Seit Montag, 5. Dezember, sind die Gutachten zu den sechs möglichen Finanzierungsmodellen des ÖPNV in Mitteldeutschland öffentlich. Die Ratsfraktionen haben sie bekommen. Aber auch im Landtag rufen die Gutachten eine erste Reaktion hervor. Denn ohne wichtige Gesetzesänderungen im Land lassen sich die Vorschläge nicht umsetzen.
Das sieht auch die verkehrspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Leipziger Stadtrat, Franziska Riekewald, so: „Mit Interesse haben wir die erstellten Gutachten gelesen. Fakt ist, dass keines der Finanzierungsmodelle ohne Änderung des sächsischen Kommunalabgabengesetzes möglich ist. Wir fordern daher die Landesregierung auf, diese Änderungen so schnell wie möglich auf den Weg zu bringen. Nur so werden die Kommunen in die Lage versetzt, wirklich über die Einführung eines oder mehrerer der untersuchten Finanzierungsmodelle zu diskutieren.“
Von den sechs Vorschlägen fixiert sich die Linksfraktion nach wie vor auf das vieldiskutierte Bürgerticket. Bei dem würden alle Einwohner mit einem Einkommen einen Beitrag leisten und damit den größten Teil des ÖPNV finanzieren. Es würden zwar dann auch Bürger zahlen, die bislang nie oder nur selten den ÖPNV nutzen, aber das Ergebnis wäre ein ÖPNV-System, bei dem es keine Tickets mehr gäbe. Alle könnten Bus und Straßenbahn ohne Ticketkauf nutzen – was natürlich eine deutliche Absenkung der Barrieren wäre. Da stünde niemand mehr ratlos vor Ticketautomaten. Was auch Autofahrern das Umsteigen nicht nur leichter macht. Nur die Stadt müsste ein neues System schaffen, um die monatlichen Beiträge von allen Bürgern mit eigenem Einkommen einzusammeln.
„Nach wie vor sehen wir im Bürgerticket eine sehr gute Möglichkeit, die Fahrpreise für alle zu senken. In unseren Augen ist eine Einführung jedoch nur im Einvernehmen mit den Leipzigerinnen und Leipzigern möglich. Wir streben hierfür mittelfristig einen Bürgerentscheid an“, erklärt Riekewald. Die Linke werde hier vor allem auf eine solidarische Finanzierung achten, was dann heißt: Gruppen wie Kinder, Jugendliche, Menschen mit niedrigem Einkommen usw. müssten von einer Finanzierung ausgenommen sein bzw. dürften nur vermindert herangezogen werden.
Was wird mit den Zuschüssen von Stadt und Land?
Aber Riekewald sieht auch die Gefahr, dass sich die bisherigen Zuschussgeber dann noch weiter aus der Verantwortung stehlen, so wie es Leipzig in den letzen zehn Jahren gemacht hat.
Die Einführung eines Bürgertickets dürfe nicht dazu führen, dass sich die Finanzierung des ÖPNV noch mehr zulasten der Bürgerinnen und Bürger Leipzigs verschiebe. „Etwaige Preissteigerungen können nicht alleine von den Nutzerinnen und Nutzern getragen werden. Auch die öffentlichen Gelder müssen sich verlässlich und angemessen erhöhen. Vor allem das Land Sachsen und die Stadt Leipzig dürfen sich auch bei neuen Finanzierungsformen nicht aus der Verantwortung stehlen“, betont die Stadträtin. Auch deshalb habe Die Linke gemeinsam mit Bündnis 90/Die Grünen für das Haushaltsjahr 2018 eine Erhöhung des Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrages um 3 Millionen Euro in den Haushaltsberatungen beantragt. „Dies allein wird jedoch nicht reichen, auch eine bessere Finanzierung des ÖPNV durch Landesmittel ist unbedingt vonnöten“, so Riekewald.
Es sind also auch dann, wenn es ein Bürgerticket geben sollte, Stadt und Land keineswegs aus der Pflicht, den ÖPNV mitzufinanzieren. Sonst wird es ganz teuer und die Leipziger zahlen wieder allein für die Lösung eines Verkehrsproblems, das in einer wachsenden Stadt alle angeht.
