Irgendwie hat die FDP eine von ihr selbst in Auftrag gegebene Studie vorgelegt, wonach ein Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen lediglich 1,1 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr einsparen würde. Berichtet hat darüber freilich bislang nur die „Bild am Sonntag“, aus der alle möglichen Medien zitieren. Aber wenn das stimmt, ist das natürlich seltsam für eine Partei, die mit in der Regierung sitzt und eigentlich alles dafür tun sollte, die Emissionen in Deutschland zu reduzieren. 

Wenn die Zahlen so stimmen sollten, widerspricht die Studie damit der erst im Januar vorgelegten Studie des Umweltbundesamtes (UBA), die eine Einsparung von fast 7 Millionen Tonnen berechnet hat.

Der „Merkur“ schreibt dazu: „Die Verkehrsökonomen Alexander Eisenkopf von der Zeppelin Universität Friedrichshafen und Andreas Knorr von der Universität Speyer schreiben in ihrem Gutachten laut ‚BamS‘, das UBA nutze fehlerhafte Datensätze und gehe von unrealistischen Annahmen aus. Der verkehrspolitische Sprecher der FDP, Bernd Reuther, sagte der Zeitung, die Studie des UBA sei „unwissenschaftlich und bewusst irreführend“. Das zeige das Gutachten deutlich. Das Umweltbundesamt „rechnet Effekte von Tempolimits schön, die nachweislich nicht haltbar und ohne Sinnhaftigkeit sind“. 

Die Zahlen des Umweltbundesamtes

Das Umweltbundesamt hat freilich sehr detailliert erläutert, wie die Ende Januar vorgelegten Zahlen zustande kamen.

Die Wirkungen von Tempolimits auf Bundesautobahnen und Außerortsstraßen wurden im Forschungsprojekt ‚Flüssiger Verkehr für Klimaschutz und Luftreinhaltung‘, das zwischen 2019 bis 2023 durchgeführt wurde, bewertet. Hierbei wurden zunächst die Minderungswirkungen betrachtet, die durch die Verringerung der durchschnittlichen Geschwindigkeiten auf Bundesautobahnen entstehen. Bei Einführung eines Tempolimits von 120 km/h auf Bundesautobahnen würden die Treibhausgasmissionen des Straßenverkehrs durch die Verringerung der durchschnittlichen Geschwindigkeit um 2,9 Prozent gesenkt (minus 4,5 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente im Jahr 2018).“

Auf rund 6,7 Millionen Tonnen erhöht sich der Effekt, wenn auch noch die Routenoptimierung der Fahrzeugführer mit einberechnet wird und neben Tempo 120 auf Autobahnen auch noch Tempo 80 auf Außerortstraßen eingeführt wird.

Aber gegen Tempobeschränkungen hat sich ja der Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) immer wieder ausgesprochen. Deswegen überrascht es nicht, dass seine FDP ein Gegengutachten in Auftrag gegeben hat.

Freie Fahrt für Raser

Den Vorgang kommentiert der verkehrspolitische Sprecher des ökologischen Verkehrsclubs VCD, Michael Müller-Görner, mit den Worten: „Was nicht passt, wird passend gemacht“ – nach diesem Motto hat sich die FDP eigene Gutachter eingekauft, um die Effekte eines Tempolimits kleinzurechnen. Dass diese auf einen wesentlich geringeren Wert kommen als das UBA, war nicht anders zu erwarten. Es war der Zweck der Übung.“

Für ihn ist es „schon ein starkes Stück, wenn eine Regierungspartei die Studie einer Bundesbehörde anzweifelt und sie als unwissenschaftlich denunziert, zumal sie dem Umweltministerium und damit einer Grünen-Ministerin unterstellt ist. Unverfroren versucht die FDP, der Koalition ihre Auto-Ideologie aufzudrücken und geriert sich dabei immer mehr als Opposition innerhalb der Regierung. Die auch von ihr unterzeichneten Klimaziele scheinen ihr inzwischen völlig egal zu sein.“

Selbst wenn die FDP-Studie recht hätte und ein Tempolimit nur 1,1 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr einspart, wäre immer noch mehr, als jede einzelne Maßnahme in dem Klimaschutz-Sofortprogramm, das FDP-Verkehrsminister Volker Wissing im vergangenen Juli vorgelegt hat.

Noch dazu ist ein Tempolimit nahezu kostenlos und hat weitere positive Effekte: Es erhöht die Verkehrssicherheit – weniger Tote und Verletzte –; es führt zu einem gleichmäßigeren Verkehrsfluss und damit zu weniger Staus“, erklärt Michael Müller-Görner. „Aber darum geht es der FDP ja gar nicht. Sie will weiter das Credo von der ‚Freien Fahrt für freie Bürger‘ hochhalten und bedient damit die Auto-Phantasien von vorgestern. Es wird Zeit, dass SPD und Grüne dem einen Riegel vorschieben.“

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Es gibt 2 Kommentare

UBA:
“Auf rund 6,7 Millionen Tonnen erhöht sich der Effekt, wenn auch noch die Routenoptimierung der Fahrzeugführer mit einberechnet wird und neben Tempo 120 auf Autobahnen auch noch Tempo 80 auf Außerortstraßen eingeführt wird.”
Das bedeutet nicht anderes als das die Fahrzeugführer nicht mehr die Autobahn um Leipzig nutzen, sondern wieder durch die Stadt fahren.

Die FDP im Bundesverkehrs-, pardon, Bundesauto-Ministerium ist der sprichwörtliche Bock, den man zum Gärtner gemacht hat. Wer hätte es ahnen können?

Schreiben Sie einen Kommentar