Wenn Leipzigs Ratsfraktionen einmal Statistiken zum Verkehrsgeschehen haben wollen, geht es ihnen ganz รคhnlich wie den Fraktionen im Landtag: Irgendwie hรคlt es niemand in den Verkehrsbehรถrden fรผr nรถtig, die Fallzahlen jedes Jahr einfach statistisch zu erfassen. Und sei es nur, um den Personaleinsatz zu planen. So ging es jetzt auch der Linksfraktion, die wissen wollte, wie sich das wilde Parken auf Radwegen in Leipzig entwickelt hat.
Das Ordnungsdezernat hat jetzt auf die Anfrage der Linksfraktion zum Thema geantwortet. Aber sofort taucht die Frage nach den Zahlen auf.
โIn der รถffentlichen Wahrnehmung nehmen Verkehrsordnungswidrigkeiten auf Radverkehrsanlagen zu. Ein seriรถser und belastbarer statistischer Beleg, noch dazu in Unterscheidung zwischen Pkw und anderen Fahrzeugen lรคsst sich leider nicht erbringenโ, stellt das Ordnungsdezernat jetzt fest, in dessen Statistik augenscheinlich keine groรe Ordnung herrscht.
Man arbeitet irgendwie stupide drauf los, verhรคngt ein paar Knรถllchen. Das wird auch irgendwo im System erfasst. Aber statt dass sich der Leiter der Ordnungsbehรถrde einmal im Jahr hinsetzt und die Zahlen aufarbeitet und auch der Verwaltungsspitze zuarbeitet, werden die Daten einfach gelรถscht. So macht man natรผrlich Verkehrsordnungspolitik ins Blaue hinein.
Und es wird รผberhaupt unverstรคndlich, warum die Ordnungsbehรถrde auch noch personell ausgebaut wird. Einfach nur, weil so ein Bauchgefรผhl da ist? Oder weil die Radfahrer ab und zu laut werden und der Stadt sagen, dass ihre Verkehrspolitik ziemlicher Kรคse ist?
Und so verweist der nimmermรผde Ordnungsbรผrgermeister auf Zahlen des ADFC: โHilfsweise heranziehen kann man den ADFC Fahrradklima Test 2016. Demnach ist aus Sicht der an der Befragung 720 proaktiv teilnehmenden Radfahrer die Stadt Leipzig mit einer Gesamtnote 3,69 auf Platz neun von 39 Stรคdten als durchaus fahrradfreundlich zu bewerten.โ
Was will uns das sagen?
Rang 9 im Klimatest bedeutet einfach, dass Leipzig unter den Groรstรคdten relativ gut dasteht mit einem Notendurchschnitt von 3,69. Als beste Stadt kommt die โFahrradstadtโ Mรผnster gerade mal auf 3,07.
Aber Leipzig bekam besonders schlechte Bewertungen: bei zugeparkten Radwegen. Und bei Fahrraddiebstahl.
Fahrradfreundlich ist die Stadt nicht. Das wรคre sie, wenn sie im Fahrradklima-Test auf die Note 2 kรคme.
Und dann kommen die Lรถschkolonnen im Ordnungsamt: โDaten zu abgeschlossenen Ordnungswidrigkeitenverfahren werden nach den Vorschriften des Ordnungswidrigkeitengesetzes regelmรครig gelรถscht. Daher sind Auswertungen zu den Jahren 2014-2017 nicht mehr mรถglich. Auch zum Jahr 2018 wurden bereits Daten erledigter Vorgรคnge gelรถscht, sodass fรผr das 1. Halbjahr keine Angaben gemacht werden kรถnnen.โ
Nur das 2. Halbjahr war noch รผbrig: โIm zweiten Halbjahr 2018 sind 1.006 Vorgรคnge zum Parken auf dem Radweg erfasst.โ
Da kann man also davon ausgehen, dass jedes Jahr 2.000 Parkverstรถรe auf Radwegen vom Ordnungsamt festgestellt werden.
Die sind dann wieder Teil der gesamten Verkehrsordnungswidrigkeiten auf Radverkehrsanlagen. Die bezifferten sich 2018 immerhin auf 4.605 erfasste Fรคlle. Wobei das Ordnungsdezernat nicht aufsplittet, welche Verstรถรe das im Einzelnen waren.
Nur die Fallzahlen im Zusammenhang mit verhรคngten Buรgeldern zu Ordnungswidrigkeiten auf Radwegen hat man bis 2015 noch da. Aber es ist nicht zu verifizieren, ob hier Kfz-Nutzer abgemahnt wurden oder sogar Radfahrer.
