Für FreikäuferWenn man die LVZ dieser Tage liest, dann bekommt man das Gefühl, Leipzigs CDU kann vor Kraft kaum laufen. Und es reicht schon ein bisschen Kraftmeierei, und schon schmiedet diese Partei im Stadtrat eine Große Koalition der Willigen. Und dann geht es los – steckt Leipzig wieder die Milliarden in ein opulentes Straßennetz. Die schlichte Wahrheit aber ist: Die Stadt schafft es nicht mal, 200 Millionen Euro am Baumarkt zu platzieren.
Planungen verzögern sich, Fördermittelanträge werden zu spät bewilligt, oft so spät, dass sich auf die Ausschreibung kein Bewerber mehr meldet oder die Bewerber mit Summen agieren, die die Stadt nicht bezahlen kann. Reihenweise rutschen längst geplante Baumaßnahmen in spätere Jahresscheiben. Allein durch die Verzögerung erhöhen sich die Kosten wieder und fressen die Gelder für andere Maßnahmen auf.
Ein Effekt, der Leipzig nun schon seit Jahren begleitet. Recht anschaulich erlebbar mit dem 2013 beschlossenen „Mittelfristigen Straßen- und Brückenbauprogramm 2013 bis 2020“. Viele Großprojekte, die eigentlich längst fertig sein sollten, stecken noch immer in der Pipeline.
Von 32 beschlossenen Maßnahmen von Liste 1 („finanziell gesichert“) ist man im Grunde erst bei Nr. 18 – der Brücke vom alten Messegelände rüber zum Wilhelm-Külz-Park. Nr. 23 hat man noch geschafft (die Könneritzstraße) und Nr. 27 (die Georg-Schwarz-Straße im Westteil) wird gerade gebaut.
Aber schon wenige Meter weiter brennt die Luft: Die Georg-Schwarz-Brücken (Nr. 19 auf der Liste) sollten schon ab 2014 neu gebaut werden. Damals noch auf 21 Millionen Euro kalkuliert. Sie sind hochgradig von einer Sperrung bedroht. Dasselbe trifft auf die Plagwitzer Brücke zu (Nr. 20), mal geplant für die Jahre 2014 bis 2016, 2017 endlich reif zur Realisierung. Aber dann platzte der ursprünglich geplante Kostenrahmen von 3,6 Millionen Euro. Die Brücke kommt erst 2019 dran.
Und so ungefähr passiert das bei allen Leipziger Bauprojekten.
Das Ergebnis: Jahr für Jahr steigen die Summen im Haushalt, die der Stadtrat längst bewilligt hat, die aber schlicht nicht abgerufen und verbaut werden können.
Schön, dass man im Hause LVZ glaubt, ein Planungsstab bei der Stadt könnte das Problem lösen. Dazu sind die Ursachen für den Baustau zu vielfältig. Was übrigens auch Dirk Panter, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, kritisiert. Viele Förderprogramme des Landes sind so kompliziert, dass sich Land und Kommunen jahrelang über Peanut-Beträge streiten, bevor sich der Sachbearbeiter im Landesministerium bemüßigt fühlt, seinen Wilhelm unter den Antrag zu setzen.
„Das muss sich ändern“, sagt Panter und benennt das Investitionsprogramm „Brücken in die Zukunft“ als Modell für weniger Bürokratie, bessere Förderung und schnellere Genehmigung. Dass Leipzig keineswegs der Planungsvorlauf fehlt, wurde deutlich, als die Stadt aus dem Stand Projekte für 140 Millionen Euro für „Brücken in die Zukunft“ anmelden konnte. Vor allem Schulen und Kitas, wo der Investitionsstau am größten war.
Ein Stau, den auch Finanzbürgermeister Torsten Bonew (CDU) mit Sorge sieht. Denn wirklich erklären kann man den anwachsenden Berg investiver Haushaltsausgabenreste nicht wirklich. Der Berg wuchs seit dem Jahr 2012 von 101,24 Millionen Euro auf über 250 Millionen Euro im Dezember 2016. Und überstieg damit sogar die Investitionsplanungen der Stadt.
