Traut sich jetzt ein Stadtrat, die Blackbox LVB zu öffnen? Oder werden wieder alle 70 brav die Hand heben und den von der Verwaltung vorgelegten „Bericht zur Umsetzung des Konzepts zur Finanzierung des ÖPNV und Betrauung der LVB“ für das Jahr 2014 absegnen und beschließen? Obwohl alle wissen, dass der Zuschuss für die Leipziger Verkehrsbetriebe um mindestens 9 Millionen Euro zu niedrig ist?
Denn so steht es da, wenn man diese Berichte, die Leipzig seit 2009 vorlegt, tatsächlich liest. Bis hin zu dem Satz, der beschreibt, wie die Leipziger Verkehrsbetriebe aus ihrem eigenwirtschaftlichen Bereich – also den Fahrgasteinnahmen – den gemeinwirtschaftlichen Bereich – also die Auftragsleistungen der Stadt – querfinanziert. Das kann einmal da stehen, wenn die von der Stadt gewährten 45 Millionen Euro nicht ausreichen. Aber nicht sechs Jahre hintereinander. Oder fünf. Denn aktuell hat ja der Stadtrat erst den Bericht für 2014 vorgelegt bekommen.
In dem steht: „Es zeigt sich, dass die gemeinwirtschaftlichen Leistungen leicht gestiegen sind und von Seiten der LVB die Gewinne in den eigenwirtschaftlichen Bereichen zur Deckung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen herangezogen werden, da der errechnete Ausgleichsbetrag für die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen in Summe über den gewährten Ausgleichsbeträgen liegt.“
Das Gutachten dazu ist nicht öffentlich, damit auch nicht die Zahlen. So dass sich kaum ein Leipziger ein Bild davon machen kann, in welcher Größenordnung die Fahrgäste die „gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen“ der LVB bezuschussen.
Aber man bekommt ein Bild, wenn man die Berichte der Vorjahre liest. Die stehen nicht auf der Website der Stadt, auch wenn man dort auf der Seite zum „Öffentlichen Nahverkehr“ lauter „Gesamtberichte der Stadt Leipzig nach EU-Verordnung“ aufgelistet sieht. Von 2009 bis 2014. Aber es ist nur der oberflächliche Teil. Wer aus diesen Texten herauslesen will, ob Leipzig nun das Beihilferecht der EU bei seinem kommunalen Verkehrsunternehmen einhält oder dagegen verstößt, der findet nicht mal einen Anknüpfungspunkt.
Weder die Summen zu den klar abzugrenzenden „gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen“ – noch die Kosten, die dafür bei den LVB entstanden sind.
Die etwas ausführlicheren Berichte (nicht die Gutachten) findet man im Ratsinformationssystem. Zum Beispiel den für das Jahr 2012, der 2014 beschlossen wurde.
Kleine Überraschung: Auch da steht der Satz, den wir oben zitiert haben.
Heißt: Auch schon im ersten Jahr, in dem die LVB mit 45 Millionen Euro Zuschuss auskommen mussten, dem Jahr 2012, haben sie nicht gereicht, um die beauftragten Leistungen zu erbringen. Man musste Eigeneinnahmen umschichten.
In welcher Größenordnung, ist unklar. Das steht da ja nicht. Nur, dass es so war.
Trotzdem wurden in der Folgezeit alle Anfragen aus dem Stadtrat zu dieser Unterfinanzierung abgeschmettert mit dem Hinweis, nach EU-Beihilferecht und dem legendären „Altmark-Trans“-Urteil von 2003 könne und dürfe Leipzig den Zuschuss nicht erhöhen. Weil: Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht und das Diskriminierungsverbot.
Warum eine Erhöhung dagegen verstoßen würde, hat man nicht weiter begründet. Und die ein bisschen mutigeren Stadträte haben wieder den Kopf eingezogen.
Also haben wir auch noch einen Bericht herausgesucht, der 2012 erschien und die Berichtsjahre 2009 und 2010 zusammenfasst. Da hatten die LVB anfangs noch 54 Millionen Euro, im nächsten Jahr noch 51 Millionen Euro Zuschuss.
Das hätte ja eigentlich reichen müssen, wenn alles stimmt, was inzwischen erzählt wurde.
