Das war dann auch für Leipzigs Verwaltung ein kleiner Schock, als 2020 die neuen Ergebnisse des BYPAD-Verfahrens für Leipzig veröffentlicht wurden. In diesem Bicycle Policy Audit (BYPAD) wird ermittelt, wo die Radverkehrspolitik einer Stadt tatsächlich steht. Und der kleine Schock: Seit der letzten Erhebung 2015 hatte Leipzig deutlich an Punkten eingebüßt. Die größten Probleme: Sicherheit und Infrastruktur.

Und damit ging es eben nicht nur um ein gefühltes Radfahrklima, sondern um ganz reale Radwege und ihren Zustand. Und ein Versagen der Stadt, die das Thema über Jahre einfach ausgesessen hat, obwohl jede Bürgerumfrage bestätigte, dass immer mehr Leipziger mit dem Rad unterwegs sind.

Was einerseits bedeutet, dass mehr gut ausgebaute Radwege gebraucht werden. Andererseits merken mehr Radfahrende, wo es im Leipziger Radwegenetz klemmt.

Die Leipziger Punktezahl im BYPAD war von 2,7 auf 2,2 Punkte abgerutscht bei 4 möglichen Punkten.
Und es war ja nicht so, dass einzelne Ratsfraktionen nicht Haushalt für Haushalt mehr Geld für den Radverkehr gefordert hatten. Aber das floss tatsächlich erst, als 2021 das erste Aktionsprogramm Radverkehr aufgelegt wurde.

Und so bestätigt es auch das Verkehrs- und Tiefbauamt (VTA) jetzt in seiner Vorlage zum zweiten Aktionsprogramm: „Eine unzureichende Bewertung der Radverkehrsförderung im BYPAD-Verfahren 2019/20 sowie die Notwendigkeit der Stärkung des Umweltverbunds führten zu einem besonderen Aktionsprogramm für den Radverkehr im Doppelhaushalt 2021/22. Mit dem damaligen Beschluss (VII-DS-00547-NF-01-DS-03) wurde auch die Konzipierung eines zweijährigen Folgeprogramms festgelegt. Dieses wird hiermit vorgelegt. Ab 2025 soll die Radverkehrsförderung dann dem Radverkehrsentwicklungsplan 2030+ folgen, der sich derzeit in Erarbeitung befindet.“

10 Millionen Euro für den Radverkehr

Wobei das VTA in seiner Vorlage auch betont: „Gegenstand dieser Beschlussvorlage sind nur die finanziellen Auswirkungen der besonderen und kurzfristigen Maßnahmen in Höhe von 4.972.000 €, die nicht über Rahmenplan oder Aktivitäten anderer Ämter abgedeckt sind.“

Das heißt: Es werden in den beiden Jahren nicht nur 5 Millionen Euro in Radverkehrsanlagen investiert, sondern eher 10 Millionen Euro. Einige dieser Projekte passieren im Rahmen von Komplexmaßnahmen – wie in der Landsberger Straße – oder auch in Neubauprojekten wie dem Radweg am Elster-Saale-Kanal. Auch die abschnittsweise Sanierung des Elsterradwegs wird in der gesonderten Aufstellung erwähnt.

Weitere Maßnahmen für den Radverkehr außerhalb des Aktionsprogramms 2023/2024.

Aber das Aktionsprogramm soll ja vor allem helfen, das Radfahren im inneren Stadtgebiet sicherer zu machen. So wie am Hauptbahnhof bzw. Willy-Brandt-Platz, wo mit 50.000 Euro schon eine neue Fahrbahnaufteilung umgesetzt wurde, die eben auch für Radfahrende deutlich mehr Sicherheit schafft.

Oft geht es um reine Deckenerneuerung, damit die kaputten Radwege wieder sicher befahrbar werden, oft um reine Markierungsarbeiten, um für Radfahrer auf der Straße einen sicheren Raum zu schaffen. So, wie es von der Arno-Nitzsche-Straße bis zur Scheffelstraße auf der Karl-Liebknecht-Straße schon passiert ist. Umgesetzt sogar schon im Dezember 2022.

Kleine Überraschung für die Connewitzer: Das fehlende Stück Radweg in der Bornaischen Straße vom Wiedebachplatz bis zum Connewitzer Kreuz steht für 39.800 Euro auch in der Umsetzungsliste des Aktionsprogramms 2023/2024.

Zwischen Straßenbahngleisen und geparkten Autos müssen hier in der Bornaischen Straße die Radfahrer fahren. Foto: Ralf Julke
Zwischen Straßenbahngleisen und geparkten Autos müssen hier in der Bornaischen Straße die Radfahrer fahren. Foto: Ralf Julke

Auch die Maßnahmen in der Riesaer Straße, die schon im Mai begann, ist hier mit 27.500 Euro aufgeführt, ebenso wie das heiß diskutierte Projekt, in der Prager Straße in Höhe Völkerschlachtdenkmal endlich eigenständige Radwege zu schaffen.

Die geplanten Maßnahmen im Aktionsprogramm Radverkehr 2023 / 2024.

Der lange Weg zu Radschnellwegen und Fahrradparkhäusern

Manche Vorhaben werden für weitere Diskussionen bei all jenen sorgen, die vor allem den Verlust von Fahrbahnen sehen, aber nicht die notwendige Schaffung sicherer Wege für Radfahrer. Etwa die Anlage neuer Radwege in der Harkortstraße, in der Naunhofer Straße, der Querstraße oder der Max-Reger-Allee.

