Das ist dann gleich mehrfach verwunderlich, wenn das sächsische Verkehrsministerium zugeben musste: Im Jahr 2016 wurden wieder 80 Prozent der Fördermittel bzw. über 6 Millionen Euro für den kommunalen Radwegebau nicht genutzt. Schon 2015 verfielen 85 Prozent der Mittel. Und das in einem Land, in dem es allerenden an Radwegen fehlt und der Radverkehr zunimmt.
„Was nützen Fördermittel für den Radverkehr, wenn sie Jahr für Jahr in diesen Größenordnungen verfallen?“, fragt die Abgeordnete Katja Meier, verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, nach der Beantwortung mehrerer Kleiner Anfragen durch Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD).
Einen Grund für die Misere sieht Meier darin, dass die bereits Ende 2014 im Koalitionsvertrag von CDU und SPD versprochene Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Städte (AGFS) bis heute nicht gegründet wurde.
„Hier sehe ich Minister Dulig in der Verantwortung. Es wäre die Aufgabe seines Ministeriums, die Kommunen offensiv zu beraten und zu Anträgen zu ermutigen. Stattdessen begründet Martin Dulig in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage das geringe Interesse der sächsischen Kommunen an einer AGFS damit, dass diese nicht bereit wären, gegebenenfalls Beiträge dafür zu entrichten. Vor dem Hintergrund, dass die Staatsregierung jährlich Fördermittel für den Radverkehr verfallen lässt, ist diese Aussage völlig absurd. Wie wäre es denn mit einer motivierenden Ansprache, in der die Vorteile einer solchen AGFS herausgestellt werden statt finanzielle Beiträge anzukündigen?“, fragt die Grünen-Abgeordnete.
Aber die Information, dass seit Anfang 2016 die Staatsregierung den Bau kommunaler Radwege mit bis zu 90 Prozent fördert, scheint viele kommunale Verwaltungen noch nicht erreicht zu haben.
„Auch an den Planungskosten beteiligt sich der Freistaat“, betont Katja Meier. „Es ist höchste Zeit, dass das Wirtschaftsministerium endlich in einem kompakten, gut verständlichen Leitfaden planerische Hilfestellung für die Kommunen bereitstellt. Die fahrradradfreundliche Freigabe von Einbahnstraßen wird zum Beispiel von den unterschiedlichen Straßenverkehrsbehörden in Sachsen derzeit noch völlig unterschiedlich gehandhabt.“
Der Landtag hatte 2015 entschieden, dass im Jahr 2016 der Bau kommunaler Radwege mit 8 Millionen Euro gefördert werden sollte. Davon wurden 2016 aber nur 1,622 Millionen Euro (etwa 20 Prozent) durch die sächsischen Kommunen genutzt. Insgesamt wurden lediglich 13 Baumaßnahmen kommunaler Radverkehrsanlagen in ganz Sachsen gefördert.
Mit 856.000 Euro ging mehr als die Hälfte der ausgezahlten Fördermittel in den Landkreis Mittelsachsen. Jeweils zwei Radwege wurden in Dresden, in den Landkreisen Leipzig, Meißen und Görlitz sowie der Stadt Görlitz selbst gefördert.
In den Landkreisen Nordsachsen, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge sowie im Vogtlandkreis wurde 2016 jeweils nur ein Projekt gefördert. Keinerlei Fördermittel flossen hingegen in die Landkreise Zwickau, Bautzen, den Erzgebirgskreis sowie in die Städte Chemnitz und Leipzig.
„Die Radfahrerinnen und Radfahrer haben sich auch in Sachsen die Innenstädte zurückerobert. Städte wie Dresden, Leipzig, Delitzsch, Eilenburg, Radebeul oder Großenhain verzeichnen inzwischen etwa 15 bis 20 Prozent Radverkehrsanteil bezüglich aller zurückgelegten Wege“, benennt Katja Meier eine Entwicklung, die sachsenweit zu beobachten ist. Überall gibt es auch einen Stau neu zu bauender Radwege. Doch die Förderanträge scheinen irgendwo im Verfahren hängenzubleiben.
„Radverkehrspolitik ist auf kommunaler Ebene ein wesentlicher Teil der Stadtentwicklungspolitik. Eine weitere Zunahme des Radverkehrs als klimaneutrale, lärmfreie und kostengünstige Verkehrsart muss dringend gefördert werden. Sichere Radwege werden dafür dringend benötigt.“
Und dann ist da das Problem zunehmender Radunfälle bei steigendem Radverkehr.
„Innerstädtische Straßen sind Unfallschwerpunkte für Radfahrer und Radfahrerinnen im Alltagsverkehr“, erklärt die Abgeordnete. „Im Jahr 2016 verunglückten insgesamt 3.881 Radfahrer und Radfahrerinnen. Davon wurden 25 getötet und 837 schwer verletzt. Wer die Zahl der verunglückten Radfahrer und Radfahrerinnen senken will, muss deutlich mehr für eine sichere Infrastruktur tun. Woran es nicht nur im Landesamt für Straßenbau und Verkehr (LASuV), sondern auch in vielen Kommunen offensichtlich fehlt, sind ausreichende Planungskapazitäten und Fachkräfte, die sich ausschließlich mit Radverkehr beschäftigen.“
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