ReportageAm Beginn des Teilstücks, das uns von der Volbedingstraße in den Abtnaundorfer Park führen wird, stören wir eine Katze beim Mäusejagen. Und die Parthe ist gefüllt mit riesigen Bergen grüner Schlinggewächse. Hier sieht es aus wie manchmal an der bretonischen Küste im Sommer: Die opulenten Düngermengen im Wasser lassen das Grün ins Kraut schießen. Wie waren eigentlich die Schadstoffmengen in der Parthe?

Das hätten wir jetzt gern gewusst. Aber aktuell gemessen werden diese Gütedaten des Wassers in Sachsen immer nur für die größeren Flüsse. Die Parthe hat keine solche Messstelle. Hier wird immer nur einmal im Jahr die Gewässerqualität bestimmt. Und wer sich erinnert: Wenn die Europäische Wasserrahmenrichtlinie in Sachsen umgesetzt worden wäre, dürfte kein Fluss im Land mehr eine schlechtere Benotung als 2, maximal 3 bekommen.

Gewässerqualität schlecht: die Parthe bei Schönefeld. Foto: Ralf Julke
Gewässerqualität schlecht: die Parthe bei Schönefeld. Foto: Ralf Julke

Wurde sie aber nicht. Die landwirtschaftspolitischen Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag streiten sich deswegen seit Jahren mit den Umweltministern des Landes, die in Doppelfunktion auch immer Landwirtschaftsminister sind. Und der Umweltminister hütet sich ziemlich auffällig, dem Landwirtschaftsminister zu sagen, er solle endlich die Bauern ins Boot holen und die Landwirtschaft endlich umweltfreundlich machen. Das ist sie nämlich nicht. Sowohl große Teile des großen Artensterbens in Sachsen – vom Feldhamster bis hin zu Hasen, Auerhähnen und Schmetterlingen – geht auf die industrialisierte Landwirtschaft zurück, als auch die hohe Belastung aller Flüsse mit Dünger und Pestiziden. Von den schweren Bodenverlusten ungeschützter Riesenfelder sprechen wir hier gar nicht.

Und was in die Flüsse gespült wird, sorgt dort für – na ja – Nährstoffreichtum. An der Parthe gut zu beobachten.

Im September 2015 hat der umweltpolitische Sprecher der Grünen, Wolfram Günter, zuletzt die Zahlen zur Gewässergüte bei Umweltminister Thomas Schmidt (CDU) abgefragt. Das Ergebnis ist klar: Nur in einem kleinen Stück im Landkreis Leipzig schafft die Parthe überhaupt die Note 4 für „unbefriedigend“. Der größte Teil der Fließstrecke – und damit der komplette Leipziger Teil – kommt über Note 5, „schlecht“, nicht hinaus.

So viel zur Gewässerqualität dieses Flüsschens.

Wo stecken wir uns jetzt unsere ganze Romantik hin?

Am besten in den Rucksack.

Unvorstellbar, in so einem Gewässer noch – oder wieder – baden zu wollen, wie es die Leipziger bis kurz vor Bau des Hauptbahnhofs taten. Daran erinnert ja das Straßenstück Am Gothischen Bad. Dort stand ab 1878 tatsächlich eine Badeanstalt mit Badevergnügen im Parthewasser.

Das nächste Wegstück führt uns auf einem gut asphaltierten Band und mit einigen sehr schwungvollen Kurven erst am Abtnaundorfer Sportpark und der dort befindlichen Fußballschule des DFB vorbei. Natürlich ist um diese Morgenstunde noch kein Kicker zu sehen, nicht mal ein Rasentrimmer. Nur die üblichen joggenden Leipziger begegnen uns. Und wir haben ein Déjà-vu: Haben wir den Herren mit dem Piratentuch nicht gerade erst gesehen auf einer völlig anderen Strecke? Oder war es ein anderer Tag? Einige Zeitgenossen scheinen fortwährend unterwegs zu sein, um sich fit zu halten für eine Arbeitswelt, die nur noch sportgestählte Helden braucht.