Das Aktionsprogramm 2023/20924 ist insgesamt mit 4,485 Millionen Euro untersetzt, davon 1,538 Millionen Euro Fördermittel. Die Fortsetzung des Lastenfahrrad-Projekts TINK ist ebenso vorgesehen wie weitere Machbarkeitsstudien für die Radschnell-Verbindungen nach Taucha, Naunhof, Markkleeberg und Markranstädt – wenn auch alle noch nicht mit Geld untersetzt.

200.000 Euro stehen lediglich bereit, um die Radschnellverbindung nach Halle zu untersuchen.

Es soll mehr Dauerzählstellen geben und für das Fahrradparkhaus im Hauptbahnhof stehen 50.000 Euro für eine Machbarkeitsstudie zur Verfügung.

Wenn man die 5.869 Millionen Euro aus den weiteren (Bau-)Maßnahmen nimmt, die das Thema Radverkehr berühren, merkt man erst, wie unzureichend auch 10 Millionen Euro sind, wenn es um die Herstellung eines leistungsfähigen Radnetzes in Leipzig geht.

Auch wenn das schon deutlich mehr Geld ist, als die Stadt bis 2020 für den Radverkehr aufgewendet hat. Der Weg zu einem wirklich komfortablen Netz ist noch weit. Und die Diskussionen mit Autofahrern, die sich dadurch auf weniger Fahrspuren reduziert sehen, sind auch absehbar.

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Es gibt 2 Kommentare

Und das Lügenbärchen ist mal wieder dasjenige, das monothematisch unterwegs ist und sich auch nicht zu fein ist, subjektive Anekdoten als Referenz auszupacken, um verifizierbare Tatsachen, die sich eher an der Realität orientieren, zu entkräften zu versuchen. Studien zu spezifischen Sachthemen sind nun einmal auf das entsprechende Sachgebiet bezogen, da helfen auch solche rhetorischen Tricksereien wie pedantisches Pseudohinterfragen nicht.
Anstatt also alles wieder mit der typischen schmierigen Anbiederei, unhaltbaren Unterstellungen und blaunen Vermutungen zu zerreden und sich durch rechte Märchengeschichten der Lächerlichkeit preiszugeben, sollte trotz des pathologischen Zwangs, die Deutungshoheit für die Autofetischisten herbeischreiben zu wollen.
Sachlichkeit kann man von einem Bärchen nicht erwarten, da sind Paulanergeschichten weiterhin der MO. Unglaubwürdig und erbärmlich, wie eh und je, wenn das Urs-Subjekt einmal wieder getriggert wird durch Berichte, bei denen einfach nur beschrieben wird, daß die überfälligen Projekte nun konkret umgesetzt werden, damit der Radverkehr endlich seine berechtigten Platz erhält, der zurecht dem motorisierten Gehhilfen weggenommen wird.
Möge das Lügenbärchen doch einfach aufhören, derartig langatmige Nichtaussagen und Lügenergüsse auf diesem Portal zu spammen, und möge es doch einfach zur BILD gehen. Da gehören solche rechtsregressiven Abwertler hin, hier nicht!

Danke, lieber Autor, für einen weiteren Aufsatz zu Radverkehr und
Fahrradinfrastruktur.

Ich gucke auf das Balkendiagramm https://www.l-iz.de/wp-content/uploads/2020/07/bypad_vergleich.jpg und frage mich, wie man anhand dessen 2020 einen, wie Sie schreiben, “kleinen Schock” in der Stadtverwaltung bekommen konnte. Man sieht, daß in fast allen der neun weithin schwammigen Kategorien 2014 eine Abweichung nach oben vorliegt, wozu einem alles mögliche einfällt, etwa andere Gutachter, geänderte Skalen, andere Stichprobe, und dergleichen mehr. Daß zwischen 2014 und 2020 eine wirkliche beträchtliche Verschlechterung von Radfahr-Bedingungen zustande gekommen war, wird damit leider nicht plausibel.

Und überhaupt, wer oder was ist eigentlich das “Bicycle Policy Audit” (BYPAD)? Ein Grazer Verein namens “Institut für Verkehrspädagogik” setzt sich eine monothematische Brille auf und vergoibt auf seltsamen Skalen (darunter hat nur Nr. 5 was mit Infrastruktur und Sicherheit zu tun, alles andere deutet auf Begleit-Chichi hin), die sicher nicht metrisch sind, Bienchen für gutes kommunales Betragen in Sachen “Mehr Qualität für Radverkehr”. Wer hat die Leute von BYPAD eigentlich anerkannten Sachverstand bescheinigt? Daß man EU-Fördergeld erhält, möchte mir nicht wirklich reichen. Ich nehme an, die Stadt Leipzig hat seit 2009 im Fünfjahresturnus diesen Verein in Österreich mit solch einer Prüfung beauftragt. Ich nehme weiter an, daß derlei freiwillig ist. Was aber hofft man durch externe Auditoren herauszufinden? Wieso ist man im Rathaus nicht selbst in der Lage, sich ein Bild vom Status des Radverkehrs in Leipzig zu machen? Wieso hat die Stadtverwaltung nicht selbst den Finger am Puls des Radverkehrs? Und zwar – anders als monothematische Auditoren – innerhalb einer Gesamtschau des Verkehrs?

Ich radelte erst letzen Donnerstag auf der Bornaischen Straße bis zur Meusdorfer, und später zurück. Ich wüßte keine Klage über irgendwas in diesem Bereich zu äußern. Ich kann für diesen Abschnitt wirklich weder Selbstmitleid noch Mitleit mit anderen Velofahrerinnen und -fahrern entwickeln. Man kommt dort ohne wesentliche Probleme mit dem Rad voran. Ich hingegen wurde von einem eng auffahrenden Papi mit besetztem Kindersitz gedrängelt. Mehr hat mich da nicht genervt.

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