War der vorletzte Stadtrat zu misstrauisch? Wahrscheinlich nicht. Denn als er beschloss, dass die Verwaltung und die Kommunalunternehmen möglichst nur noch elektrische Fahrzeuge anschaffen dürfen, war die Entwicklung auf dem Markt der E-Fahrzeuge noch nicht abzusehen. Wollte ein städtisches Unternehmen dennoch ein Dieselfahrzeug kaufen, musste ein Sonderantrag für die Ratsversammlung gestellt werden. So wie am 19. September für einen Tiertransporter für das Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamt.

Die Vorlage der Stadt ist sehr umfangreich und beschreibt detailliert, warum es derzeit immer noch schwer ist, für solche speziellen Bedarfe geeignete Elektrofahrzeuge zu bekommen. Gerade der Markt der Nutzfahrzeuge hat sich noch nicht umgestellt und viele Spezialfahrzeuge gibt es nach wie vor nur in der Verbrennervariante.

Ein Thema, das aus oben beschriebenem Grund die Ratsversammlung in der jüngeren Vergangenheit mehrfach beschäftigt hat. Meist mit dem Ergebnis, dass die Ratsversammlung dem Ansinnen zustimmte, dann doch ein Verbrennerfahrzeug anzuschaffen.

Aber manche Vorgänge machten eben auch deutlich, dass einige kommunale Geschäftsleitungen einfach gedankenlos ihre alte Bestellpraxis beibehalten hatten und munter weiter Dieselautos bestellten, obwohl gleichwertige E-Autos am Markt zur Verfügung standen.

Eine Frage des Vertrauens

Aber darum ging es Falk Dossin gar nicht, als er am 19. September in der Ratsversammlung den Änderungsantrag der CDU-Fraktion vorstellte, die Genehmigungspraxis in einem wesentlichen Punkt zu ändern: Nicht mehr jede einzelne Genehmigung sollte zur Beschlussfassung die Ratsfraktionen beschäftigen, was auch für die Stadträte zusätzliche Arbeit bedeutet.

Denn inzwischen hat auch die Stadtverwaltung gelernt, wie man mit dem Thema umgehen muss. Und das bestätigte auch Oberbürgermeister Burkhard Jung. Gerade die Vorlage aus dem Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamt habe er zwei Mal zurückgehen lassen, weil sie schlicht nicht die Anforderungen der Stadt erfüllte. Denn inzwischen hat sich auch in der Verwaltung eine gewisse Kontrollkompetenz ausgebildet: Man will auch dort – wo es eben geht – den Wechsel zur Elektromobilität.

Am Ende gab es dann die sehr ausführliche Vorlage aus dem Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamt, die dann wirklich im Detail erklärt, warum es diesmal noch ein Verbrenner sein muss, obwohl es eigentlich Elektro-Laster in der entsprechenden Tonnage gibt.

Wenn Reichweiten noch nicht reichen

Weil man selbst dabei noch etwas lernt, hier die wichtigsten Passagen, die das Ausweichen auf einen Diesel-Lkw begründen:

„Die Recherche zeigte zudem, dass ein für das VLA geeignetes Transportfahrzeug mit Elektroantrieb sowie mit den notwendigen Umbauten Kosten in Höhe von circa 65.000 Euro verursacht. Dessen Reichweite wird nach den erforderlichen Umbauten mit weniger als 200 km angegeben. Für jeden üblichen Ladevorgang seien grundsätzlich sieben Stunden einzuplanen.

Nach einer weiteren Abfrage erhielt das Amt für Digitalisierung und Organisation im Juni 2024 ein Angebot für ein Fahrzeug mit elektrischem Antrieb (Anlage 1) inklusive einem Angebot für die im Fahrzeug erforderlichen Umbauten (Anlage 2). Die angebotene Ausstattung für das Fahrzeug entspricht den Vorgaben des VLA. Der Ausbau des Fahrzeugs soll sich laut Angebot nicht unmittelbar auf die Reichweite des Elektrofahrzeuges auswirken.

Problematisch ist die Reichweite des Fahrzeugs dennoch, welche laut Hersteller nun mindestens 200 km beträgt. Die Herstellerangabe bezieht sich auf ein leeres Fahrzeug ohne Nutzung von Kühlung oder Heizung in der Fahrerkabine oder anderen elektrischen Verbrauchern. Demzufolge verringert sich die Reichweite des Fahrzeugs bei zwei bis drei Personen in der Fahrerkabine und Mitnahme von erforderlichem Material bereits zu Beginn der Fahrt.

Die Kosten für das angebotene Fahrzeug liegen bei 71.000 Euro. Für den erforderlichen Ausbau des Fahrzeuginnenraums werden noch einmal ca. 21.400 Euro zusätzlich benötigt. Insgesamt wären für das Fahrzeug dann Kosten in Höhe von ca. 92.400 Euro aufzuwenden, was in Bezug zu den eingeplanten finanziellen Mitteln einen Mehrbedarf in Höhe von 17.400 Euro nur für das Fahrzeug bedeutet.

