Ich nehme hier mal an, dass das 49-Euro-Ticket am 1. Januar 2023 kommt und halte das prinzipiell für eine gute Sache. Es gibt natürlich einige Fragen, auf die ich nachfolgend, teilweise für Leipzig im Speziellen, eingehen möchte. Ob sich diese Fragen allen stellen, weiß ich nicht und meine Betrachtungen werden wahrscheinlich auch auf Kritik stoßen. Damit kann ich leben, ich möchte nur eine Diskussion beginnen.
Eine Anmerkung sei mir gestattet. Ich bin ein Vertreter des ticketlosen ÖPNV, also eines umlage- oder steuerfinanzierten. Der ÖPNV ist, meiner Meinung nach, eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und Mobilität ein Recht für alle Menschen.
Da aber der Spatz in der Hand, also das 49-Euro-Ticket, besser ist als die Taube auf dem Dach, habe ich mich mit diesem beschäftigt.
49-Euro-Ticket ist ein 365-Euro-Ticket-Plus
Das klingt im ersten Moment seltsam, also betrachte ich es etwas genauer.
In Leipzig wurde mehrfach die Forderung nach einem 365-Euro-Ticket in den Stadtrat eingebracht. Dieses sollte eigentlich, wenn wir schon vergleichen, als 30,50-Euro-Ticket bezeichnet werden. Das jetzige 49-Euro-Ticket ist aber mehr als das gewünschte – es gilt nicht nur für die LVB, es gilt bundesweit. Die Differenz für die bundesweite Gültigkeit beträgt 18,50 Euro monatlich.
Das 49-Euro-Ticket ist für arme Menschen zu teuer
Ja, das ist es, wenn man den Hartz IV-Satz für Mobilität von 40,27 Euro (Bürgergeld ab 2023) zugrunde legt. Allerdings hat der Leipziger Stadtrat am 21. April 2021 einen Beschluss, gemäß dem Antrag von den Fraktionen SPD und die Linke, gefasst, dass: „Es wird zur Kenntnis genommen, dass die Leipzig-Pass-MobilCard bei Zustimmung in den Gremien des MDV und der Genehmigung beim Landesamt für Straßenbau und Verkehr, ab dem 01.08.2021 auf 365 Euro/Jahr abgesenkt wird.“
Ich gehe davon aus, dass dieser Beschluss, also ein 30,50-Euro-Ticket, bei monatlicher Zahlweise 31,20-Euro-Ticket (aktueller Preis der LVB), für Leipzig-Pass-Inhaber, weiterhin Bestand hat, oder in angepasster Form ein neuer Beschluss angestrebt wird.
Das Abo-Modell
Das 49-Euro-Ticket solle es nur im, wenn auch monatlich kündbaren, Abo geben.
Das bedeutet, wenn ein Mensch es nur für einen Monat erwerben will, egal aus welchen Grund, dann muss dieser ein Abonnement, mit Angabe aller persönlichen Daten und abbuchbar von seinem Konto, abschließen. Ja, man kann es sofort wieder kündigen, aber die persönlichen Daten bleiben bis zum Ende der gesetzlichen Löschfrist gespeichert. Es entsteht also ein „Datenschatz“ aller, auch nur zeitweiligen, Nutzer. Dieser weckt voraussichtlich wieder Begehrlichkeiten.
Das Abo-Modell mit Abbuchung bringt auch Probleme für Menschen, die kein Konto haben. Ja, die gibt es.
Tarife, außerhalb des 49-Euro-Tickets
Hier greift die Einführung des 49-Euro-Tickets, meiner Meinung nach zu kurz. Wenn Bund und Länder schon mit diesem Ticket die Tarifgrenzen der Verkehrsbetriebe und Verkehrsverbünde auflösen, dann sollte das komplett geschehen.
Ein Beispiel aus Leipzig: Ein Einzelticket für Leipzig (Zone 110) kostet momentan 3,00 Euro, für Leipzig + Schkeuditz (Zonen 110+162) kostet es 5,00 Euro. Gültig ist dieses eine Stunde.
Dieser Preis bleibt auch nach Einführung des 49-Euro-Tickets bestehen, somit auch der Aufwand für die Verkehrsbetriebe.
Meines Erachtens wäre es nur konsequent, wenn ein bundeseinheitliches Tages- und Wochenticket angeboten würde. Dieses müsste ebenfalls Tarifzonen-übergreifend sein, preislich sollte es so attraktiv sein, dass es sich für Gelegenheitsnutzer des ÖPNV lohnt, aber nicht mit dem ABO-Modell konkurriert.
Eine bundeseinheitliche Regelung würde den Verwaltungsaufwand für Verkehrsbetriebe und Verkehrsverbünde, für Ticketverkauf usw., erheblich senken. Man stelle sich vor, es gäbe nur noch Automaten, an denen ein Monats-, ein Wochen- und ein Tages-Ticket gekauft werden könnte. Die einzige Frage, die der Automat stellt, wäre „ab wann gültig?“.
