Am Donnerstag, 28. Oktober, veröffentlichte das sächsische Landesamt für Statistik seine neuesten Zahlen zur Inflation in Sachsen. Das Ergebnis war natürlich nicht überraschend. „Energiepreise bestimmen sächsischen Verbraucherpreisindex“, titelten die sächsischen Landesstatistiker. Aber wie das so ist mit den deutschen Verbraucherstatistiken: Sie leisten keine Ursachenforschung, sondern zeigen nur das Ergebnis. Und Wladimir Putin ist an den rasant steigenden Energiepreisen nicht wirklich schuld, auch wenn das deutsche Medien nur zu gern unterstellen.

So wie der „Spiegel“ am 27. Oktober, als er auf Agenturmeldungen basierend schrieb: „Der Kremlchef hatte zuletzt immer wieder auf bereits erfolgte Lieferungen über die vertraglich vereinbarten Mengen hinaus hingewiesen, weitere Schritte aber für schwierig gehalten. Zudem hatte er angesichts der Rekordgaspreise mehrfach für eine schnelle Inbetriebnahme der umstrittenen Ostseepipeline Nord Stream 2 geworben. Kritiker von Gazprom vermuteten zuletzt, dass der Konzern nicht auf die erhöhte europäische Nachfrage reagiere, um eine rasche Inbetriebnahme der Pipeline zu erzwingen. Die russische Seite hatte solche Anschuldigungen zurückgewiesen.“Dass es weder um Putin noch Gazprom noch die Macht Russlands geht, die Energiepreise zu diktieren, hatte ebenso der „Spiegel“ schon gemeldet, auch am 27. Oktober. Denn sämtliche Einfuhrpreise für Energie sind gegenüber dem Oktober 2020 um 17,7 Prozent gestiegen. Bei Gas nur am stärksten.

„Der starke Anstieg der Importpreise geht vor allem auf die Entwicklung bei Energie zurück: Deren Einfuhr verteuerte sich um 107,1 Prozent im Vergleich zum September 2020. Bei Erdgas fiel der Preisaufschlag dabei mit 170,6 Prozent besonders stark aus, bei Erdöl gab es ein Plus von 75,5 Prozent. Für importierte Steinkohle wurde 135,7 Prozent mehr verlangt. Ohne Berücksichtigung der Energie stiegen die Einfuhrpreise nur um 10,1 Prozent“, konnte man da lesen.

Wenn die Nachfrage das Angebot deutlich übersteigt

Dass Erdgas besonders starke Preisanstiege erlebte, hängt natürlich mit der gestiegenen Nachfrage zusammen, die nach dem Ende der meisten Corona-Einschränkungen weltweit anzog. Auch Russland kann auf dem Markt nur Gaspreise durchsetzen, wenn die Lieferungen aus anderen Ländern nicht billiger sind. 2020 hatte Russland zum Beispiel einen Anteil von 55 Prozent am deutschen Gasmarkt, gefolgt von Norwegen mit fast 31 Prozent und den Niederlanden von knapp 13 Prozent. Und das ist nur die Belieferung über Pipelines.

Dazu kommen noch die Lieferungen von Flüssiggas mit entsprechenden Tankschiffen aus dem Nahen Osten und den USA. Im ersten Corona-Jahr gab es da einen regelrechten Stau, die Tanker konnten nicht entladen werden, weil die Tanklager voll waren. Auch deshalb machten die USA massiv Politik gegen die Inbetriebnahme von Nord Stream 2. Sie wollten selber ihr Flüssiggas in Europa losschlagen.

Auf der Homepage von WinGas kann man so eine Grafik sehen, wie sich die Lieferungen von Erdgas nach Deutschland aufteilen. Da hat Russland dann nur noch 40 Prozent Anteil, während in den Niederlanden, wo das Flüssiggas in der Regel angelandet wird, der Anteil auf 29 Prozent steigt.

