ReportageAuch wenn sich die Reiterallee bei Abtnaundorf scheinbar im Gebüsch verliert, führt der Radweg dennoch weiter. Tatsächlich nach wenigen Metern sogar asphaltiert. Man staunt immer wieder in Leipzig, wie sich rustikale Knüppelstrecken mit fein gebautem Asphalt abwechseln, als wäre beim Radwegebauen ein Patchwork-System die Grundlage. Der Asphaltweg führt uns in diesem Fall nicht nur unter der Eisenbahnstrecke durch, sondern direkt zum Bagger.

Oder Naturbad-Nordost, wie es im amtlichen Sprachgebrauch heißt. Natürlich ist in dieser Morgenstunde vom kürzlichen Fund zweier Leichen nichts mehr zu sehen. Tatort war der beliebte Bagger sowieso nicht, hat die Polizei mitgeteilt. Friedlich liegt das Wasser. So, wie man es sich wünscht von einem alten Baggersee, der zum beliebtesten Badeort im Leipziger Nordosten geworden ist. Sogar die Enten nehmen hier die Verkehrsregeln ernst und kehren bei Sichtung eines Radfahrers sofort wieder um und watscheln zum Wasser, um gleich wieder umzukehren, wenn der Radfahrer gar nicht hier lang will, sondern nur kurz diese schöne Stille einzufangen versucht.

Verkehrserfahrene Enten am Bagger. Foto: Ralf Julke
Verkehrserfahrene Enten am Bagger. Foto: Ralf Julke

Sogar zwei tapfere Schwimmerinnen arbeiten sich durch das kühle Nass. Die Wegweiser zeigen, dass man sich als Nutzer der Radroute einmal um den Bagger herumschwingt und an der „Terrasse“ (für die ja bekanntlich eine Generalrenovierung fällig ist) vorbei hinauffährt auf die Theklaer Straße. Jetzt kommt ein Wegstück, das wahrscheinlich nur an Wochenenden einigermaßen gemütlich ist, denn hier führt die Route erst an der Theklaer, dann der Tauchaer Straße entlang. Wenn der Supermarkt hier an der Ecke geöffnet hat, wird hier allerhand Pkw-Betrieb sein.

Auch wenn man durchaus – wenn man alte kleine Orte mag – die Kurven durch Thekla genießen kann. Wenn nicht gerade Alltagsverkehr ist, darf man sich hier schon ganz schön weit weg fühlen von der Großstadt. Nur kurz vor der Göteburger Straße muss man aufpassen und sich als Linksabbieger einfädeln. Denn jetzt geht es direkt in ein ganz altes Stück von Thekla, das man an der Plösener Straße erreicht. Die ist nicht nach einem Ort irgendwo am Horizont benannt, sondern nach dem Örtchen, durch das wir gerade fahren.

Denn Thekla ist ein Kunstort, 1889 entstanden aus dem Zusammenschluss der drei Parthe-Dörfer Neutzsch, Plösen und Cleuden. In dieser Reihenfolge von West nach Ost. Und weil man niemanden bei der Namenswahl übervorteilen wollte, wählte man den Namen der Kirche (Hohen)Thekla als gemeinsamen Ortsnamen. 1930 wurde Thekla dann sowieso nach Leipzig eingemeindet. Am Eingang der Plösener Straße sieht man nicht nur einige der erhaltenen Bauernhäuser des einstigen Plösen, sondern auch eine der informativen Holztafeln, die an etlichen Punkten in den Parthedörfern aufgestellt wurden.

Ein Schild mit Geschichte an der Plösner Straße in Thekla. Foto: Ralf Julke
Ein Schild mit Geschichte an der Plösener Straße in Thekla. Foto: Ralf Julke

Diese hier informiert über die Geschichte Theklas – verrät aber nicht, dass man gerade in Plösen ist. Und auch nicht, dass man gleich, wenn man weiterfährt bis zum nächsten Abzweig auf die Straße Am Keulenberg, eines der schönsten Stücke der alten Parthenaue zu sehen bekommt.