Die Lieferzeit für das angebotene Fahrzeug beträgt ca. 35 Wochen (Anlage 1). Zudem werden weitere ca. zehn Wochen für den Ausbau benötigt (Anlage 2). Das hieße, das elektrisch betriebene Fahrzeug stünde in knapp einem Jahr zur Verfügung.

Die langen Lieferzeiten stellen das VLA insofern vor Herausforderungen, als dass das derzeit für Tiertransporte genutzte Fahrzeug häufig repariert werden muss. Die jüngsten Erfahrungen mit einem Verschleiß bedingten Ausfall des Fahrzeugs über acht Wochen zeigten, dass der Stadtverwaltung kein vergleichbar geeignetes Fahrzeug zur Verfügung steht. Es ist zu erwarten, dass der jetzt zu ersetzende Tiertransporter die Zeit bis zur Lieferung des neuen Elektrofahrzeugs nicht durchstehen wird.

Zudem ist die im Angebot für das zu beschaffende Fahrzeug angegebene Reichweite von mindestens 200 km vergleichbar mit der Reichweite des Elektrofahrzeugs, was sich aktuell bereits in Nutzung durch das VLA befindet. Die Erfahrung der Praxis zeigt, dass diese Reichweite nicht ausreicht, um die Tierrettung in der jetzigen Form durchzuführen.“

Das ist im Grunde die Begründung, die sich die vorletzte Ratsversammlung auch gewünscht hat.

Einmal im Jahr ein Umsetzungsbericht

Worauf Falk Dossin hinauswollte, war das Thema Vertrauen. Denn wenn der Stadtrat der Verwaltung darin vertraut, dass sie genau diese Forderungen auch an ihre Kommunalbetriebe stellt und sich genau begründen lässt, warum es doch noch einmal ein Verbrenner sein muss, dann müssen sich damit nicht auch noch diverse Ausschüsse und die Ratsversammlung beschäftigen. Dann muss man der Stadt vertrauen, dass sie ganz im Sinn des Stadtratsauftrags handelt.

Und so beantragte die CDU-Fraktion: „In Zukunft wird das Resultat der internen Notwendigkeitsprüfung/Abwägungsprozesses eines Fahrzeuges mit Verbrennermotor durch die Verwaltung und Eigenbetriebe eigenständig umgesetzt. Dem Stadtrat wird einmal jährlich berichtet.“

Womit dann auch dem wahrscheinlich dennoch bestehenden Misstrauen einiger Ratsfraktionen genügt wird, regelmäßig über den Stand der Elektrifizierung im Fahrzeugpark der Stadt informiert zu werden – auch über die Ausnahmegenehmigungen und ihre Begründung.

Die Argumentation – die dann auch Falk Dossin am Rednerpult ohne schriftliche Vorlage in etwa wiederholte: „In letzter Zeit lässt sich aus den Vorlagen für jegliche Ausnahmegenehmigungen deutlich ablesen, dass die Abwägungsprozesse mit großer Sorgfalt und Genauigkeit von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung absolviert werden.

Dadurch, und dass auch keine dieser Ausnahmegenehmigungen bisher vom Stadtrat abgelehnt wurde, erscheinen diese Vorlagen zunehmend als Farce, unnötiger Aufwand und überbordend bürokratisch.  An dieser Stelle ist es sinnvoll, der Verwaltung einen Vertrauensvorsprung zuzugestehen und auf einen Beschluss im Stadtrat zukünftig zu verzichten, um die Verwaltung zu entlasten und sich die Kosten für den überflüssigen Aufwand zu sparen.“

Ein Vorstoß, den auch OBM Burkhard Jung begrüßte, denn das würde auch die Verwaltung von einem Stück Bürokratie entlasten.

Das Ergebnis der Abstimmung dürfte nicht nur Falk Dossin gefreut haben: Mit einer Mehrheit von 35:26 Stimmen folgte die Ratsversammlung dem Vorstoß der CDU-Fraktion.

Die Abstimmung zur Vorlage des Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamtes war dann eigentlich nur noch Formsache, denn ein Bestellen und Umbauen eines E-Fahrzeugs hätte auch noch zusätzliche Finanzmittel gebunden und die Arbeit des Amtes sogar beeinträchtigt. Da ist der E-Lkw-Markt ganz offensichtlich noch nicht so weit, wie sich das die Stadträte vor sieben Jahren noch wünschen durften. Und die Hoffnung wurde ja auch am 19. September deutlich, dass bei der nächsten Beschaffung eines neuen Tiertransporters dann ein ernst zu nehmendes Angebot auf dem Markt zu finden ist.

Die Vorlage aus dem Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamtes wurde einstimmig genehmigt.

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