Jobticket & Co.
Hier ergibt sich die für mich logische Frage, was mit diesen wird. Gibt es bei entsprechender Anzahl von Beschäftigten und/oder Zuzahlung des Arbeitgebers weiterhin Staffelungen?
Ich möchte hier auch auf den Beschluss des Stadtrats Leipzig zur „Integration eines ÖPNV-Tickets in Mietverträge der LWB“ (Antrag Freibeuter) hinweisen. Auch dort geht es um ein vergünstigtes Ticket. Die Frage steht auch, was wird mit dem sächsischen Bildungsticket und ähnlichen?
Sonderregelungen
Auch hier die Frage: Bisher konnte ein Abo gebucht werden, bei dem z. B. die Mitnahme einer weiteren Person in bestimmten Zeiten und am Wochenende kostenfrei möglich war. Oder beim ABO-Premium der LVB war z. B. für einen Aufpreis gegenüber der Abo-Basis von 7,70 Euro, auch die Mitnahme eines (großen, sonst zuzahlungspflichtigen) Hundes ganztägig enthalten.
Die Karten waren auch übertragbar, was bedeutet, sie waren nicht an den Abonnenten gebunden. Wie sieht das beim 49-Euro-Ticket aus? Was fehlt?
Ich meine, wenn schon ein bundesweit einheitliches Ticket eingeführt wird, dann sollte:
• dieses auch monatlich, z. B. am Automaten, erhältlich sein
• ein bundesweit einheitliches Tages-Ticket und Wochenticket erhältlich sein
• Konditionen für Jobticket & Co von vornherein festgelegt werden
• Sonderregelungen, wie Übertragbarkeit, einheitlich festgelegt werden
Das ist, meiner Meinung nach, nicht nur für ÖPNV-nutzende Menschen wichtig. Es sollte auch eine Kostenbremse für die Verkehrsbetriebe und Verkehrsverbünde sein.
Bei einerseits Tarifgrenzen aufhebendem 49-Euro-Ticket und andererseits an diese gebundenen Einzeltickets entstehen keine Einspareffekte für Verkehrsbetriebe und Verkehrsverbünde. Der Tarifdschungel bliebe da, wo er jetzt ist.
Das sind meine Überlegungen, vollständig ist diese Betrachtung selbstverständlich nicht.
Es gibt 12 Kommentare
@Mimi:
Ersten wohne ich nicht in Leipzig und zweitens ist die Linie 141 nur etwas für Leipziger. Drittens fangen manche schon 6:00 Uhr an zu arbeiten. Schade knapp vorbei.
Linie 141 ab Probstheida Mo-Fr von 6:22 bis 20:22 Uhr im 1h-Takt und 200m Fußweg.
Ihr Leipziger seit so verwöhnt von eurem ÖPNV und merkt es nicht.
Fragt mal jemanden aus Brandenburg.
@Mimi:
Ein Beispiel wäre zum Beispiel: LKG Leipziger Kommissions- und Großbuchhandelsgesellschaft mbH da fährt überhaupt kein Bus.
Ich für mein Teil laufe jeden Tag zur Arbeit und zum Einkaufen, habe aber trotzdem ein Auto. Ich müsste ihrer Meinung nach bezahlen, damit Sie bequem mit den Öffentlichen durch die Stadt fahren können und ja mit den Öffentlichen bräuchte ich mehr Zeit. Falls die pünktlich fahren, ansonsten wird es noch länger.
Ich spreche durchaus aus eigener und langjähriger Erfahrung, im Wesentlichen hier in der Region aber auch überregional. Das der Bus nicht öfter fährt hat ganz einfache Gründe, und selbst auf einen Stundentakt kann man sich einstellen. Ein Kilometer zur Haltestelle kann man einem Werktätigen schon zumuten. Und einen Anreiz für Ihre Eltern in die Stadt zu ziehen, halte ich nicht für abwegig. Natürlich gönne ich den ehrenwerten Herrschaften Ihren Alterswohnsitz. Ein PKW-finanzierter kostenfreiem ÖPNV spricht ja auch nicht prinzipiell dagegen. Ist für mich eine Luxusdebatte.
PS: Was bezeichnen Sie eigentlich bitte als Berg, hier in der Tieflandsbucht?
@Mimi: Dafür muss man nur in den Speckgürtel von Leipzig fahren. Bei meinen Eltern, 10 Kilometer von der Stadtgrenze entfernt. 1 Kilometer bis zur nächsten Bushaltestelle nach Leipzig, bergauf. Zudem maximal Stundentakt. Abends generell nix mehr und am Wochenende weniger als 2-Stunden-Takt tagsüber.
Solche überheblichen Kommentare kann nur abgeben, wer noch nie auf dem Land unterwegs war und nur den vergleichsweise gut ausgebauten ÖPNV in der Großstadt kennt!
