Der Stadtverkehr der Zukunft wird anders aussehen. Das machen mittlerweile nicht nur Stรคdte wie Kopenhagen oder Amsterdam vor, wo Radfahrer/-innen seit Jahren bessere Bedingungen vorfinden. In der Coronakrise haben auch Stรคdte wie Madrid, Paris und Brรผssel den Schalter umgelegt. Gerade im Herzen der Stadt haben sie dem umweltfreundlichen Radverkehr endlich mehr Platz eingerรคumt. Eine Entwicklung, an der auch Leipzig nicht vorbeikommen wird. Die Frage ist nur: Wie schnell geht's?

Am 21. Mai berichtete zum Beispiel die โ€žZeitโ€œ รผber das Brรผsseler Experiment, Radfahrern und FuรŸgรคngern mit einer deutlichen Geschwindigkeitsbegrenzung den Vorrang in der City einzurรคumen: โ€žBislang hatten die Brรผsselerinnen und Brรผsseler dafรผr erst wenig Zeit. Seit dem 11. Mai ist das Zentrum der belgischen Hauptstadt verkehrsberuhigte Zone. Busse und Autos dรผrfen maximal 20 Stundenkilometer fahren, FuรŸgรคnger und Radfahrer haben Vorrang und kรถnnen die komplette Fahrbahn nutzen. So soll es ihnen leichterfallen, in den teils sehr engen StraรŸen die Corona-Abstandsvorgaben einzuhalten.โ€œ

Eine Idee, die jetzt der Stadtrat Marcus Weiss (Die PARTEI) aufgreift, nachdem die SPD-Fraktion schon eine Anfrage zur Einrichtung von Fahrradzonen in Leipzig gestartet hatte. Das Dezernat Stadtentwicklung und Bau kann sich sehr wohl die Einrichtung von Fahrradzonen vorstellen: โ€žGrundsรคtzlich steht die Verwaltung der Einrichtung von Fahrradzonen offen gegenรผber. Fรผr eine abschlieรŸende Meinungsbildung bedarf es jedoch zunรคchst der Kenntnis der Bestimmungen aus der angepassten Verwaltungsvorschrift zur StVO, wobei der Zeitpunkt, wann diese vom Bundesministerium fรผr Verkehr und digitale Infrastruktur erlassen wird, bisher nicht bekannt ist. Im Zuge der Fortschreibung des Leipziger Radverkehrsentwicklungsplans ist vorgesehen, auch die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen und die daraus resultierenden Mรถglichkeiten zu betrachten.โ€œ

Nur hat man derzeit noch nicht mehr als die Ankรผndigung des Verkehrsministers. โ€žDa die Verwaltungsvorschrift zur StVO noch aussteht und wir uns von der Fortschreibung des Radverkehrsentwicklungsplans wertvolle Hinweise erwarten, kรถnnen noch keine konkreten Einsatzgebiete genannt werdenโ€œ, informierte das Baudezernat die SPD-Fraktion.

Aber inzwischen hat Marcus Weiss seinerseits einen Antrag geschrieben. Es ist wieder einer von denen, die fรผr Die PARTEI typisch sind: Sind sie zu verrรผckt, um รผberhaupt diskussionswรผrdig zu sein oder stimmt die Stadtratsmehrheit einfach zu, weil wir lรคngst in einer Zeit leben, in der kleine Schritte nicht mehr genรผgen?

โ€žRadverkehr aufwerten und sicherer gestaltenโ€œ, hat Weiss seinen Antrag betitelt. Und darin formuliert: โ€žDer Stadtrat beschlieรŸt, dass alle Leipziger StraรŸen in seiner Zustรคndigkeit, welche derzeit ohne baulich getrennten oder mindestens zwei Meter breiten Fahrradschutzstreifen sind, zumindest aber jene in Wohnquartieren, ab spรคtestens Anfang 2021 als Tempo 30-Zonen eingestuft werden. Eine Beauftragung der entsprechenden Beschilderung ist Teil des Beschlusses.โ€œ

Aus Radfahrer-Sicht eigentlich nur konsequent. Denn die Stadt hatte selbst mit ihrem alten Radverkehrsentwicklungsplan von 2012 acht Jahre Zeit, ein deutlich sichereres Radwegenetz zu bauen. Wer in SeitenstraรŸen ausweichen will, sieht sich ebenso mit einem dominierenden Kfz-Verkehr konfrontiert, der nicht unbedingt Rรผcksicht auf langsamere Radfahrer/-innen nimmt.