Es ist wie so oft: Die eigentlich spannenden Dinge verrät einem kein Wegweiser und keine Tafel.

Obwohl hier Gelegenheit wäre. Doppelte. Denn dieser Abschnitt des Parthe-Mulde-Radwegs ist auch gleichzeitig Teil des Inneren Grünen Ringes. Und die Gemeinden im Grünen Ring betonen ja gern, wie sehr ihnen das Radwegenetz am Herzen liegt.

Aufpassen muss man trotzdem: Die Straße, die eher wie eine stille Landstraße aussieht, wird eifrig von Autofahrern genutzt. Deswegen stellt man sich hübsch an den Straßenrand, um über ein wasser- und wiesenreiches Gelände zu schauen, das ahnen lässt, wie große Teile der Parthenaue einmal ausgesehen haben, bevor die Menschen kamen und Straßen und Brücken und Kanäle bauten. So ungefähr kann die Parthenaue auch mal direkt vor dem alten Leipzig ausgesehen haben.

Da man nicht immer einen Wiesenkundler und Pflanzenbestimmer mit dabei hat bei so einer Tour, schaut man nur, genießt – und bleibt ungebildet. Sollte man sich den Gepäckträger lieber voller Bestimmungsbücher packen? Oder wäre es einfach schön, wenn irgendwo an der Route eine Tafel erklärt, was in der Aue alles wächst, gedeiht und besonders ist?

 

Hier geht’s unter der A 14 durch nach Plaußig-Portitz. Foto: Ralf Julke
Hier geht’s unter der A 14 durch nach Plaußig-Portitz. Foto: Ralf Julke

Dass man gleich unter dem gewaltigen Bauwerk der Autobahn A14 durchfährt, sieht man ja. Sie zerschneidet die Parthenaue an dieser Stelle auf eine monströse Weise, wie es heute wahrscheinlich kein Ministerium mehr genehmigen würde. Schon aus Hochwasserschutzgründen. Denn auch die Parthe braucht – wie wir 2011 und 2013 sahen – ein breites Auenbett, um sich im Hochwasserfall ausdehnen zu können. Der Autobahndamm steht wie ein Bollwerk mitten in der Aue.

Und da erinnert man sich an die mächtig-gewaltigen Pläne, die B 87, die heute noch durch Taucha führt, südlich von Taucha künftig mitten durch die dortige Parthenaue führen zu wollen. Das 300-Millionen-Euro-Projekt B87 neu steckt noch immer als potenzielles Projekt in der Bundesverkehrswegeplanung. Jahrelang haben Bürgerinitiativen aus Taucha und den besonders betroffenen Ortsteilen Plösitz und Sehlis gegen die Pläne gekämpft, noch so ein gigantisches Straßenbauwerk in die Parthenaue zu setzen. Bis sie eigentlich alle Partner in der Leipziger Region auf ihrer Seite hatten und eine Ertüchtigung der alten Straßenführung wieder Vorrang bekam.

Und dann haute der damalige Verkehrsminister dazwischen …

Wer diesen Kontrast des Gigantischen mit dem Irdischen sehen will, ist hier genau richtig. Linkerhand stößt sowieso noch ein riesiges Einfamilien-Neubau-Gebiet direkt bis zur Straße und an den Rand der Parthenaue vor. Ordentlich geschützt gegen den Lärm der A 14 natürlich durch riesige Schallschutzwände.

Wahrscheinlich lieben es Häuslebesitzer, hinter Schallschutzwänden zu wohnen. Es muss ein besonderer Lebensstil sein.

Also nix wie weiter, durch den Tunnel unter der Autobahn und- schwupps – ist man in einem richtig stillen Nest namens Plaußig-Portitz. War da nicht was?

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