Am 2. April verschickte die Stadt Leipzig noch eine frohgestimmte Meldung zum jüngsten ADFC-Fahrradklima-Test. Man sah Leipzig schon als Kandidat in mehreren Kategorien weit vorne. Aber was dann an Ergebnissen am Dienstag, 9. April, veröffentlicht wurde, ist ernüchternd. Auch für Leipzig. „71 Prozent der Leipziger fühlen sich beim Radfahren in der Stadt gefährdet“, stellt der ADFC Sachsen fest.
Gegenüber den Befragungen der Vorjahre hat sich die Bewertung Leipzigs sogar leicht verschlechtert. Aber weil in fast allen deutschen Großstädten das Fahrrad-Klima schlechter geworden ist, landet Leipzig nun unter den großen Städten trotzdem auf Rang 3 – hinter Bremen und Hannover, vor Frankfurt/M., Dresden und München.
Nicht nur das Sicherheitsgefühl bewerten die Leipziger kritisch. 92 Prozent sehen den Fahrraddiebstahl in der Stadt als Problem, 83 Prozent haben regelmäßig Konflikte mit Autofahrenden, 82 Prozent bemängeln die Führung an Baustellen und 88 Prozent wünschen sich ein härteres Vorgehen gegen Falschparker. Nur 11 Prozent empfinden die Breite der Radwege in der Stadt als fahrradfreundlich.
Seit 2014 werden die Fahrradkriterien in Leipzig kontinuierlich schlechter beurteilt. So bewerteten die Radfahrenden die Fahrradförderung in ihrer Stadt 2014 noch durchschnittlich mit der Schulnote 3,3, 2018 vergaben sie nur eine 4,0. Die Gesamtbewertung für Leipzig rutschte im gleichen Zeitraum von einer 3,61 auf eine 3,85 ab.
Konrad Krause, Geschäftsführer des ADFC Sachsen, sieht als Grund dafür eine Nachlässigkeit bei Politik und Verwaltung: „Die Leipziger werden zunehmend unzufriedener, denn der Ausbau des Radwegenetzes kommt in Leipzig nicht so recht in Fahrt. Gleichzeitig beobachten wir aber, dass immer mehr Menschen mit dem Rad von A nach B wollen. Damit das gehen kann, brauchen wir sichere Wege und vor allem mehr Platz fürs Rad.“
Zwar befindet sich Leipzig beim Fahrradklima-Test bundesweit auf einem der vorderen Plätze, doch die Verschlechterung bei den Bewertungen sticht im deutschlandweiten Vergleich deutlich hervor. Keine Verkehrsart ist in Leipzig in den vergangenen sieben Jahren so stark gewachsen wie der Radverkehr. Aber die Bemühungen der Stadt, darauf mit einer Verbesserung des Radwegenetzes zu reagieren, sind bescheiden.
„Der starke Anstieg der Einwohnerzahl in Leipzig und die damit erforderlichen strukturellen Veränderungen stellen uns in der Stadt vor große Herausforderungen, den Radverkehr sicherer und bequem zu gestalten. Der permanente Austausch mit den zuständigen Ämtern und die Entwicklung des Radnetzes sind unabdingbare Faktoren um vor allem die Sicherheit für den Radverkehr zu gewährleisten. Da haben wir tatsächlich noch sehr viel Nachholbedarf. Denn drei tödlich verunglückte Radfahrer/innen im Jahr 2018 sind genau drei zu viel! Das hat sicherlich bei einigen Menschen in Leipzig für Verunsicherung gesorgt“, sagt Robert Strehler, Vorsitzender des ADFC Leipzig. „Wir bewerten es aber als grundlegend positiv, dass immer mehr Menschen auf das Fahrrad als Hauptverkehrsmittel setzen und die Umsetzung der verkehrspolitischen Ziele des ADFC Leipzig mehr als aktuell relevant sind.“
Konrad Krause sind beim Fahrradklima-Test aber auch Themen aufgefallen, wo Leipzig deutlich besser als der sächsische Durchschnitt abschneidet: „85 % sind mit dem Leipziger Leihradsystem zufrieden.“ Die Leihräder in Leipzig erhielten im Mittel die Schulnote 2,4 (2016: 2,5). „Und auch die vielen für den Radverkehr in Gegenrichtung geöffneten Einbahnstraßen kommen bei den Leipzigern gut an“, findet der ADFC-Geschäftsführer. „Für diese Erleichterung im Radverkehr haben sich viele ADFC-Aktive in Leipzig jahrelang erfolgreich eingesetzt. Dieser Erfolg zahlt sich jetzt in einer guten Bewertung aus.“
Aber die Note 4 ist nun einmal keine gute Bewertung. Sie erzählt deutlich davon, wie schwer es heutigen Stadtplanern fällt, Radverkehr überhaupt als gleichwertige Verkehrsart zu denken und die Strukturen so auszubauen, dass sie dem wachsenden Wunsch der Großstädter, ihre Wege mit dem Rad zurückzulegen, auch entsprechen. Und das hat auch mit einer Schieflage in der Medienberichterstattung zu tun (Note 4,3 in Leipzig), mit der tatsächlichen Fahrradförderung (Note 4,0) oder frustrierenden Ampelschaltungen (Note 4,3), die den Kfz-Verkehr bevorzugen, Radfahrer und Fußgänger aber zu Bettlern um eine Grünphase machen.
Dass andere Großstädte bei dem Thema noch viel schlechter sind, darf den Blick darauf nicht verstellen, dass sich die Leipziger Bewertungen in den vergangenen Jahren spürbar verschlechtert haben. Und eine Note 4 bezeichnet eindeutig keine fahrradfreundliche Stadt, sondern eine, die das Thema Fahrrad irgendwie so mitnimmt, aber noch längst nicht gestaltet.
2018 bewerteten in Leipzig bei der Umfrage fast 2.300 Personen ihre Stadt nach Fahrradkriterien, deutschlandweit waren es rund 170.000. 74 % der Befragten nutzen täglich das Rad, allerdings sind nur 15 % von ihnen Mitglied im ADFC. Gleichzeitig fahren mehr als drei Viertel der Befragten regelmäßig Auto als auch Fahrrad und kennen somit beide Perspektiven. Das Fahrradklima, also die Wahrnehmung der Radverkehrsbedingungen hat sich bundesweit insgesamt verschlechtert, betont der ADFC Sachsen. 2014 wurde das Fahrradklima noch mit 3,7 bewertet, 2016 mit 3,8 und 2018 mit 3,9. Im Freistaat Sachsen verbesserte sich das Fahrradklima hingegen leicht von der Schulnote 4,03 auf 3,95. Sachsenweit nahmen über 10.000 Befragte am Fahrradklima-Test teil und damit mehr als doppelt so viele wie noch 2016.
Noten für einige Leipziger Nachbarstädte: Markkleeberg 3,51, Delitzsch 3,66, Markranstädt 3,70,Wurzen 3,76, Schkeuditz 4,00, Halle 4,40.
Warum die neue Leipziger Zeitung geradezu einlädt, mal über den Saurier Youtube nachzudenken
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