Zu unserer Verblüffung aber steht schon in diesem Bericht der Satz: „In der Anlage 1 ist die Entwicklung der Parameter/Finanzierungsbausteine bzw. des Ausgleichsbetrages ab dem Jahre 2009 dargestellt. Es zeigt sich, dass die gemeinwirtschaftlichen Leistungen weitestgehend stabil sind und von Seiten der LVB die Gewinne in den eigenwirtschaftlichen Bereichen zur Deckung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen herangezogen werden, da der errechnete Ausgleichsbetrag für die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen in Summe über den gewährten Ausgleichsbeträgen liegt.“
Der gewährte Ausgleichsbetrag lag also schon 2009 und 2010 unter den gewährten Ausgleichszahlungen. Der Zuschuss an die LVB hätte also erhöht, nicht noch weiter gesenkt werden müssen.
Und noch etwas steht in dem Bericht, was in den späteren Berichten nicht mehr steht: die Kriterien, nach denen die Stadt Ausgleichsbeträge gewähren kann.
Und Kriterium 3 lautet: „Der Ausgleich darf tatsächlich nur die Kosten für die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns decken.“
Das wurde so auch immer wieder als Argument vorgetragen, wenn wieder mal eine Stadtratsfraktion so mutig war, eine Erhöhung des Zuschusses zu beantragen.
„Dürfen wir nicht“, war so ungefähr das Argument.
Aber keiner hat nachgefragt, wie hoch die Kosten der LVB für die beauftragten Leistungen tatsächlich waren.
Aber man kann es indirekt feststellen. Denn wenn für 2009 und 2010 schon gilt, dass die Zuschüsse nicht ausgereicht haben, dann lagen die Kosten für die gemeinschaftlichen Ausgaben mindestens bei 54 Millionen Euro.
Gesunken sind sie garantiert nicht, sonst wären sämtliche Begründungen für die Fahrpreiserhöhungen der Folgejahre schlichtweg erlogen gewesen.
Wahrscheinlich sind sie sogar gestiegen. Und falls es noch mutige Stadträte geben sollte, können sie die konkreten Zahlen jetzt nachfragen. Es muss sie ja irgendwo geben. Es ist sogar gut möglich, dass sie schon längst da liegen, wo der Ökolöwe Leipzig sie vermutet: bei 60 Millionen Euro jährlich.
Aber selbst wenn man die 54 Millionen Euro als Richtmaß nimmt, wird deutlich, wie sehr die Stadt den ÖPNV-Nutzern in Leipzig in die Tasche gegriffen hat, um sich ihre LVB und ihre beauftragten Leistungen billig zu rechnen.
Seit 2012 klafft eine Finanzierungslücke von mindestens 9 Millionen Euro. 2011 waren es 6 Millionen, 2010 3 Millionen Euro. Im Sparen waren die LVB immer gut. Das war ein richtig straffes Konsolidierungsprogramm, das freilich auch die Investitionsspielräume der LVB drastisch verengt hat. Wer seine „Gewinne“ dazu nutzt, die Beauftragung der Stadt querzusubventionieren, der hat kein Geld für neue Straßenbahnen übrig.
Aber zwischen 45 und 54 Millionen klafft mittlerweile eine so große Lücke, dass das Argument, man dürfe gar nicht mehr Zuschuss zahlen, längst nicht mehr stimmt.
Denn vom rechtlich gesetzten Maximum – der Vollvergütung der gemeinwirtschaftlichen Leistungen – sind Stadt und LVV um mindestens 9 Millionen Euro entfernt.
Man kann es auch so sagen: Die Stadt hat den LVB 54 Millionen Euro regelrecht entzogen, mit denen zum Beispiel neue Straßenbahnen im Dutzend hätten gekauft werden können.
Der Umsetzungsbericht von 2012.
Der Umsetzungsbericht von 2014.
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Es gibt 2 Kommentare
Also los:
welcher Stadtrat fragt nun mal die tatsächlichen Kosten ab – von den Linken wird sich doch bestimmt jemand finden, oder?
Na dann muss man einfach nur die Fahrpreise nochmal erhöhen … Und nochmal … Und nochmal …