Eher nebensรคchlich ist dann die vom Ordnungsdezernat aufgefรผhrte Lรคnge der Radwege: โBei der Betrachtung der Fallzahlen ist zu berรผcksichtigen, dass sich in den letzten Jahren der Bestand an Radverkehrsanlagen erheblich entwickelt hat und somit der Zuwachs an Ordnungswidrigkeiten ins Verhรคltnis zur Lรคnge der Radverkehrsanlagen zu setzen ist. Entscheidend ist fรผr die Betrachtung die Summe der Werte zu den Kategorien Radwege, Radfahrstreifen und Schutzstreifen. Im Zeitraum 2009-2017 hat dieser Wert um 66 km von 338 auf 404 km zugenommen, also um ca. 20 %.โ
Nein, dieses Verhรคltnis ist nur bedingt herzustellen.
Eher gilt das Verhรคltnis von Radfahrenden zu Stadtpolizisten. Und so ganz ohne Grund hat ja der Leipziger Stadtrat die Zahl der Stadtpolizisten nicht massiv angehoben โ ein Hauptargument waren dabei immer die vielen gemutmaรten Rechtsverstรถรe der Radfahrer und das Recht der Ordnungspolizei, auch in den rollenden Verkehr einzugreifen.
Aber hinter den 1.006 im 2. Halbjahr 2018 festgestellten Parkverstรถรen auf Radwegen stehen immerhin 24.539 Euro an verhรคngten Buรgeldern, also knapp 25 Euro pro Verstoร. Von โSollstellungโ schreibt das Ordnungsdezernat โ denn ein ausgestellter Bescheid bedeutet auch in Leipzig in vielen Fรคllen noch keine Zahlung, die Angemahnten kรถnnen noch in Widerspruch gehen. Und viele kommen damit auch durch.
Das ist ein bisschen anders als beim Schwarzfahren in der Straรenbahn, wo gleich mal 60 Euro fรคllig werden, weil das als โLeistungserschleichungโ gilt.
Ist Schwarzparken auf Rad- und Gehwegen nicht auch eine Leistungserschleichung?
โGibt es hรคrtere Sanktionen fรผr โWiederholungstรคterโ?โ, wollte die Linksfraktion noch wissen.
Das Ordnungsdezernat: โDie im bundeseinheitlichen Tatbestandskatalog festgelegten Verwarnungsgeldtatbestรคnde sind Regelsรคtze. Diese bewegen sich im Rahmen von 20,00 bis 35,00 EUR. Sie gehen von gewรถhnlichen Tatumstรคnden und i. d. R. von fahrlรคssigem Handeln aus. Bei wiederholten gleichartigen oder mehrfachen Verstรถรen und/oder dem Nachweis des Vorsatzes ist es daher rechtlich mรถglich, von diesen Regelsรคtzen abzuweichen.โ
Und wie viele Falschparker wurden nun abgeschleppt? Denn das Parken auf Radwegen ist ja deshalb verboten, weil dadurch gefรคhrliche Verkehrsbehinderungen erzeugt werden.
โIm Zeitraum 01.01.2016 bis zum 31.12.2018 erfolgten 110 Abschleppmaรnahmen zum Parken auf Radwegen, Schutzstreifen fรผr den Radverkehr sowie Parken auf Geh- und Radwegen.โ
Die angehรคngte Liste zeigt dann, dass zwar Straรen wie die Karl-Liebknecht-Straรe (am Sรผdplatz), der Tรคubchenweg (am Rabensteinplatz) oder die Oststraรe รถfter in der Abschleppliste auftauchen. Aber das Abschleppen ist im Stadtgebiet sonst eher nur ein sporadisches Thema. So wie auch die Auftritte der Ordnungskrรคfte ein sporadisches ist.
Die Liste mit den Abschleppvorgรคngen.
Ordnungsbรผrgermeister fertigt Antrag der Linksfraktion zum Falschparken auf Radwegen einfach ab
Ordnungsbรผrgermeister fertigt Antrag der Linksfraktion zum Falschparken auf Radwegen einfach ab
So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:
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Und da fragt sich doch der gemeine und geplagte Radfahrende;
Mit welchen Messbecher sind denn die O-Amt-Bediensteten ausgestattet, sodass es zu den in der pdf genannten Abschleppvorgรคngen kam?
Mit ein bisschen viel Willen ist es ja durchaus nachvollziehbar, dass BM Rosenthal sich auf das โErmessenโ beruft. Aber was ist das denn??!
Am Rabensteinplatz (Grassi) verstehe ich das ja noch. Aber in der Wiebelstraรe?
Wer ruft denn da beim O-Amt an und gibt dann auch noch das richtige โCodewortโ (welches?) durch, dass abgeschleppt wird. Von alleine wรผrde das doch nicht passieren.
Menschen von Die Linke: Fragt da bitte doch noch einmal genauer nach!