Dem Tag der Arbeit folgt – welch eine Überraschung – der Tag der überlasteten Erde. Was eher Zufall ist. Denn in den vergangenen Jahren lag der Tag der deutschen Erdüberlastung meist vor dem 1. Mai – zuletzt auf dem 24. April. Aber dass er jetzt fast eine Woche später stattfindet, ist kein Zeichen für eine wirkliche Verbesserung, betont Germanwatch, das die Daten zum deutschen Erdüberlastungstag aufbereitet hat.
Der Überlastungstag ist natürlich nur ein Rechenergebnis. In diesem Fall: Wie viele Erden würde man eigentlich brauchen, wenn alle Menschen so viele Ressourcen verbrauchen würden wie die Deutschen? Und an welchem Tag wären – rein rechnerisch – diese natürlichen Ressourcen erschöpft?
Die Deutschen leben so verschwenderisch, dass wir eigentlich drei Erden bräuchten, wenn alle Menschen einen derart verantwortungslosen Lebensstil pflegen würden.
Der globale Überlastungstag liegt etwas später im Jahr. Denn zum Glück verbraucht eine Mehrheit der Erdbevölkerung nicht so viele Ressourcen wie die Deutschen oder gar die US-Amerikaner, deren Lebensstil fünf Erden bräuchte, wenn alle so leben würden.
Aber da mittlerweile auch Länder wie China ihren Ressourcenverbrauch massiv gesteigert haben, verbraucht die Erdbevölkerung insgesamt eben doch jedes Jahr Ressourcen, die eigentlich für 1,7 Jahre reichen müssten.
Das Rechnen mit Erden ist zwar schön anschaulich. Aber die Wahrheit liegt eigentlich im Zeitfaktor: Wir verfressen die Ressourcen unserer Kinder und Enkel.
Wir verfressen sie, weil unter anderem unser riesiger Fleischverzehr gigantische Landflächen in Anspruch nimmt, die nicht in Deutschland liegen. Und wir verfeuern sie. Denn unser gewaltigster Ressourcenvernichter ist unsere Energieverschwendung auf Basis fossiler Brennstoffe.
„In Deutschland tragen vor allem die hohen CO2-Emissionen in den Bereichen Energie, Verkehr und industrielle Landwirtschaft und der große Flächenbedarf – insbesondere für den Anbau von Futtermitteln für die Fleischproduktion – zur Überlastung der Erde bei“, benennt Germanwatch das Problem.
„Auch die versiegelte Fläche in Deutschland wächst. Von 1992 bis 2015 nahm die versiegelte Fläche um mehr als 20 Prozent zu. Die Bodenversiegelung verursacht Konflikte mit anderen Flächennutzungsansprüchen, etwa für die landwirtschaftliche Produktion und unserem Bedarf an Waldflächen, schadet den Böden und begünstigt Hochwasser.“
Alles Themen, die L-IZ-Leser seit Jahren begleiten. Und die in den verantwortlichen Ministerien einfach auf Ignoranz und taube Ohren stoßen.
Erst jetzt scheint sich in Sachen Kohleausstieg so langsam etwas zu tun. Viel zu lange haben beratungsresistente Landesregierungen und Gewerkschaften gebremst und die Weiterexistenz einer massiv umweltschädigenden Branche als Druckmittel verwendet.
Bei der Energie ist es leider so, dass die Endnutzer nicht sehen, wie sie selbst für den enormen Ressourcenverbrauch sorgen. Der Strom aus der Steckdose verrät nicht, wo er herkommt. Und die paar Liter Diesel im Tank verflüchtigen sich ja in der Luft. Man riecht zwar manchmal, was da verbrannt wird, aber man sieht es nicht. Dass der Akt des bequemen Fahrens den Rohstoff Erdöl verzehrt und gleichzeitig die Atmosphäre mit immer mehr hochschädlichen Schadstoffen auflädt, vergisst sich beim gemütlichen Fahren irgendwie.
