageeinschätzung zumindest ein wenig eingetrübt hat.
Aber es sind nicht die Unternehmensdienstleister, die in nächster Zeit dunkle Wolken sehen. Noch haben die alle gut zu tun. Es sind die Finanzdienstleister, die bedrippelt in die Zukunft schauen. Es ist ja auch ihre Branche, die an dem ganzen Dilemma schuld ist. Und gelöst ist nichts – trotz aller “Rettungsmilliarden”. Nur der “Schwarze Peter”, der ganz zu Anfang, 2008, mal bei den so genannten “systemrelevanten Banken” lag, der ist mittlerweile in die Staatshaushalte abgewandert und kehrt – wie ein Bumerang – über EZB & Co. wieder in die ratlosen Finanzmärkte zurück. Man braucht keine “Bad Bank”, sondern einen gewaltigen Mülleimer, um den ganzen wertlosen Schrott zu entsorgen.Wer jammert noch? – Der Einzelhandel natürlich. Das tut er schon seit Jahren. Aber die Botschaft erreicht die Köpfe der verantwortlichen Planer und Entscheider immer nur sehr zögerlich. “Wir befragen ja nicht nur die Großen”, sagt Hoffmann, “wir befragen auch die kleinen Händler.” Und die haben – nachdem es knapp zwei Jahre einigermaßen ordentlich lief – wieder Angst. Gründe dafür gibt’s genug. Einer ist der weiter verschärfte Konkurrenzdruck in Leipzig, im September durch ein megalomanisches neues Einkaufszentrum mitten in Leipzig verschärft.
Die Ziele der Leipziger Stadtplaner, dieses gigantische Projekt so zu lenken, dass keine neue Konkurrenz für den in der City vertretenen Angebotsmix entstehen, sind sämtlich verfehlt worden. Dazu kommt: Die Kaufkraft stagniert in Leipzig oder steigt nur leicht. Mancher Politiker jubelte ja, dass das Haushaltsnettoeinkommen 2011 laut Bürgerumfragen durchschnittlich wieder genau so hoch war wie 2011. Aber tatsächlich war auch das ein Einkommensverlust. Die Preise im Laden sind bei allen Grundbedarfsgütern gestiegen, am stärksten wieder bei Strom und Kraftstoffen. Das frisst Kaufkraft auf. Geld, das für eine chaotische Energiepolitik vom Konto abgezogen wird, steht nicht mehr für den Einkauf im Laden zur Verfügung.
Gleichzeitig verteuern steigende Transportkosten die Waren im Laden.
Die Transportunternehmen kümmert das vorerst – seltsamerweise – nicht. Denn Leipzig hat sich in den letzten Jahren tatsächlich als Logistik-Drehkreuz fest etabliert. Die Auftragsbücher der Logistiker sind so voll, dass sie sogar die gestiegenen Kraftstoffkosten verschmerzen.
Und in der Hotellerie und der Gastronomie jauchzt man geradezu. Eigentlich müssten Wirte und Hotelmanager jeden Tag mit Blumen am Gondwanaland und am Bachmuseum stehen und Dankeschön sagen. Die Touristenzahlen sind um 10 Prozent gestiegen, die Bettenauslastung ist gut. Und die Lageeinschätzung ist fast so gut wie die der Bauunternehmen.
All diese Trends, die teilweise sogar gegenläufig sind, sorgen dafür, dass Leipzigs Wirtschaft auch im Herbst noch eine positive Lageeinschätzung abgeben kann: + 32 Prozent in der Einschätzung der 642 befragten Betriebe, die ungefähr für 30.000 Beschäftigte stehen.
Nur die Erwartungen haben sich eingetrübt – in einigen Bereichen wie Industrie und Großhandel besonders deutlich. Insgesamt ist die Zukunftsaussicht mit 6 Prozent noch leicht im Positiven. Aber das sind schon 11 Prozent weniger als noch im Frühjahr.
Wo liegen die größten Risiken? – Eigentlich auf den Auslandsmärkten, auch wenn nur 8 Prozent der Unternehmen das so benennen. Zeichen dafür, wie stark die Leipziger Region von kleinen und mittleren Unternehmen dominiert ist, deren Markt eindeutig in der Region ist. Sie haben mit den Turbulenzen auf den internationalen Märkten direkt nichts zu tun. Ihre Auftraggeber sitzen in und um Leipzig.
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Aber der größte Teil der in Leipzig erwirtschafteten Umsätze hängt von diesem kleinen, exportorientierten Anteil der Wirtschaft ab. Im zweiten oder dritten Schritt kommt das dann auch wieder in der Region an. Und da weiß man sich durchaus zu fürchten. 47 Prozent der befragten Unternehmen haben Kummer mit der Inlandsnachfrage. Und wie oben gesehen: Die Kaufkraft der einzelnen Haushalte ist nicht gestiegen. Die Gesamtkaufkraft durch den Zuzug junger Leute schon. Aber davon haben Dienstleister und Händler nichts, wenn das Geld schon bei der Stromrechnung oder an der Tankstelle hängen bleibt.
Größter Kummerposten also bei 59 Prozent der Unternehmen: die Energie- und Kraftstoffpreise. Ist ja längst nicht mehr so, dass der Kleinunternehmer nur beim Tanken richtig Geld hinblättert – seit Jüngstem zahlt er ja auch noch die EEG-Umlage und einen Großteil der Netzentgelte mit, die sich die Big Player in Deutschland vom Halse geschafft haben. Deswegen beschäftigt sich eine der Hauptforderungen der IHK besonders mit diesem Problemfeld: der dringend notwendigen Überarbeitung der EEG-Umlage, einem fairen Ausgleich zwischen Stromgroß- und -kleinverbrauchern und einer fairen Verteilung der Kosten für den Ausbau der Stromnetze. Denn auch diese Kosten landen derzeit zum größten Teil bei den ostdeutschen (Klein-)Verbrauchern, weil vor allem Stromtrassen von Ost- nach Westdeutschland fehlen.
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