Viele Lösungen für den Radverkehr in Leipzig sind nur halbherzig, irgendwie eingeflochten in die Spuren für den motorisierten Verkehr, oft schlecht einsehbar. Lösungen, die auch davon erzählen, dass die deutsche StVO keinen Vorrang für schwächere Verkehrsteilnehmer vorsieht und motorisierte Verkehre immer bevorzugt. Ein Bundesverkehrsminister nach dem anderen kneift. Und so werden halbherzige Lösungen wie am Wilhelm-Leuschner-Platz zur Gefahrenstelle. Wie kann das sein, will die Linksfraktion im Stadtrat wissen.
Denn das Drama, das am 4. Juli auf der Fahrradweiche am Wilhelm-Leuschner-Platz zum Tod einer 33-jährigen Radfahrerin führte, ist für Leipzig nicht neu. Immer wieder kamen Radfahrer und Radfahrerinnen in den vergangenen Jahren an solchen unübersichtlichen Stellen ums Leben. Oft waren Lkw daran beteiligt, deren Fahrer hinterher verzweifelten, weil sie die Radfahrer im toten Winkel übersehen haben.
Und auch die jährlichen Umfragen de ADFC schreiben es der Leipziger Verwaltung immer wieder ins Hausaufgabenheft, dass sich die Radfahrer/-innen in der Stadt unsicher fühlen. Und das nicht zu Unrecht, wie all diese Unfälle zeigen. Das Radwegenetz ist nicht sicher. Und viele Leipziger/-innen verzichten deswegen ganz aufs Radfahren oder nutzen nur Wege, die möglichst die Hauptstraßen der Stadt nicht tangieren.
Das darf nicht mehr passieren …
„Immer wieder kam es in den letzten Jahren zu tragischen Unfällen zwischen Radfahrenden und Lastkraftwagen. Erst vor wenigen Tagen erschütterte der Tod einer jungen Radfahrerin infolge eines Unfalls auf dem Peterssteinweg die Stadt. Es muss alles dafür getan werden, die Sicherheit auf Leipzigs Straßen zu erhöhen, sodass solche schrecklichen Vorfälle nicht mehr passieren“, fordert deshalb die Linksfraktion im Leipziger Stadtrat.
Franziska Riekewald, Sprecherin für Mobilität der Fraktion Die Linke im Leipziger Stadtrat, geht dabei auch besonders auf das Thema der bekannten Unfallschwerpunkte in der Stadt ein: „Für den letzten Berichtszeitraum 2022 wurden durch die Verkehrsunfallkommission fast 20 Einmündungen und Knotenpunkte in Leipzig als Unfallschwerpunkte festgestellt. Auch die Stelle am Peterssteinweg wird in der Liste aufgeführt.“
Anmerkung der Redaktion: Nach einem Leserhinweis müssen wir an dieser Stelle korrigieren. Als Unfallschwerpunkt weist die Stadt den Peterssteinweg / Ecke Härtelstaße aus, nicht die Fahrradweiche am Wilhelm-Leuschner-Platz. So listet es auch die Linksfraktion selbst auf ihrer Website auf.
Trotzdem hat die Stadt am Wilhelm-Leuschner-Platz zu lange gewartet, wenigstens eine Vorsichtsmaßnahme zu treffen wie die am Mittwoch, dem 10. Juli, erfolgte Roteinfärbung der Fahrradweiche.
Die Linksfraktion hat jetzt eine Anfrage eingereicht, mit der sie von der Verwaltung erfahren will: „Was wurde bisher getan, um die genannten Unfallschwerpunkte für Radfahrende und Zufußgehende sicherer zu gestalten? Welche Maßnahmen befinden sich in der Planung und wie viele Mittel – finanziell sowie personell – müssten dafür im nächsten Doppelhaushalt 2024/25 eingestellt werden? Welche Maßnahmen werden darüber hinaus von der Verwaltung ergriffen, um präventiv die Verkehrsorganisation so anzupassen, dass solche Unfallschwerpunkte gar nicht erst entstehen?“
Unauffälliges Unfallgeschehen?
Parallel kündigte das Verkehrs- und Tiefbauamt (VTA) an, dass es einen Teil der Forderungen schon aus eigener Initiative abarbeitet. In Absprache mit der Polizeidirektion will das Amt in den kommenden Wochen und Monaten alle Fahrradweichen in Leipzig analysieren und prüfen, ob hier ein ähnliches Vorgehen geboten ist. Eine mögliche Rotfärbung könne gegebenenfalls kurzfristig angeordnet werden.
Derzeit wird an 25 Stellen im Stadtgebiet der Radverkehr in Mittellage geführt, bestätigt das VTA – so etwa in der östlichen Zufahrt am Chausseehaus, an der Kreuzung Essener Straße/Maximilianallee oder in der östlichen Zufahrt der Kreuzung Wurzener Straße/Breite Straße. „Das Unfallgeschehen an diesen Verkehrsanlagen wird derzeit als unauffällig wahrgenommen, merkt das VTA an. Aktuell sei nicht vorgesehen, an weiteren Stellen im Stadtgebiet Fahrradweichen anzuordnen.“
Da war im VTA garantiert mehr als ein Mitarbeiter selbst zutiefst erschrocken, hat doch das Amt seit 2012 mit dem Radverkehrsentwicklungsplan genau diese Aufgabe, die gefährlichen Stellen im Radnetz zu beseitigen und Radfahren endlich sicherer zu machen. Dumm nur, dass die überlaute Kritik der Autofahrer-Lobby diesen Plan ausgehebelt hat und das ganze Programm für zehn Jahre fast auf Eis gelegt hat.
Während der Anteil des Radverkehrs am Leipziger Modal Split permanent zunahm. Was wir hier jetzt ohne Zahlen stehen lassen, denn die letzte Auswertung zum Modal Split gab es im Jahr 2018. Mit sechs Jahre alten Daten aber kann man keine Verkehrsplanung betreiben.
Und so wird auch Franziska Riekewald deutlich, wenn sie sagt: „Es braucht aktive Veränderungen, um die Sicherheit für die schwächsten Verkehrsteilnehmerinnen und –teilnehmer im Straßenverkehr zu garantieren. Dazu gehört beispielsweise auch die Reduzierung auf Tempo 30 an Hauptverkehrsstraßen und der starke Fokus auf verpflichtende Abbiegeassistenten in Lastkraftwagen. Mit der entsprechenden Forderung eines Verbots für die Einfuhr von Lkws ohne Abbiegeassistenten wurde unsere Fraktion in 2021 allerdings mit der Verantwortung des Bundes vertröstet.“
Tatsächlich wird in Leipzig – nach einigen ebenso tragischen Unfälle mit Lkw-Beteiligung – seit 2019 über Abbiegeassistenten diskutiert. Wer auf eine wirklich belastbare Initiative von Bundesverkehrsministern wartet, die dann auch von den Verkehrsministern der Länder abgenickt wird, der ist verlassen. Und riskiert genau das, wovon die zunehmenden „Geisterfahrräder“ in Leipzig erzählen.
„Wir müssen JETZT handeln und dafür sorgen, dass nicht weitere Menschen Opfer tragischer Unfälle werden, die hätten vermieden werden können!“, fordert Riekewald.
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