@fra:
Die Überwachung haben Sie doch schon: § 13 FZV. Schreiben Sie einfach jedem eine Rechnung der privat KFZ besitzt. So treffen Sie keinen Falschen.
Und wo genau soll das eigentlich sein, dieses “nicht in Reichweite der Öffentlichen wohnen oder arbeiten”?
@Mimi:
“Warum soll zahlen, wer zum Wohle aller den ÖPNV nutzt? Macht doch besser ein Ticket für all diejenigen, die sich noch immer den Luxus des Individualverkehrs leisten möchten und bezahlt davon die Öffentlichen.”
Abgesehen davon wie man das ohne massive Überwachung realisieren will, werden die damit bestraft, die nicht in Reichweite der Öffentlichen wohnen oder arbeiten. Das passt doch.
Innerhalb von Leipzig habe ich den Hund im Abo Premium mit dabei. Außerhalb zahlt der Hund den Preis für 1 Kind ohne Erwachsenenbegleitung. So kam es, dass ich mit 9€ im Monat durch ganz Deutschland fahren konnte, der Hund bis Cottbus jedoch 17€ bezahlt hat für eine Hinfahrt, und nochmal 17 für die Rückfahrt. Der Hund hatte also das teuerste Ticket im Zug ohne Anspruch auf einen Sitzplatz. Ich denke mal, hier sollte man nachbessern, da war und ist einiges nicht ganz zu Ende gedacht.
Für Premium-ABO-Kunden ist das 49€-Ticket eh schon eine Einsparung um 20€, und nun gilt es auch noch bundesweit. Klar, ich fahre nicht jede Woche irgendwohin außerhalb Leipzig, oft nur einmal im Monat oder seltener. Aber wenns weniger kostet als bisher, dann vielleicht doch wieder etwas öfter
Warum soll zahlen, wer zum Wohle aller den ÖPNV nutzt? Macht doch besser ein Ticket für all diejenigen, die sich noch immer den Luxus des Individualverkehrs leisten möchten und bezahlt davon die Öffentlichen.
Hallo C.,
hat mit dem Artikel wenig zu tun, aber als Antwort auf Ihren zweiten Absatz:
auch praktisch, gesehen in der Schweiz und in Dresden: Eine App, die bequem den günstigsten Tarif errechnet, anhand der tatsächlichen Nutzung.
https://www.dvb.de/de-de/die-dvb/dvb-apps/fairtiq
> für ÖPNV-nutzende Menschen
Für ÖPNV-nutzende Elefanten ist das Ticket nicht gedacht, soweit war es schon klar…
Kann es sein, dass der ursprüngliche Begriff mal das simple “ÖPNV-Nutzer” war? Mitunter schon lustig, was bei Verrenkungen so herauskommt. Auch wenn es definitiv schon mal erfreulich ist (soviel zum Spatz in der Hand…), dass keine Sonderzeichen den Lesefluss behindern.
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Ich finde die gezeigten Überlegungen fast alle ziemlich angebracht. Sollte davon nichts mehr in die Regelungen kommen, wird es nur halbgewalkt.
Das, was ich noch nicht nachvollziehen kann, ist die These des niedrigeren Verwaltungsaufwandes durch das neue übergreifende Ticket. Klar, aktuell gibt es jede Menge Abrechnungen von den Eigeneinnahmen durch Fahrscheine, und von den anderen Vertragspartnern aus dem Sachsen-ticket, City-Ticket usw. Vieles davon wird sich erst mal nicht ändern, und dazu dürfte ja noch der Verteilungs-Verwaltungsaufwand kommen. Welcher Verkehrsverbund im Land erhält aus den Erlösen fürs 49-Euro-Ticket wieviel Anteile? Berechnung nach angebotenen Fahrtkilometern im Netz? Ich glaube, so ganz entbehrlich werden die Verwaltungsleute auch mit guten Regelungen zum neuen Ticket nicht werden.
Für mich persönlich wäre ein 49-Euro-Ticket maximal unattraktiv. Ich nutze den ÖPNV nur gelegentlich, dafür sind mir 49 Euro zu teuer. Auch für Fahrten ins Umland sind ggf. regionale Tickets (Sachsenticket) wesentlich günstiger. Ein Abo abschließen zu müssen würde mich zusätzlich abschrecken. Der Charme des 9-Euro-Tickets bestand ja gerade darin, dass es zu einem verhältnismäßig geringen Preis (ohne Abo-Zwang) Mobilität so niedrigschwellig wie möglich erlebbar machte.
Vor kurzem in London habe ich eine attraktive Lösung für den lokalen ÖPNV erlebt: eine Karte, auf die man ein Guthaben bucht. Von diesem Guthaben wird dann bei Einstieg in das Verkehrsmittel der Ticketpreis abgezogen. Es gibt einen Tages- bzw. Wochenhöchstpreis, der nicht überschritten wird.