Aber das erklärt natürlich noch nicht den starken Preisanstieg für alle Brennstoffe.

Energieimporte verteuern heimischen Energieverbrauch

Kommen wir also zu den Verbrauchern.

„Nachdem im September die Verbraucherpreise für Waren und Dienstleistungen in Sachsen innerhalb der Jahresfrist bereits um 4,1 Prozent gestiegen waren, erreichte die Jahresteuerungsrate im Oktober aller Voraussicht nach 4,5 Prozent. Dominiert wurde diese aktuelle Entwicklung durch die anhaltenden Preiserhöhungen auf dem Energiemarkt (19,4 Prozent)“, berichtet das Statistische Landesamt.

„Beim Start in die diesjährige Heizperiode mussten sich Verbraucher auf deutlich höhere Heizkosten einstellen. So stieg der Heizölpreis um 103,5 Prozent und die Befüllung des Flüssiggastanks kostete 68,5 Prozent mehr als noch vor einem Jahr. Neue Preise für den Bezug von Fernwärme (14,1 Prozent) oder Erdgas (8,0 Prozent) sorgten dafür, dass im Vergleich zum Vorjahr auch hierfür mehr finanzielle Mittel eingeplant werden mussten. Bei festen Brennstoffen (-0,7 Prozent) gab es zwar bei Kohlebriketts (5,4 Prozent) eine Preissteigerung, während Brennholz und Holzpellets (-1,5 Prozent) günstiger als vor einem Jahr angeboten wurden.“

Und auch an den Zapfsäulen merkt man den Anstieg der internationalen Energiepreise: „Die Kraftstoffpreise lagen im Oktober 34,5 Prozent über denen des Vorjahres. Bei der aktuellen Bewertung der Jahresteuerungsraten ist neben dem Effekt der temporären Mehrwertsteuersenkung im 2. Halbjahr 2020 besonders im Energiebereich die seit Januar 2021 eingeführte CO2-Bepreisung für Mineralölprodukte zu berücksichtigen. Diese wirkte sich in erster Linie bei Kraftstoffen und Heizenergie zusätzlich preiserhöhend aus.“

Wenn die Förderung nicht mehr steigerbar ist

Man muss den russischen Staatspräsidenten nicht verteidigen. Und gut möglich ist, dass er aus dem Preisanstieg durchaus auch geldwerte Vorteile für Russland herausschlagen möchte.

Aber er hat den Preisanstieg nicht ins Rollen gebracht. Das war schlichtweg das weltweite Anlaufen der während der Corona-Pandemie in großen Teilen stillgelegten Wirtschaft. Das hat die Nachfrage erhöht. Und es hat etwas ans Licht gebracht, was die erdöltrunkene Wirtschaftselite seit Jahren nur zu gern unterdrückt und ignoriert hat, wovor aber der Club of Rome schon 1971 gewarnt hat. Denn sämtliche fossilen Lagerstätten sind endlich.

100-prozentig ausbeuten können wir sie sowieso nicht. Schon in den 1990er Jahren deutete sich an, dass das Auffinden und Ausbeuten großer Lagerstätten immer schwerer und teurer wurde. Zwar setzen die Energiekonzerne immer gewagtere Fördermethoden ein, um an das wertvolle Erdöl und Erdgas zu kommen. Die USA entfesselten einen regelrechten Fracking-Boom, mit dem sie vor allem die Gaspreise für zehn Jahre regelrecht in den Keller schickten. Doch selbst dieser Boom verläuft sich. Die weltweite Erdgasförderung ist praktisch nicht mehr steigerbar. Schon gar nicht kurzfristig.

Beim Erdöl erwarteten die Wissenschaftler schon um das Jahr 2010 einen Peak Oil, als ein Ende der jährlich steigenden Fördermengen. Es sieht ganz so aus, als sei dieser Peak tatsächlich erreicht. Auch die Erdölförderer können nicht einfach mehr „Schwarzes Gold“ aus dem Boden sprudeln lassen, wenn die Nachfrage nicht mehr zu befriedigen ist.

