Unvergänglicher Glanz, ästhetische Anmut, Wertbeständigkeit – Gold ist einer der globalen Menschheitsmythen. Das berühmte Edelmetall war Motiv von Kriegen und Eroberungsfeldzügen, untermauerte den dauerhaften Herrschaftsanspruch von Dynastien, versprach die Chance auf Reichtum, der am Ende nur wenigen wirklich zuteilwurde. Doch was ist wirklich dran am Potenzial von Gold?
Gold: Magnet, Motor, Mythos
Schriftsteller (Jack London: Lockruf des Goldes, Alaska Kid) und Drehbuchautoren (Charlie Chaplin: The Gold Rush) verarbeiteten die Erlebnisse von Abenteurern, die, angelockt vom Ruf des Goldes, Strapazen und Gefahren der Wildnis in Kauf nahmen, um nach dem begehrten Metall zu schürfen.
Auch der Comiczeichner Carl Barks griff den realen Goldrausch am kanadischen Klondike River vom Ende des 19. Jahrhunderts auf, vor dessen Kulisse es der später genüsslich im Geld badende Dagobert Duck trotz zahlloser Widrigkeiten schließlich zur reichsten Ente der Welt bringt.
Wirtschaftlich galt Gold wegen seiner Seltenheit lange als Motor der Währungsstabilität, in der Moderne ist es ein gefragter Rohstoff in der Industrie, dessen aufwendiger Abbau jedoch bis heute weltweit auch viele Schattenseiten mit sich bringt – menschlich, sozial und ökologisch.
Ein Volk des Goldes
Nicht zu vergessen, dass Gold zugleich vielen Privatkunden und Kleinanlegern gerade in Zeiten von Krise und Unsicherheit als „sicherer Hafen“ für das Ersparte gilt, dessen Wert durch die Inflation geradezu wegzuschmelzen scheint – das Thema haben wir in der letzten LZ-Ausgabe behandelt.
Und es besteht kein Zweifel: Die Deutschen sind ein Volk des Goldes. Im ersten Halbjahr 2021 bestellten Bundesbürgerinnen und -bürger privat etwa 90 Tonnen des gelben Metalls in Form von Barren und Münzen – die größte Sechs-Monats-Menge seit dem Krisenjahr 2009.
Etwa 60 Prozent des innerhalb von Europa gehandelten Goldes gingen nach Deutschland – damit ist die Bundesrepublik Spitzenreiter des Kontinents. Weltweit wurde zur gleichen Zeit nur in China noch mehr geliefert. Doch warum ist das eigentlich so? Und taugt Gold tatsächlich als Schutzanlage in stürmischer Zeit oder wird das „magische“ Metall wegen seiner Popularität dann doch zu sehr überschätzt? Ist ein Goldkauf heute ratsam?
Gold ist eigentlich überall
Wissenschaftliche Theorien über die Entstehung des Goldes nehmen an, dass es bereits im Staub enthalten war, aus dem sich unser Sonnensystem formte. Als sich unser Planet entwickelte, war das enthaltene Gold demnach schwerer als andere Elemente und sank tiefer in die Erdkruste, wurde später durch vulkanische Aktivität zum Teil nach oben transportiert oder erreichte die Erde etwa durch Meteoriten. In der Natur kommt es gediegen vor, also als reines Element.
Meist ist es allerdings in Gesteinen eingeschlossen und daher ohne Wissen im Bergbau nicht zu gewinnen. Das berühmte Flussgold aus den Goldgräber-Pfannen dagegen war nach Verwitterungsprozessen des Umgebungsgesteins quasi übrig geblieben und setzt sich wegen seines höheren Gewichts am Grund der Gewässer ab.
Kleine Mengen des Goldes finden sich heute übrigens auf allen Kontinenten, selbst im Meerwasser – jedoch in so minimaler Konzentration (ein paar Milliardstel Gramm pro Liter), dass wir weit von einer rentablen Gewinnungsmethode entfernt sind. Viele Forscher wie der Chemiker Fritz Haber bissen sich an dieser Herausforderung vergeblich die Zähne aus.
Gold als Erzählungsmotiv und fatale Triebfeder
Die ältesten, bekannten Funde menschlich bearbeiteten Goldes stammen von der bulgarischen Schwarzmeerküste (Varna-Kultur) und werden auf das fünfte Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung datiert. Auch in späteren Kulturen spielte das Metall eine wichtige Rolle, etwa als Statussymbol und Grabbeigabe auf dem Weg ins Jenseits oder in den vielen Sagen des Altertums.
Als Motiv kam Gold auch in Erzählungen des europäischen Mittelalters wieder zum Vorschein, wie in der Nibelungensage mit ihrem Burgunderschatz. Faktisch waren die Zuflüsse realen Goldes in Europa während dieser Zeit gering, bezahlt wurde eher mit Silber. Für den Fernhandel, den Kontakt mit dem Orient blieb Gold jedoch weiter sehr bedeutsam – und auch Geschichten über den Goldreichtum des vorkolonialen Afrika machten die Runde.
