Am Montag, 10. Januar, starteten LVB, Polizeidirektion und Stadt Leipzig eine neue Kampagne zur Verkehrssicherheit. Mit pointierten Überschriften und in auffälliger Signalfarbe (Gelb) werben in den kommenden Wochen Plakate, Banner, Anzeigen und Clips für ein aufmerksameres Miteinander auf Leipzigs Straßen, Rad- und Fußwegen. „Das Verkehrsklima in Leipzig sei rauer geworden“, sagte Oberbürgermeister Burkhard Jung bei der Vorstellung der Motive. Und bekam postwendend Kritik aus der SPD-Fraktion.

„In meinen Sprechstunden, auch zum Fuß- und Radverkehr, zeigt sich seit geraumer Zeit eine zunehmende Gereiztheit untereinander“, meinte Jung. Aufgeheizte Stimmung trage zu fahrlässigem Verhalten bei und somit zu mehr Unsicherheit auf den Straßen. „Mehr Umsicht steht uns allen gut und hilft, Unfälle zu verhindern und das Stresslevel auf unseren Straßen zu reduzieren. Wir setzen auf Respekt und Rücksichtnahme!“Als hätte es nicht schon reihenweise Kampagnen zur Rücksichtnahme im Leipziger Verkehr gegeben. Natürlich nicht mit Sprüchen wie „Nur Geduld im Tumult!“, „Besser Rot sehen, als draufgehen!“ oder „Falsch geparkt, voll versorgt!“, das zum Kampagnenstart auch auf der Heckfront der LVB-Busse prangt.

Und natürlich ein schlechtes Gewissen macht. Wohl auch machen soll. Als wäre das Klima im Leipziger Verkehr nur deshalb so rau geworden, weil die Leipziger/-innen sich falsch verhalten.

Aber dazu gab es längst zu viele Diskussionen im Leipziger Stadtrat, in denen die Verkehrspolitik der Stadt genauso in der Kritik stand wie die Arbeit des Ordnungsamtes. Das Anliegen unterstütze die SPD-Fraktion ja, teilt diese postwendend mit. Aber irgendwie geht die Kampagne in die falsche Richtung und sucht die Schuldigen an der Misere mal wieder bei den Bürgern, die sich bitteschön nur geduldiger verhalten sollen.

Wo bleiben die Verkehrskontrollen?

„Die SPD-Fraktion unterstützt die Kampagne ausdrücklich, auch da wir eine solche seit Jahren fordern“, sagt Christopher Zenker, Fraktionsvorsitzender der SPD-Stadtratsfraktion und Mitglied im zeitweiligen Ausschuss Verkehr.

Und fügt gleich ein berechtigtes Aber an: „Bunte Bilder allein reichen aber nicht. Polizei und Ordnungsamt müssen deutlich mehr für die Verkehrsüberwachung tun. Überhöhte Geschwindigkeit, Fahren unter Alkohol oder Drogen und zu geringer Abstand gehören zu den häufigen Unfallursachen. 93 Prozent aller Unfälle im Straßenverkehr werden von KFZ verursacht. Dennoch ist nirgendwo in Sachsen die Wahrscheinlichkeit geringer, kontrolliert zu werden, als in Leipzig.“

Kampagnenmotiv: Besser Rot sehen, als draufgehen. Grafik: Stadt Leipzig
Kampagnenmotiv: Besser Rot sehen, als draufgehen. Grafik: Stadt Leipzig

Die Leipziger Polizeidirektion wurde zwar inzwischen mit etwas mehr Personal aufgestockt. Aber das hat wenig daran geändert, dass die Polizei – wie in ganz Sachsen – ihre Verkehrskontrollen schon seit Jahren drastisch zurückgefahren hat.

Im Gebiet der Polizeidirektion Leipzig wurden 2020 am Tag gerade einmal 188 Fahrzeuge kontrolliert und das bei etwa 1 Million Einwohnerinnen und Einwohnern und 600.000 Fahrzeugen. Dies ist der niedrigste Wert in ganz Sachsen, stellt die SPD-Fraktion fest.

Damit laufe man faktisch keine Gefahr, beim Fahren unter Alkohol oder Drogen erwischt zu werden. Geschwindigkeitskontrollen seitens der Polizei verharrten ebenso seit Jahren auf einem sehr niedrigen Niveau. Auch hier ist die Polizeidirektion Leipzig sächsisches Schlusslicht, kritisiert die SPD-Fraktion.

