Mit den sogenannten „Tethered Caps“ haben inzwischen wohl alle Bekanntschaft gemacht – für viele Menschen stellen sie eine Herausforderung dar. Seit dem 3. Juli 2024 sind sie in der EU für alle Einweg-Getränkeverpackungen, die ganz oder zum Teil aus Kunststoff bestehen, verpflichtend. Warum ein Gramm Plastik mehr oder weniger einen Unterschied machen kann, weiß Prof. Eugen Herzau. Er ist HTWK-Experte für nachhaltige Verpackungstechnologien.

Wie aus dem Nichts scheinen sie vor einiger Zeit aufgetaucht zu sein: Einweg-Flaschen und Tetrapaks mit Deckeln, die sich nicht mehr einfach abschrauben lassen. Hört man sich um, haben viele Menschen eine eigene Geschichte dazu: Warum es sie nervt, wann sie es zum ersten Mal bemerkt haben, wie sie damit umgehen.

Was es mit diesen Verschlusskappen auf sich hat, erläutert Prof. Eugen Herzau in einem Interview, dass man auf der Website der HTWK Leipzig finden kann.

„So neu sind die Deckel gar nicht. In der EU verpflichtend werden sie aber erst jetzt. Das Phänomen erscheint vielen neu, weil es bisher nicht richtig kommuniziert wurde. Ziel ist es, die Verschlüsse zusammen mit den Behältern zurück in den Kreislauf zu bringen, und die Vermüllung der Umwelt, das sogenannte Littering, durch achtlos weggeworfene Verschlüsse zu verringern“, erklärt er diese Entwicklung.

„So kleine Kappen ‚verschwinden‘ nun einmal besonders schnell. Und damit stehen sie der stofflichen Verwertung nicht mehr zur Verfügung – doch genau das ist ja das wichtigste Ziel in unserem Recyclingsystem.“

Für Nutzer dieser Verpackungen ist es eine kleine Umgewöhnung.

„Wir als Kundschaft verlassen an dieser Stelle also zumindest ein Stück weit unsere Komfortzone, indem wir uns umstellen müssen, an dieser – minimalen – Stelle“, so Herzau.

Ist doch nur ein Deckel

Aber welchen Effekt hat es, wenn ein zwei Gram schwerer Deckel nicht verloren geht?

„Wenn man es mal hochrechnet, kommt bei einer Million weggeworfener Deckel eben auch mehr als eine Tonne zusammen, die sich im Zweifel irgendwann über die Strände dieser Welt verteilt“, rechnet Herzau vor. „Es mag durchaus ‚größere Baustellen‘ geben, aber mit diesen Deckeln erreicht man schon eine gewisse Sichtbarkeit bei den Menschen, weil es sie unmittelbar betrifft. Ein Nachteil ist allerdings aus meiner Sicht, dass Ältere oder Menschen mit bestimmten Einschränkungen beim Wiederaufschrauben dieser Deckel Probleme haben können – es ist gar nicht so einfach, den Deckel gerade wieder draufzubekommen …“

Herr Prof. Eugen Herzau. Foto: Robert Weinhold/HTWK Leipzig
Prof. Eugen Herzau. Foto: Robert Weinhold/HTWK Leipzig

Im Interview gibt Prof. Herzau auch Auskunft zu möglichen alternativen Materialien, aus denen die Deckel der Einwegverpackungen hergestellt wrden können. Denn der Werkstoff Plastik ist aus ökologischen Gründen ganz gewiss nicht die Zukunftslösung. An der HTWK wird an entsprechenden Naturmaterialien geforscht, die Plastik als Deckel-Werkstoff ersetzen könnten.

Aber noch ist ihr Problem die notwendige Menge für einen industriellen Fertigungsprozess, so Herzau: „Solche alternativen Rohstoffe können im Moment lediglich als Ergänzung zu industriellen Herstellungsverfahren betrachtet werden, sie sind noch lange nicht konkurrenzfähig und daher auch nicht die preiswertesten. Hier wetteifern Nachhaltigkeit und Ökonomie miteinander. Es muss sich nun einmal rechnen. Wenn wir nachhaltiger sein wollen, müssen wir viel mehr standardisieren – aus Kostengründen und Gründen des Energieverbrauchs.“

Und das ist die Krux der modernen Lebensmittelindustrie, wie Herzau bemerkt: „Ja! Wir müssen industriell denken, das ist nicht mehr umkehrbar. Zurück zur Selbstversorgung für alle? Das würde nicht funktionieren – wir könnten die Menschheit schlicht und einfach nicht mehr satt bekommen.“

Aber bei seinen eigenen Studenten beobachtet er die Skepsis gegenüber den Massenprodukten. Die jungen Leute achten selbst beim täglichen Einkauf auf Nachhaltigkeit.

„Das Interesse an dem Thema ist gewachsen, viel größer als noch vor zehn Jahren – das ist gut!“, findet Herzau. „Nicht mehr allein die Kosteneffizienz durch Prozessoptimierung entscheidet, sondern inzwischen geht es um Kosten und Nachhaltigkeit. Dieser Entwicklung entsprechen wir mit unserem Studiengang.“

Aber er macht sich auch keine Illusionen über das Tempo der Veränderung hin zu nachhaltigeren Lebensmittelverpackungen: „Die gewünschten Veränderungen zu mehr Nachhaltigkeit in unserer Gesellschaft dauern länger als erhofft.“

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