Im August fragte deshalb die Linksfraktion im Leipziger Stadtrat zum wiederholten Mal, mit welchen Maßnahmen die Verwaltung die investiven Haushaltsausgabenreste denn eigentlich abbauen will. Denn wenn der Stadtrat all die schönen Baumaßnahmen genehmigt, diese aber nicht umgesetzt werden können, wenn man sie braucht, stimmt ja irgendetwas nicht.
Zur Ratsversammlung am 13. Dezember ruft die Linksfraktion das Thema noch einmal auf: „Auf unsere oben genannte Anfrage teilte man uns mit, dass eine seit Oktober 2016 avisierte Beschlussempfehlung der Verwaltung an den Stadtrat mit der Beantwortung unserer Anfrage erledigt sei. Wir nehmen mit Erstaunen zur Kenntnis, dass eine Diskussion und gegebenenfalls Beschlussfassung zu dieser seit Jahren problematischen Thematik der stark ansteigenden und schleppenden Umsetzung von beschlossenen Investitionen nicht in den Ausschüssen sowie im Stadtrat erfolgen soll.“
Das einzige, was die Linksfraktion gefunden hatte, war die Antwort der Verwaltung auf Punkt 5 der Linken-Anfrage, „dass die ‚Prüfung und Umsetzung der nachfolgenden Maßnahmen‘ (insgesamt 12 Punkte) dazu beitragen soll, ‚die Steuerung des Investitionsprozesses weiter zu verbessern‘.“
Also doch nur ein Steuerungsproblem? Die Linksfraktion zweifelt. Denn die Auskunft vom August hatte eine ganze Latte von Gründen aufgezählt, warum es zu diesem riesigen Investitionsstau in Leipzig kommen konnte. Da stehen die fehlenden Planerstellen (drei Stellen allein im VTA) genauso drin wie die Eiertänze um Förderanträge und die Planungsverzögerungen (aufgrund von Personalmangel) in den Ämtern.
Zwölf Maßnahmen hat eine Arbeitsgruppe der Stadt aufgelistet, wie man gegensteuern möchte.
Aber für die Linksfraktion wird das alles nicht wirklich greifbar.
Deswegen will sie zur nächsten Ratsversammlung auch dazu ein paar Fragen beantwortet bekommen:
„Reichen die unter Punkt 5. genannten 12 Maßnahmen sowie die in den Punkten 1. und 2. dargestellten Maßnahmen, um von steigenden zu sinkenden investiven Haushaltsausgabenresten im Ergebnis zu kommen?
Welche der unter Punkt 5. unserer Anfrage genannten Punkte werden nun nach erfolgreicher Prüfung und ab wann umgesetzt?
Welche der genannten Maßnahmen können ggf. nicht umgesetzt werden und warum?
Welche Auswirkungen hat die aktuelle Haushaltssperre für Investitionen des Haushaltsplanes 2017 und für die Investitionsvorhaben, die im Haushaltsjahr 2017 als Neubeginne geplant sind, auf die zeitliche Umsetzung der vom Stadtrat beschlossenen Maßnahmen?
Wie soll künftig der Diskussionsprozess mit dem Stadtrat zu dieser Thematik erfolgen?“
Denn eines ist ja deutlich geworden: Wenn die Verwaltung nicht jährlich informiert, warum welche wichtigen Projekte wieder nicht gebaut wurden, tappen die Stadträte im Dunkeln und die Stimmungsmacher haben die Bühne für sich.
Und dass das mit der versprochenen Steuerung nicht so richtig funktioniert, bestätigt ausgerechnet der Verweis auf das „Mittelfristige Straßen- und Brückenbauprogramm“, dessen Umsetzung erst weit nach dem Jahr 2020 beendet sein wird. Der Planungsstab, für den die LVZ derzeit so trommelt, ist im Grunde dasselbe Wunschprogramm, das man mit der Taskforce im Kita- und im Schulbau versucht hinzubekommen. Als würde ein neuer Generalstab das Fehlen von Fußsoldaten und Fördergeldern ersetzen.
Die Antwort auf die Anfrage der Linksfraktion aus dem August.
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