„Es nützt nichts, sich gegenüber den Diskussionen über neue Finanzierungsmodelle zu verschließen. Städte wachsen, und die Verkehrsprobleme werden immer größer, was sich nicht durch mehr Straßen und Wege lösen lässt. Um die Herausforderungen einer lebenswerten Stadt und die internationalen Klimaschutzziele zu erreichen, braucht es einen attraktiven und kostengünstigen ÖPNV für alle“, sagt Marco Böhme, Sprecher für Klimaschutz und Mobilität der Linksfraktion im Landtag. „Die Finanzierungsideen des MDV gehen in eine richtige Richtung und machen viele Ideen konkreter. Jetzt gilt es, diese Gutachten genau zu prüfen, insbesondere was rechtliche Empfehlungen betrifft, die zunächst umgesetzt werden müssten, um die Vorschläge überhaupt umzusetzen. Stichwort Änderung des Kommunalen Abgabengesetzes.“
Das muss jetzt auf Länderebene geklärt werden.
Ein Bürgerticket über 30 oder gar 50 Euro?
Aber ein anderes Thema bereitet Böhme ebenfalls Bauchschmerzen: Wie teuer wird dann eigentlich der monatliche Beitrag fürs Bürgerticket? Unter den aktuellen Bedingungen käme der MDV auf 27 bis 32 Euro pro Beitragszahler im Monat. Was aus Böhmes Sicht schon eine happige Stange Geld ist.
„Die Menschen dürfen nicht den Eindruck bekommen, über den Tisch gezogen zu werden. Wir beteiligen uns an diesen Diskussionen und prüfen ernsthafte Umsetzungsmöglichkeiten. Allerdings halten wir einen Beitrag von über 20 Euro pro Person für zu hoch, um die Vision des fahrscheinfreien ÖPNV mehrheitsfähig zu machen“, sagt er. „Daher setzen wir uns für eine entsprechende Deckelung der Beiträge ein. Die Finanzierungslücke wollen wir durch die konsequente Weitergabe der Europa- und Bundesmittel zur Finanzierung des ÖPNV ausgleichen, da dies noch immer nicht passiert. Außerdem sollten eigene Landesmittel für den Ausbau der Infrastruktur verwendet werden, die zweifelsohne nötig sind, im MDV-Gutachten aber über die Bürger*innen finanziert werden.“
Wobei der MDV bei der Vorstellung der Gutachten auch schon einmal deutlich gemacht hat, dass auch ein Bürgerticket der Inflation unterliegt. Denn dass man so emsig nach alternativen Finanzierungswegen sucht, hat ja mit den erwarteten Kostensteigerungen zu tun, die die Verkehrsunternehmen in den nächsten zehn Jahren zu verkraften haben. Aber wenn die angenommenen Kostensteigerungen aufs Bürgerticket umgelegt werden, steigt der monatliche Beitrag der Leipziger bis 2025 möglicherweise auf 52 bis 58 Euro – also den Betrag, den jetzt schon ein Monatsticket kostet.
Man hat den Kummer der steigenden Preise nur anders verteilt. Aber ist das die Lösung?
Oder sollte erst einmal das gelöst werden, was Böhme und Riekewald ansprechen: Dass Land und Kommune sich endlich wieder angemessen an den ÖPNV-Kosten beteiligen? Denn wenn die Kostensteigerungen doch wieder nur von den Bürgern allein aufgefangen werden, erhöht das die Akzeptanz des ÖPNV ganz bestimmt nicht.
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Es ist schon sehr beachtlich: Seit Jahren stiehlt sich die Kommune aus der Verantwortung und gibt nur noch reduzierte Zuschüsse zum MDV. Und nun tut der die Drecksarbeit für die säumigen Zahler und überlegt, wie man das vorenthaltene Geld besorgen kann?
6 mittelmäßige Vorschläge für 200000 Euro? Wow! Das hätte ich für einen wirtschaftlicheren Preis hinbekommen.
Woher kommt die verrückte Idee, der Bürger müsste auf einmal alles bezahlen, damit jeder kostenlos fahren kann?
Warum nicht alle 10 Euro im Monat und jede Fahrt kostet 50ct?
Warum gibt es keine Variante, wo alle ansässigen Wirtschaftsbetriebe das Ticket für alle zahlen? Man darf davon ausgehen, dass der Großteil der Fahrten jene zur Arbeit sind.
Was sind das für “Äpfel+Birnen-Ideen” mit Abgaben, aber ÖPNV-Angebot muss erweitert werden? Muss es sowieso! Bei 580000+ Einwohnern.
Ziel muss sein, alle “Stadtprofitierer”, welche die Nähe und Vorteile des Ballungsraumes nutzen wollen, daran zu beteiligen. Das gilt für Firmen UND Bürger.
Jeder Euro eines reinen Bürgertickets verschiebt die Belastung noch weiter zu den bisher gebeutelten Nutzern.