Es geschehen Zeichen und Wunder. So auch am Dienstag, 28. April: Da gab das Dezernat Stadtentwicklung und Bau endlich die Planung zum Hauptnetz Rad der Stadt Leipzig ins Stadtratsverfahren. Nach zehn Jahren gibt es also endlich eine Fortschreibung, die in gewisser Weise den deutlich gestiegenen Anteil des Radverkehrs in Leipzig spiegelt, in einen Plan fasst und jetzt auch Ausbaustandards formuliert, die deutlich über das hinausgehen, was Radfahrer/-innen derzeit in Leipzig vorfinden.
In der Karte sieht man lauter grüne, rote und blaue Linien, die für die unterschiedlichen Routenkategorien in der integrierten Netzplanung stehen: grün und rot für Verkehrswege des zielorientierten Alltagsradverkehrs (IR II als innergemeindliche Radschnellverbindung und IR III als innergemeindliche Hauptradverbindung) mit einer Gesamtlänge von ca. 324 km. Blau sind innergemeindliche Radverkehrsverbindungen (IR IV).
Wobei die Unterschiede eher keinen großen Unterschied machen. Jedenfalls nicht, was die Bedingungen für die Radfahrenden betrifft, denn als Richtgeschwindigkeit werden Zielgrößen von 15 bis 20 Kilometern pro Stunde angegeben, auf IR II sogar 25. Das ist schnell. Das weiß jeder, der täglich unterwegs ist.
Schon bei 15 km/h überholt man dabei jede Menge Mitradelnde, die eher mit 10 km/h unterwegs sind. Und diese Überholmanöver sind fast überall hochriskant, weil die Wegbreiten das oft gar nicht zulassen, die Überholenden also auf den Fußweg oder die Kfz-Fahrbahn ausweichen müssen.
Ein Nebeneinanderfahren ist auf einem Großteil der Leipziger Radwege schlicht nicht möglich, erst recht nicht, wenn die vorbeifahrenden Kraftfahrzeuge auch noch 1,5 Meter Sicherheitsabstand beim Überholen einhalten sollen.
In der Vorlage betont das Planungsdezernat: „In einem qualifizierten Radverkehrsnetz, wie es das HauptnetzRad darstellt, sind nach der Richtlinie zur Netzgestaltung (RIN 2008) folgende Grundqualitäten anzustreben:
– 90 % der Einwohner wohnen maximal 200 m von einer Hauptradverbindung (IR II und IR III) entfernt
– geringe Umwege (Umwegefaktor max. 1,2 gegenüber der kürzestmöglichen Verbindung, max. 1,1 gegenüber parallelen Hauptverkehrsstraßen und keine zusätzlichen Steigungen)
– Winterdienst auf IR II- und IR III-Verbindungen.
– soziale Sicherheit durch Übersichtlichkeit und Einsehbarkeit durch Beleuchtung bzw. Angebot von Alternativverbindungen zu Nachtzeiten.“
Allein schon das bedingt einen Ausbau an vielen Stellen des Netzes, auch wenn es im wesentlichen dem bekannten (Haupt-)Straßennetz folgt.
Man darf durchaus auch die rot eingezeichnete IRIII-Verbindung durch die innere und äußere Jahnallee betrachten: Die Stadt denkt hier nicht wirklich darüber nach, die Radfahrer/-innen von dieser wichtigen Hauptroute zu verbannen. Aber sie tut sich unübersehbar schwer, das Selbstverständliche hier einfach auch umzusetzen und die nötigen sicheren Radwege auch aufzutragen.
Und Tatsache ist, dass die Ausbauziele für Radwege sich gegenüber der Planung von 2010 deutlich erhöht haben.
Auch das formuliert das Planungsdezernat: „Hinsichtlich Verkehrssicherheit sind dabei für alle Kategorien folgende Entwurfsanforderungen zu berücksichtigen:
– Wahl von Führungsformen mit nur geringem Unfallrisiko, hoher Akzeptanz und guter Begreifbarkeit
– Gewährleistung guter Sichtverhältnisse (Sichtfelder der Verkehrsteilnehmer)
– bauliche Ausführung mit geringem Sturz- und Gefährdungsrisiko (ausreichende Griffigkeit der Oberfläche, Vermeidung von Rillen und Kanten, Absturzsicherung
– Gewährleistung eines qualitativ guten Erhaltungs- und Betriebszustandes
– Vermeidung von Situationen, in denen sich die Nutzer gefährdet oder überfordert fühlen
– Wahl von Führungsformen mit geringer Abhängigkeit vom Verhalten anderer.“
Diese Hinweise folgen zwar Empfehlungen, die auf Landes- und Bundesebene schon zwischen 2006 und 2010 erlassen wurden. Nur umgesetzt wurden sie eben auf vielen Strecken noch nicht.
Das wird deutlicher, wenn das Planungsdezernat die Entwurfsanforderungen „hinsichtlich Qualität des Verkehrsablaufs im Radverkehr“ formuliert:
– Berücksichtigung von unterschiedlichen Geschwindigkeiten der Radfahrenden
– Minimierung des Kraftaufwandes durch Oberflächen mit geringem Rollwiderstand sowie Minimierung von Umwegen, vermeidbarer Steigungen und unnötiger Halte
– Minimierung von Zeitverlusten durch optimierte Gestaltung von Knotenpunkten und Querungen, optimierte Signalisierung und Gewährleistung aller Fahrbeziehungen an den Knotenpunkten.
Allein die Freude an den Knotenpunkten sorgt dafür, dass man jede Menge Zeit verliert, und da Radfahrer meist mit Fußgängern parallel geschaltet werden, sind das oft mehr als die 30 oder 45 Sekunden Zeitverlust, die für IRII und IRIII vorgesehen sind. Ganz zu schweigen von jenen Kreuzungen, wo Radfahrer erst auf Kreuzungsinseln geleitet werden, wo sie dann noch einmal warten müssen, um dann über die Kreuzung zu kommen – so wie an der Gerberstraße.
Die Karte zeigt dann auch noch einige jener Radrouten, die seit Jahren angedacht sind, aber noch immer nur Stückwerk sind (so wie die Route am Bahnbogen in Gohlis) oder noch gänzlich Zukunftsmusik (wie die Radverbindung auf dem Gelände des Bayerischen Bahnhofs). Auch der Bahnbogen in Sellerhausen taucht als gestrichelte Linie auf, obwohl die derzeitigen Planungen eigentlich keinen großen Radverkehr auf dem Viadukt vorsehen.
Allein schon der Anspruch, die Hauptrouten so auszubauen, dass „sich die Nutzer (nicht) gefährdet oder überfordert fühlen“ dürfte eine Menge Investitionen in den nächsten Jahren erfordern. Und zwar nicht erst 2030. Dann soll ja das Nachhaltigkeitsszenario als Mobilitätskonzept schon funktionieren. Es muss jetzt beginnen. Deswegen ist dieser Plan die Grundlage für die „Fortschreibung des Radverkehrsentwicklungsplans 2010–2020 für den Zeitraum 2021–2030“, die es eigentlich sofort im Anschluss geben müsste, damit 2021 die ersten Verbesserungen gebaut werden können.
SrV-Studie zeigt: In Leipzig hat der Radverkehr 2018 den ÖPNV überholt
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