Aber die Wahrheit ist eben auch: Die Menschheit kann sich nicht leisten, jedes Jahr die kompletten Ressourcen für drei Jahre aufzubrauchen. Viele dieser Gedankenlosigkeiten akkumulieren sich und sorgen dafür, dass Millionen Menschen anderswo die Lebensgrundlagen entzogen werden.
Der Klimawandel ist direkte Folge dieses Raubbaus an der Umwelt. Und er sorgt wieder dafür, dass weltweit Böden zerstört werden, Trinkwassermangel entsteht, Küsten vom Meer gefressen werden. Gleichzeitig sorgt der Hunger der riesigen Flotten dafür, dass die Fischbestände massiv zurückgehen. Urwälder werden gerodet, um europäische Importbedürfnisse zu stillen.
Und so werden auch diese direkten Folgen von Klimawandel und Raubbau zu Fluchtursachen. Millionen Menschen müssen ihre Heimat verlassen, weil sie dort keine Existenzgrundlage mehr haben. Und gleichzeitig werden die Klimafolgen auch wieder zu Kriegsgründen. Und Kriege lösen neue Fluchtbewegungen aus.
Ein Thema, das die grüne Europaabgeordnete Ska Keller jetzt mit einer Weltkarte der Fluchtursachen aufgreift. Die Karte kann sich jeder auf der Homepage der Europaabgeordneten herunterladen. Auch zum Nachdenken darüber, was eigentlich Menschen zu Millionen zur Flucht treibt. Denn die meisten würden gern da wohnen bleiben, wo sie geboren wurden.
„Anstatt Flüchtlinge zu bekämpfen, müssen wir konsequent die Ursachen von Flucht und unfreiwilliger Migration angehen. Fluchtursachen bekämpfen bedeutet, die Bedingungen zu schaffen, die es Menschen ermöglicht, in ihrem Land zu bleiben, weil sie es wollen. Fluchtursachenbekämpfung richtet sich nicht gegen Flüchtlinge, sondern verfolgt eine Politik, die niemanden dazu zwingt zu fliehen“, geht Ska Keller auf das politische Versagen der westlichen Regierungen ein, die viel zu wenig gegen den großen Raubbau an unserer Erde unternehmen, aber Flüchtlinge behandeln wie Störenfriede.
Mit der Weltkarte der Fluchtursachen wird anhand der Beispiele Krieg, Klimawandel, Menschenrechte, Ungleichheit und Armut veranschaulicht, warum Menschen fliehen müssen.
„Gleichzeitig zeigt die Karte auch, wo wir anpacken müssen und was verändert werden muss, damit niemand mehr fliehen muss“, schreibt Ska Keller.
Denn so richtig ist die Botschaft in den Köpfen der Deutschen noch nicht angekommen, wie stark sie davon leben, dass andere Länder ihre Ressourcen für unseren Lebensstandard zur Verfügung stellen. Wer aber vom Tisch der anderen speist, der ist auch verantwortlich für das, was dort an klimatischen und Umweltfolgen entsteht.
Diese Verantwortung lässt die deutsche Regierungspolitik genauso vermissen wie die europäische oder die der USA. Unser Denken muss sich ändern. Für blinde Verschwendungssucht ist unser Planet zu klein.
Ska Keller würde sich freuen, wenn mehr Menschen die Karte der Fluchtursachen bestellen. „Ich freue mich, wenn mit Hilfe dieser Karte die Debatte über Fluchtursachen in die Gesellschaft getragen wird“, sagt sie.
Denn eigentlich sind wir längst an der Schwelle, planetarisch denken zu müssen – nicht nur global, wie es die Verfechter des unbeschränkten Freihandels nennen. Denn sie vergessen meist, dass freier Handel eigentlich auch Verantwortung bedeutet – globale Verantwortung für all das, was unsere Lebensart dem Planeten, den anderen Ländern und den kommenden Generationen zumutet.
Die Karte kann von Bildungseinrichtungen, politischen Gruppen, Jugendzentren, Vereinen und allen, die sie für ihre politische Bildungsarbeit nutzen wollen, per E-Mail bestellt werden – einfach an das Büro von Ska Keller ska.keller@ep.europa.e schreiben.
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