Marcus Weiss kann sich ein flรคchendeckendes Tempo 30 auch auf HauptverkehrsstraรŸen vorstellen: โ€žUm dies auch auf den BundesstraรŸen in Leipzig zu bewerkstelligen, soll der Oberbรผrgermeister mit dem LASuV Gesprรคche aufnehmen bezรผglich der Anlegung entsprechender Radwege oder einer Reduzierung der erlaubten Hรถchstgeschwindigkeit und entsprechende Antrรคge an die Landesverwaltung vorbereiten. รœber Aufnahme und Fortgang dieser Gesprรคche unterrichtet der Oberbรผrgermeister bzw. sein Vertreter den Stadtrat Quartalsweise ab September 2020.โ€œ

Rรผckenwind sieht er durch die Novelle der StraรŸenverkehrsordnung: โ€žSeit dem 28.04.2020 gilt eine รผberarbeitete STVO, welche u. a. FuรŸgรคnger und Radfahrer besser schรผtzen soll. Um die Intension der ร„nderungen zu stรผtzen, sollte in Gebieten, in denen viel Bewegung durch FuรŸgรคnger und Radfahrer stattfindet, wie eben Wohnquartieren, flรคchendeckend bauliche getrennte Fahrradwege angelegt werden. Bis dies umgesetzt wird bzw. wo dies nicht umgesetzt werden kann, sind durch eine Reduzierung der erlaubten Hรถchstgeschwindigkeit die ,schwรคcherenโ€˜ Verkehrsteilnehmer und Anwohner effektiv wesentlich sicherer unterwegs.โ€œ

Fรผr die Ausweisung von Geschwindigkeitsbegrenzungen spricht, dass bestehende Tempo-30-Zonen die Unfallzahlen nachweislich senken. Weshalb es im Leipziger Stadtrat immer wieder auch VorstรถรŸe gab, vor sensiblen Einrichtungen wie Kindertagesstรคtten und Schulen Tempo 30 zu verordnen. Ein GroรŸteil davon konnte auch umgesetzt werden.

Aber Weiss denkt noch ein bisschen weiter. Denn natรผrlich steigen mehr Menschen aufs Rad um, wenn sie merken, dass man endlich sicherer durch die Stadt kommt. Was logischerweise die Anteile der Verkehrsarten verschiebt.

Weiss in seinem Antrag: โ€žEs wรผrde zudem der Tatsache Rechnung getragen, dass der motorisierte Anteil am Verkehr kontinuierlich sinkt, wรคhrend der Anteil der Radfahrer stetig zunimmt. Es handelt sich hier also fraglos um einen Punkt, der den ausgerufenen Klimanotstand, explizit die angestrebte Verkehrswende, tangiert. Auch wรคre es fรผr die Stadt Leipzig eine sehr gรผnstige Gelegenheit, sich gute Presse als nachhaltige, grรผne und entschleunigte Kommune zu erarbeiten.โ€œ

Und auรŸerdem lasse die Gesetzeslage diese Art von Eingriff in den StraรŸenverkehr zu (VGH Mannheim Urteil vom 22.06.2016, Az. 5 S 515/14), so Weiss.

Jetzt kann man gespannt sein, ob die Formulierungen zur Fahrradzone in der StVO nicht ganz รคhnlich klingen.

Zartes Pflรคnzchen Fahrradstadt: Gefragte Fรถrderung fรผr Lastenrรคder, Fahrradzonen und eine (tageweise) autofreie Karl-Heine-StraรŸe

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