Wer einen zukunftsfähigen ÖPNV haben will, der muss ihn bezahlen. So einfach ist es eigentlich. Und so schwer. Und ganz bestimmt hätte OBM Burkhard Jung dereinst nicht erwartet, dass es die SPD-Fraktion im Stadtrat sein wird, die sagen wird: So geht es nicht! Man sichert den ÖPNV nicht mit „alternativen Finanzierungsquellen“. Und man stopft damit auch keine selbst verursachten Löcher.

Dass der ÖPNV in Leipzig besser finanziert werden muss und künftig auch die Preissteigerungen bei den Fahrkarten deutlich geringer ausfallen sollen, steht für die Leipziger SPD-Fraktion fest. Allerdings sehen die Sozialdemokraten eine Umsetzung der jetzt auch in einer Informationsvorlage vorgestellten alternativen Finanzierungsformen für den öffentlichen Personennahverkehr äußerst kritisch.

Anders als übrigens Grünen- und Linken-Fraktion, die tatsächlich den OBM beauftragen wollen, die notwendigen Gesetzesänderungen anzustoßen, damit Leipzig die vorgeschlagenen Finanzierungswege auch anwenden darf. Denn bislang ist es Kommunen gar nicht gestattet, auf solche Weise extra Gelder für den ÖPNV einzusammeln.

„Die Ergebnisse der vorliegenden Gutachten zu den ergänzenden Finanzierungswegen für den ÖPNV sind ernüchternd und sie sind vor allem nicht die Wundermittel, die manche – auch im Stadtrat – erhofft haben“, stellt SPD-Stadtrat Heiko Oßwald fest. Er ist tatsächlich einer der wenigen Stadträte in Leipzig, die mit Zahlen noch etwas anfangen können. Und nicht gleich in Jubelschreie ausbrechen, wenn MDV und Verwaltung sechs geldwerte Wunder versprechen. „Bis auf den untauglichen Vorschlag, die Grundsteuer kräftig zu erhöhen, sind schon mal alle anderen Anregungen nach aktueller Rechtslage nicht umsetzbar. Zudem halten wir beispielsweise ein Bürgerticket, einen ÖPNV-Beitrag oder eine ÖPNV-Taxe für nicht zielführend, um den öffentlichen Personennahverkehr nachhaltig besser zu finanzieren.“

In der Ratsversammlung stimmte die SPD-Fraktion deshalb mehrheitlich gegen den Vorschlag von Linken und Grünen, dass sich der Stadtrat zur Einführung alternativer Finanzierungsformen für den ÖPNV bekennen sollte, sofern dies rechtlich möglich werden sollte.

„Von uns wird es kein uneingeschränktes Bekenntnis zu den alternativen Finanzierungswegen für den ÖPNV geben. Stattdessen müssen wir eine Diskussion darüber beginnen, wie wir die Mehrbedarfe beim ÖPNV möglichst fair zwischen der Stadt Leipzig, der städtischen LVV und den Fahrgästen austarieren. Das wird sicher keine einfache Lösung“, erklärt Heiko Oßwald und hebt hervor: „Wir haben dazu bereits einen Antrag ins Ratsverfahren gebracht, der genau diese Diskussion jetzt mit der Neuaufstellung des Nahverkehrsplans und einer damit verbundenen Neuregelung des Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrags einfordert. “

Eine wachsende Stadt verlange auch einen deutlichen Ausbau des ÖPNV und dieser brauche mehr finanzielle Mittel. Dazu müsse jeder seinen entsprechenden Beitrag leisten. Die LVB und die Holding LVV sollten es über weitere Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen als permanente Aufgabe tun, die Stadt Leipzig selbst über höhere Zuschüsse, wenn mehr Leistungen bestellt werden sollten.

Übrigens ein Punkt, den die Grünen deutlich benannt hatten: Über den Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrag gibt die Stadt nur noch 45 Millionen Euro an Zuschuss an die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB), mittlerweile um einen Betrag von 3 Millionen Euro aus dem Stadthaushalt erhöht. Aber die bestellten Leistungen umfassen allein einen Aufwand von mindestens 60 Millionen Euro. Die Stadt hat also deutlich mehr bestellt, als sie bezahlt.

Nur ausgeglichen wurde diese Lücke in den letzten Jahren immer nur durch eine Erhöhung der Fahrpreise. Gegen die auch Grüne und Linke opponierten. Da ist es schon erstaunlich, dass sie das Ausweichmanöver mit den „alternativen Finanzierungsmodellen“ mitmachen, von denen eben fünf rechtlich überhaupt nicht umsetzbar sind. Und selbst wenn sie es wären, wären die Folgen wahrscheinlich eher negativ, wie der Fahrgastverband Pro Bahn vorgerechnet hat.

ÖPNV ist aber keine Aufgabe, die man einfach mal auf den Bürger abwälzt und ihn – nun auf Umwegen – verstärkt zur Kasse bittet. Entweder machen die gewählten Politiker eine belastbare  Nahverkehrspolitik – oder sie hören endlich auf, das Lob für den Umweltverbund zu singen. Das nennt man – frei nach Winnetou – „Reden mit gespaltener Zunge“.

So sieht es auch die SPD-Fraktion. Denn große Töne spucken auch Bund und Land. Die seien natürlich gefragt, auskömmliche Fördermittel zur Verfügung zustellen, um die notwendigen Investitionsmaßnahmen auch realisieren zu können.

„Das ist die einfache und ernüchternde Wahrheit. Und dafür werden wir uns als Fraktion auch in der anstehenden politischen Debatte zum Nahverkehrsplan und Anpassung des Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrages einsetzen“, sagt Oßwald.

Die Zeit, sich von „alternativen Finanzierungsquellen“ besoffen machen zu lassen, ist vorbei, die Zeit des Ausweichens auch. Jetzt gehören belastbare Zahlen und Entwicklungsziele auf den Tisch.

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