Seitens des Ordnungsamtes, welches zumindest bei Geschwindigkeitskontrollen ausgleichen oder den ruhenden Verkehr besser überwachen könnte, sähe es auch nicht besser aus. Bei stationären Blitzern falle Leipzig schon in Sachsen deutlich ab und auch bei Abschleppmaßnahmen ist Leipzig im bundesdeutschen Vergleich abgehängt.

Kein Wunder, dass sich viele Leipziger/-innen im täglichen Verkehrsgewühl ziemlich alleingelassen fühlen. Und ziemlich gefährdet, weil Falschparker und Raser das Fortkommen für alle Beteiligten gefährlicher machen.

„Regelmäßige Kontrollen sind wichtig. Sie haben einen unmittelbaren Einfluss auf die Verkehrssicherheit“, stellt dann auch SPD-Stadtrat Andreas Geisler, Mitglied im Fachausschuss Umwelt, Klima und Ordnung, fest.

„So ist es wissenschaftlich belegt, dass Strafzettel nicht nur eine unmittelbare, sondern auch anhaltende Wirkung haben. Die betroffenen Personen halten sich längerfristig und verstärkt an die Verkehrsregeln. Wir erwarten daher vom Innenministerium, dass die Polizei so ausgestattet wird, dass sie ihrer gesetzlich vorgeschriebenen Aufgabe der Verkehrsüberwachung gerecht werden kann. Vom neuen Ordnungsamtschef erhoffen wir ebenso, dass die Verkehrsüberwachung, allen voran an Unfallschwerpunkten, verstärkt in den Blick genommen wird. Hierzu gehört auch die Anschaffung von mehr mobilen und stationären Blitzern.“

Kampagne erst einmal bis März

Die erste Kampagnenphase erstreckt sich von Januar bis Ende März 2022. Sichtbar wird sie im Stadtbild und an Straßen auf digitalen und analogen Plakatflächen sowie auf Bussen der Leipziger Verkehrsbetriebe und auf Fahrzeugen der Polizeidirektion Leipzig. In Bussen und Straßenbahnen werden Motive zu sehen sein wie auch im Fahrgast-TV der Leipziger Verkehrsbetriebe. Die Partner nutzen außerdem ihre Social-Media-Dienste wie Instagram und Facebook, um die Kampagne zu stärken.

Und siehe da: Verkehrsüberwachungs-Aktionen der Leipziger Polizei und Promotion-Aktionen auf den Straßen ergänzen die Kampagne. Da wird man also endlich auch mal wieder Polizeikontrollen im fließenden Verkehr erleben, ein seit Jahren nicht mehr gewohntes Bild. Ob es freilich dauerhaft wieder zur Arbeit der Leipziger Polizei gehören wird, verriet René Demmler, Präsident der Polizeidirektion Leipzig, am Montag nicht.

„Die Leipziger Polizei ist gerne Partner dieser Aktion“, appellierte auch er an das Gewissen der Leipziger. „Nur gemeinsam erreichen wir mehr Menschen in unserer Stadt, denn es geht um gegenseitige Rücksichtnahme im Straßenverkehr. Die Einwohnerzahlen steigen, Verkehrsarten verändern sich in der Gewichtung und wir nehmen Konflikte untereinander deutlich wahr. Doch das Miteinander auf den Straßen muss sich verbessern. Hier sind wir als Stadtgesellschaft alle gefragt.“

Eine Webseite für die Aktion gibt es auch: www.leipzig.de/aufpassen. Die Seite informiert zur Kampagne und den geplanten Sonderaktionen bis März 2022, auch stehen dort alle genutzten Motive zum Download bereit. Im Laufe des Jahres soll die Kampagne noch um weitere Themen ergänzt werden, darunter das Thema Schulwegsicherheit.

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Es wird seit Jahren immer wieder an das Gewissen aller appeliert mehr Rücksicht aufeinander zu nehmen – mit recht überschaubaren Erfolg. Ohne mit der Wimper zu zucken, werden abgesenkte Bordsteine, Haltestellen oder Kurven zu geparkt. Das Halteverbot auf Radwegen existiert auch nur auf dem Papier. Und wer sich an die vorgegebene Geschwindigkeit hält, wird zum Verkehrshinderniss und die Leute krauchen einen fast in den Kofferraum. Und was macht das Ordnungsamt und die Polizei? Diese sieht man nur selten und gefühlt werden dann immer alle Augen zugedrückt.

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