Es kommt was auf uns zu. In der letzten Aprilwoche wird Leipzig zu einem besonders starken Touristenmagnet. Hauptattraktionen sind in diesem Zeitraum vor allem die Leipziger Buchmesse (27.-30. April) sowie gleich fünf Konzerte von Schlager-Star Helene Fischer in der Arena Leipzig (25.-30. April). Es wird also voll in der Stadt. Wer jetzt noch keine Unterkunft für seinen Trip in die Messestadt gebucht hat, könnte Probleme bekommen, überhaupt noch ein freies Hotelzimmer zu erhaschen – es sei denn, Geld spielt keine Rolle.

Doch mit wie vielen Besuchern ist zu rechnen? Glaubt man der Bild-Zeitung, zöge alleine die Buchmesse bis zu 300.000 Gäste an. Rechnet man die Konzertbesucher hinzu – insgesamt bis zu 60.000 – und Menschen, die aus anderen Gründen eine Leipzig-Reise auf dem Zettel haben, würde sich das mit den rund 625.000 Einwohnern der Stadt auf etwa eine Million aufsummieren. Zumindest theoretisch. Praktisch ist das natürlich Quatsch.

Denn die von der Bild-Zeitung kolportierte Menge an Buchmesse-Besuchern ist wenig realistisch. „Diese Zahl stammt nicht von uns“, bestätigt die Buchmesse-Pressesprecherin Julia Lücke auf LZ-Nachfrage. „Zur letzten stattgefundenen Buchmesse kamen 286.000 Besucher/-innen. Corona hat das Besucherverhalten jedoch stark verändert. Wir hoffen auf 130.000 Besucher/-innen. Das wären rund 60 Prozent des Vorkrisenniveaus.“

Nach aktuellem Stand seien rund 2.000 Aussteller und 1.350 Einzelstände gemeldet. Da aber noch Möglichkeiten zur Nachmeldung bestehen, seien das noch nicht die finalen Zahlen, erklärt Lücke. Auf der Neuen Messe wird die erste Buchmesse nach Corona „alle fünf Hallen (1,2,3,4,5) plus die Glashalle und das Congress Center Leipzig (CCL)“ belegen – und damit eine Bruttofläche von 111.000 Quadratmetern.

Hotelpreise gehen durch die Decke

Wird also diesmal nichts mit der Millionenstadt. Dennoch ist Beherbergungslage in diesem Zeitraum äußerst angespannt. „Aktuell verfügt Leipzig über 134 geöffnete Beherbergungsbetriebe mit einem Bettenangebot von 21.326 Betten (Stand: Dezember 2022)“, teilt Andreas Schmidt von der Leipzig Tourismus und Marketing GmbH (LTM) auf eine entsprechende Anfrage der Leipziger Zeitung mit.

„Zum jetzigen Zeitpunkt werden laut der einschlägigen Reservierungssysteme noch zahlreiche Zimmer in Leipzig angeboten. Dies jedoch zu sehr hohen Preisen, sodass nicht vorausschaubar ist, ob diese Zimmer alle gebucht werden.“ Der Leiter Öffentlichkeitsarbeit bei der LTM schätzt zudem ein, dass „im genannten Zeitraum täglich mehrere Zehntausend Touristen in der Stadt sein“ dürften.

Das lässt die Hotelpreise in teils aberwitzige Höhen schnellen, wie zum Beispiel ein Blick auf das Buchungsportal booking.com zeigt. Wir haben für die Buchmesse-Zeit vom 27. bis 30. April – also drei Übernachtungen – nach Zimmern für zwei erwachsene Personen gesucht. „94% der Unterkünfte sind an Ihren Reisedaten auf unserer Seite nicht verfügbar“, war auf dem Portal zu lesen.

Insgesamt wurden lediglich noch 36 Unterkünfte angeboten (Stand: 07.03.23, ca. 18:45 Uhr) – und davon waren nur elf Zimmer für unter 1.000 Euro zu haben. Zum Vergleich: Nur eine Woche später (4.-7. Mai) hatte booking.com schon wieder 247 Angebote parat. Und nur fünf davon übersteigen die 1.000 Euro-Grenze.

Preisgranate: Drei Übernachtungen im Atlanta Boardinghouse für 4.568 Euro. Srceenshot: LZ
Preisgranate: Drei Übernachtungen im Atlanta Boardinghouse für 4.568 Euro. Srceenshot: LZ

Fantasiepreis-Spitzenreiter für das letzte April-Wochenende war dabei das Atlanta Boardinghouse in Wachau. Das Deluxe 2-Zimmer-Apartment mit 52 Quadratmetern stand für erkleckliche 4.568 Euro (!) in der Liste. Das gute Frühstück zu 17 Euro hat in diesen Preis trotzdem nicht mit reingepasst. Verrückter Kontrast: Eine Woche später werden für dasselbe Apartment nur noch 284 Euro aufgerufen.

Aber auch in den wenigen anderen verfügbaren Angeboten waren die Preise herzhaft nach oben korrigiert worden. So wäre beispielsweise ein 17 Quadratmeter-Apartment in Plagwitz für schlanke 900 Euro zu haben gewesen. Für das vorhergehende Wochenende lag der Zimmerpreis dort noch bei 323 Euro. Zwischen diesen ganzen Preisexplosionen fiel das Casa Lipzia im Barfußgäßchen angenehm auf: Hier war der Zimmerpreis am „ominösen Wochenende“ mit 344 Euro genau derselbe wie auch eine Woche später – und das bei bester Citylage.

„Es kann durchaus sein, dass kurzfristig die zu Fantasiepreisen angebotenen Hotelpreise in Leipzig sinken, wenn sie nicht gebucht werden. Darauf sollten potentielle Gäste aber nicht spekulieren. Sinnvoller ist es, Unterkünfte in Halle (Saale) oder Städten in der Region zu buchen, die gut an den Nahverkehr angeschlossen sind. Dort gibt es laut unseren Recherchen noch bezahlbare Unterkünfte“, rät Andreas Schmidt von der LTM.

„Hilfreich sind auch private Netzwerke und Social Media, um Unterkünfte unkompliziert zu vermitteln. Schwierig wird es bei Gästen, die kurzfristig anreisen möchten. Dieses Buchungsverhalten hat sich während der Corona-Zeit verstärkt, da immer Ungewissheit herrschte, ob es nicht neue Schutzverordnungen gibt, die touristische Übernachtungen verbieten.“

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