Das sollte sich an der Schwelle zur Neuzeit als eine Triebfeder der europäischen Expansion erweisen – für die Bevölkerungen Afrikas und auch Südamerikas fatal, denn die Eroberer gingen in ihrer Gier nach dem Metall brutal und rücksichtslos vor, Gold- und Sklavenhandel waren bald nicht mehr zu trennen.
Anker für Währungssysteme
Das 19. Jahrhundert mit der aufkommenden Moderne erwies sich als Zeit der oft konfliktbeladenen Goldräusche, international übernahm Gold seit dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 eine Funktion als Stabilisator von Währungen: Goldwährungen konnten zu festen Wechselkursen getauscht werden, was staatenübergreifenden Handel und Arbeitsteilung beflügelte.
Dieses System wurde später zunehmend aufgeweicht und gebrochen, vor allem durch die Weltkriege, als Regierungen für die Kriegsausgaben mehr Geld benötigten, als sie an Gold zur Verfügung hatten.
1944 wurde mit dem Bretton-Woods-Abkommen erneut eine Ordnung eingeführt, die den US-Dollar an eine Goldmenge band und festgelegte Umtauschkurse zu anderen Währungen vorgab. US-Präsident Richard Nixon kündigte dieses System 1971 formal auf: Wechselkurse auf dem Weltmarkt und Goldpreis sind seither quasi freigegeben.
1980 – der große Hype
Am 21. Januar 1980, einem Montag, schoss der Goldpreis am Londoner Bullion Market auf 850 Dollar pro Feinunze Gold (31,1 Gramm) hoch – als die Beschäftigten am Freitag ins Wochenende gingen, war er wieder auf 663 Dollar gefallen.
Als Auslöser des Blitzanstiegs gilt ein Bündel mehrerer, teils zeitspezifischer Faktoren: Spekulationen auf steigende Goldpreise in der Zukunft, die vorübergehende Einstellung von Goldverkäufen sowohl durch die USA als auch die Sowjetunion – letztere setzte eher auf steigende Öleinnahmen –, der Fall des Verbots von Goldbesitz in mehreren Ländern, der die Nachfrage von Anlegern ebenso antrieb wie der steigende Ölpreis und die resultierende Inflationsangst. Dabei spielten auch die politischen Krisen um die Revolution im Iran und den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan hinein.
Im Kern war der kurzzeitige Hype um das Edelmetall, der sich bald normalisierte, damals nichts weiter als eine Blase, die aber eindrucksvoll bewies – und daher auch unser kursorischer Ausflug in die Geschichte –, dass Gold sich irgendwann zum Objekt der Spekulation entwickelt hatte, mit allen Chancen und Risiken.
Terminhandel legt massiv zu
Es ging, mit anderen Worten, nicht mehr allein um den physischen Besitz der begehrten Barren und Münzen, sondern auf dem sogenannten Futures-Markt wurde quasi mit theoretischen Kaufoptionen für Gold auf dessen Preis in der (nahen) Zukunft gewettet. Wer wollte, erwarb also mit verhältnismäßig geringem Einsatz ein Kaufrecht für Gold zu einem festgelegten Satz innerhalb eines Zeitraums.
Stieg der Goldpreis dann an, konnte sofort Gold eingekauft und mit Gewinn weiterveräußert werden. Es wurden Verträge abgeschlossen, um von Preissprüngen zu profitieren – in diesem „Terminhandel“ wurde nur ein Bruchteil des Goldes physisch ausgeliefert. Seit Ende der Siebziger hatte sich das Volumen dieser Art des Handels an den Terminbörsen in Chicago und New York mehr als verdreifacht.
Goldpreis profitiert nicht zwingend von Inflation
Doch Blasen dieser Art blieben ohne langfristige Auswirkung. Und das liefert Ansätze, um unsere Ausgangsfragen zu beantworten: Der Goldpreis hängt bis heute von einem Knäuel an Ursachen ab.
Nicht allein die Nachfrage ist hier entscheidend: Denn trotz vieler Bestellungen privater Kundinnen und Kunden, die wohl nicht zuletzt nach einem sicheren Parkplatz für ihr Geld angesichts der Inflation suchen, blieb die Explosion beim Goldpreis am Markt 2021 aus – und die müsste man doch erwarten, wenn der eins-zu-eins-Mechanismus „Gold profitiert von der Inflation“ aufgehen würde.
Zinsen und Dollarkurs
Bestimmend sind vor allem steigende Zinserwartungen – Anleger flüchten dann erfahrungsgemäß in Wertpapiere und Aktien statt Gold. Gerade US-Staatsanleihen gelten als besonders gefragt – und wenn, wie zumindest erwartet wird, die Inflationsrate im Lauf des Jahres zurückgeht, steigt der Realzins (Nominalwert abzüglich Inflation) an. Die Folge: Mehr Rendite, Gold wird weniger spannend.
Darüber hinaus kann auch der Dollar zulasten des Goldes gehen: Bekommt man für einen Dollar mehr Geldeinheiten einer anderen Währung („starker Dollar“), verteuert sich der in US-Währung gehandelte Rohstoff aus Sicht eines Käufers außerhalb des Dollar-Raums. Auch das kann die Nachfrage einstampfen.