Und wie man auch auf Wikipedia nachlesen kann, erwarteten einige Forscher schon kurz nach dem Peak Oil auch den Peak Gas, also ein Ende der Steigerung der Fördermengen. Und zwar in mindestens zwei Fällen für das Jahr 2020.

Ende des Förderwachstums

Und es sieht ganz so aus, als hätten die Forscher recht behalten und im Schatten von Corona hätte die Menschheit jetzt beide Peaks erreicht, also die Maximalmengen der Förderung von Erdöl und Erdgas. Was logischerweise bei einer immer weiter steigenden Nachfrage sofort Lieferengpässe bedeutet. Die Preise ziehen an. Da spielt nicht einmal eine Rolle, ob in einem winzigen Land wie Großbritannien mal die Belieferung der Tankstellen nicht funktioniert.

Alles Zeichen dafür, dass sich die großen Industrienationen mit ihrer Verweigerung der Energiewende selbst in den Fuß geschossen haben. Denn sie sind alle nicht darauf vorbereitet, jetzt den Schalter umzulegen. Außer Norwegen vielleicht, das bis 2025 alles auf Strom umstellen will, wie ebenfalls der „Spiegel“ am 27. Oktober berichtete.

Selbst wenn der tatsächliche Peak Gas erst 2035 eintreten sollte – möglicherweise nach einem langen Plateau wie beim Erdöl – bedeutet das nichts Gutes für die Energiepreise. Der Weltgemeinschaft ist es schlicht nicht gelungen, die Nachfrage zu bremsen oder den Energieverbrauch gar zu senken. Obwohl alle wussten, dass die Förderung von Öl und Gas schon in naher Zukunft ihre Grenzen findet.

Aber man hat lieber weiter auf ungebremstes Wachstum gesetzt, statt die wertvollen Jahre vor dem Peak dafür zu nutzen, auf alternative Energieerzeugung umzusteuern. Eigentlich ein schönes Beispiel dafür, wie der viel beschworene „Markt“ versagt, wenn es drauf ankommt. Er kann keine Knappheiten antizipieren. Und aufs Klima nimmt er erst recht keine Rücksicht, wenn das nicht von Anfang an als Emissionsabgabe mit eingepreist wird.

Wir sind spät dran. Jetzt steht es auch auf der Energierechnung.

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Es gibt 3 Kommentare

Hier als Verweis ein entsprechender Tageschau-Bericht vom September: “Auch die Bundesregierung bestätigt, dass der geltende Gasliefervertrag eingehalten werde. Unabhängigen Experten zufolge hat Gazprom 40 Prozent mehr Gas geliefert als im Vorjahreszeitraum. Russisches Gas sei aktuell sogar günstiger als Gas auf dem Spotmarkt, sagt Oliver Hermes, Vorstandschef des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft.”

Der Link: https://www.tagesschau.de/ausland/asien/russland-gas-103.html

2 Gas-Gedanken-Fragen dazu:

* Wenn also Herr Putin ausreichend und vertragsgemäß Gas geliefert hat, dann benötigen wir Nordstream2 gar nicht, weil ja auch ohne die zusätzliche Pipeline alles ordnungsgemäß transportiert werden konnte.

* Wenn ausreichend und vertragsgemäß Gas geliefert wurde, und wir haben jetzt (noch im Spätsommer, nicht mal kalter Winter) ein Problem, dann haben wir
– entweder zu wenig Gas bestellt (Wer ist ist hier in der Verantwortung?) oder
– es wurde doch zu wenig geliefert oder
– wir verbrauchen noch mehr als vor Corona.
Denn wenn wir jetzt die Gasspeicher schon bräuchten, dann würden uns diese im Winter auch nicht mehr helfen.
Ich tippe ja auf Möglichkeit Nr. 1, aber weiß es wer vielleicht genau?

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