Zufahrt zum Schloss Abtnaundorf. Foto: Ralf Julke
Zufahrt zum Schloss Abtnaundorf. Foto: Ralf Julke

Kurz nach dem Sportplatz verzweigt sich der Weg, führt die gelb gedeckte, neu gebaute Radroute nach links. Sie ist erst im April 2015 feierlich eingeweiht worden, hat 200.000 Euro gekostet und erst einmal den Begriff Parthe-Mulde-Radweg in die öffentliche Wahrnehmung gehoben.

Tatsächlich könnten wir an dieser Weggabel nach rechts abbiegen und würden nicht nur auf den verschwiegenen Abtnaundorfer Parkteich mit seinem kleinen Pavillon stoßen, sondern noch ein Stück weiter auch einen Blick auf die Einfahrt zum Abtnaundorfer Schloss werfen.

Aber der gelbe Weg führt nicht ohne Grund in einer großen Kurve durch den Abtnaundorfer Park. Immerhin ist es – obwohl hier die Stadtgärtner nicht mit der Heckenschere unterwegs sind – einer der schönsten Parks in Leipzig. In Teilen ist noch die einstige Gestaltung als englischer Landschaftspark zu spüren. Dafür erinnern einige große Wiesen und neu gepflanzte Bäumchen daran, dass hier 2014 auch eine ganze Reihe Schwarzpappeln gefällt wurden – wenn sie nicht vorher schon umgefallen sind. Die hatte ein gewisser Sägewerksbesitzer Schlobach vor 100 Jahren hingepflanzt, um schnell wachsendes Holz für seine Sägemühle zu bekommen. Nur vertragen Schwarzpappeln keine hohen Grundwasserstände. Und auch im Abtnaundorfer Park ist der Grundwasserstand wieder angestiegen.

Es braucht jetzt also Bäume, die mit nassen Füßen zurechtkommen.

Blick zur Weidenhofsiedlung. Foto: Ralf Julke
Blick zur Weidenhofsiedlung. Foto: Ralf Julke

Die neu gebaute Route lädt auch mit ein paar Sitzmöbeln zum Verweilen ein. Und an der nächsten Brücke (amtlich: Brücke II Abtnaundorfer Park) käme man problemlos rüber nach Mockau (Süd). Das lohnt sich an dieser Stelle, denn zwischen Gontardweg und Beuthstraße kann man eine Siedlung bewundern, die in Leipzig nichts Vergleichbares hat: die Weidenhofsiedlung, die 1919 bis 1924 nach Entwürfen von Stadtbaurat Carl James Bührung gebaut wurde. Vom gelben Weg aus erhascht man von fern einen ersten Blick auf die ziegelroten Häuser.

Den kurzen Abstecher können wir nur empfehlen, bevor man weiterradelt auf gelbem Grund und nach der zweiten Parthebrücke im Park dann wieder auf rustikalem Fahrweg, der direkt zu einer noch viel rustikaleren Straße mit dem Namen An der Parthe führt. Eine zerfahrene Betonschwelle sorgt dafür, dass man hier nicht gleich auf die Straße prescht, denn – auch wenn man es nicht glaubt – manchmal kommt hier ein Anwohner mit höllischem Tempo angebraust. Wie von Taranteln oder Bremsen gestochen. Kann passieren. Denn wenn man jetzt scharf nach rechts biegt (der Wegweiser weist es auch an), kommt man nicht nur zur Reiterallee, sondern auch zu einem großen Pferdehof. An schönen Tagen kann man hier die geduldigen Vierhufer beim Grasen sehen. Heute freilich nicht.

Reiterallee in Abtnaundorf. Foto: Ralf Julke
Reiterallee in Abtnaundorf. Foto: Ralf Julke

Ein Obacht-Schild wäre gut, denn was auf der Karte Reiterallee heißt, sind nur zwei Reihen alter Bäume mit zwei (Reit-)Pfaden rechts und links und grünem Gras in der Mitte. Genau da müssen wir lang.

Wer trotzdem geradeaus fährt, kommt in das alte Dorf Abtnaundorf, von dem da und dort auch noch ein paar alte Scheunen und Bauernhäuser zu besichtigen sind.

Wir aber reiten über die Reiterallee Richtung Norden.

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