Orientierung für den kritischen Anleger liefern darüber hinaus die Nachfrage der Industrie und die weltweite Förderung des Goldes. Hier kann man zumindest Anhaltspunkte für den Goldpreis-Trend ableiten – eine Vorhersage kann niemand treffen.
Gold zahlt keine Zinsen
Fest steht: Wer innerhalb der letzten Jahre in Deutschland massiv auf Gold gesetzt hat, konnte die steigende Teuerung damit nicht kompensieren. „Gold zahlt keine Zinsen“ – diese Binsenweisheit ist nur allzu wahr.
Die dennoch ungebrochene Beliebtheit des gelben Elements bei Privatkunden erklären sich Experten vor allem mit einem psychologischen Effekt: Gold ist eben, wie festgestellt, ein wirkmächtiger Mythos, kein anderes Edelmetall ist auch medial derart präsent und beworben wie Gold.
Und es ist oft nicht das rationale Kalkül, sondern Psychologie, die letztlich zu einer Kaufentscheidung führt, nicht nur hier.
Kleine Ehrenrettung zum Schluss
Dabei ist das ja nicht gänzlich falsch: Als kleine Beimischung im Anlage-Portfolio sind Gold und auch Silber und weitere Edelmetalle nämlich kein irrationaler Ansatz, weil sie immer einen Wert haben und sich, anders als Geldscheine, nicht mal eben vermehren lassen. Und wer weiß, wo der Kurs in zehn, zwanzig Jahren steht?
Zeitnah mit Gold eine Traum-Rendite zu erzielen, ist dagegen unwahrscheinlich – auch wenn externe Schocks wie Anfang 2020 das neuartige Coronavirus tatsächlich zu einem Sprung führen können. Und gerade sorgt ja der sich zuspitzende Konflikt zwischen Russland und der Ukraine für neue Verunsicherung – Auswirkungen auf den Goldpreis nicht ausgeschlossen.
Crash-Propheten werben übrigens gern für die Sicherheit des Edelmetalls, wenn der von ihnen erwartete Kollaps des Finanzsystems eintritt.
Dann würde die Stunde des Goldes schlagen, denn als Zahlungsmittel sei es im Extremfall immer akzeptiert. Wobei: Wer möchte eigentlich permanent das schlimmste aller Szenarien vor Augen haben?
„Mythos Gold: Schlechter als sein Ruf?“ erschien erstmals am 28. Januar 2022 in der aktuellen Printausgabe der Leipziger Zeitung (LZ). Unsere Nummer 98 der LZ finden Sie neben Großmärkten und Presseshops unter anderem bei diesen Szenehändlern.
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Keine Kommentare bisher
Hmm, kommt da noch ein Artikel 2 zu Serie ^^
Goldhandel ist politisch. Und ehe man “Bismarck-Münzen” kauft oder/und die AfD im Wahlkampf durch Goldkäufe unterstützt, sollte mensch sich tiefgehender mit dem Thema rechter/marktkapitalistischer, demokratieablehnender Finanzierungen beschäftigen.
“Fincks »Degussa Goldhandel« war laut einer Recherche von »Der Spiegel« auch einer der Hauptlieferanten für den lukrativen Gold-Handel der AfD. Dabei verkaufte die Partei an ihre Anhänger*innen Gold als Krisenwährung und deklarierte den Verkauf als Parteispende. Ob das legal war, ist bis heute umstritten.”
https://www.der-rechte-rand.de/archive/7240/afd-gold-degussa-krall/
Und wer sich dazu ausführlicher informieren möchte, zum Degussa Goldhandel und den marktextremen Absichten und Netzwerken, von Hayek bis “Mövenpick”:
andreaskemper.org/tag/markus-krall/
Wenn da jetzt ein Bannerdrop mit Pro Capitalism und Great Reset Flyer im Stil der Identitären Bewegung am Augustusplatz aufgetaucht sind,
sollte man wissen, dass diese “marktextremen Finanzierer” eng mit der Jungen Alternative in Personalunion mit IB agieren.
Die gelb-schwarzen Symbole bei der AfD sollten wohl bekannt sein.
Allgemein zu AFD, IB und Fußball-“Fans”, speziell der Büroleiter Meuthens im LT von BW dann EU und nun AfD-Fraktion im EU-Parlament:
Zur Person Tomasz Froelich: Rechtsextreme Positionen offenlegen – Solidarität mit antirassistischen Fan-Initiativen!, 10.04.2021
netzwerk-erinnerungsarbeit.de/?p=482
Älterer Artikel zur IB in Leipzig, mancher könnte da inzwischen wohl nach Bautzen, zum Hr. Drews (AfD Finanzierer, Bauunternehmer mit Staatsaufträgen) zurückgezogen sein, würde ich vermuten.
ibster.noblogs.org/mitglieder-der-identitaren-bewegung-leipzig/
Also, für “Gold-Werbung” gibt es Grenzen, wollte ich mal sagen. Zumal auch die Google-Suche hier merkwürdig einseitig erscheint.