Die Leipziger laufen mehr zu Fuß und fahren mehr mit dem Fahrrad. Das waren die beiden positiven Überraschungen, als im Juli 2015 endlich der neue "Modal Split" für das Verkehrsverhalten der Leipziger für das Jahr 2013 veröffentlicht wurde. Allein der Anteil der Radfahrten stieg von 14,4 Prozent im Jahr 2008 auf 15,2 Prozent. Nicht umwerfend, aber ermutigend. Das könnte noch deutlich mehr werden, findet der BUND Leipzig und plädiert für die Fahrradstadt Leipzig.
Die gibt es natürlich noch nicht. Das künftige Radhauptnetz lässt die Verwaltung gerade erarbeiten. Erst 2016 soll es im Stadtrat behandelt werden. Und man ahnt schon an der Verzögerung um ein Jahr, dass es nicht ganz einfach sein wird, das Konzept in der Stadt auch durchzusetzen. Denn wenn die Mehrheit der Leipziger schon lange umweltfreundlich unterwegs ist, heißt das noch lange nicht, dass die Botschaft auch den Leipziger Stadtrat erreicht hat.
Und ob die umweltfreundliche Verkehrszukunft auch in Mitmachprojekten wie “Leipzig Weiter Denken” ihren Niederschlag finden wird, ist völlig offen. Selbst dann, wenn die Notwendigkeiten eigentlich auf der Hand liegen.
Zu den guten Vorsätzen im neuen Jahr könnte ja genau dieses Umdenken gehören: Raus aus den alten Denkweisen, rein in wirklich neue Verkehrskonzepte.
Der BUND Leipzig spricht sich deshalb zum Jahresende für eine schnelle Umstellung des Stadtverkehrs auf gesunde und klimafreundliche Verkehrsmittel aus. Bei der jährlichen Versammlung des Vereins stimmten die Mitglieder für einen entsprechenden Leitantrag.
“Die Stadt wird, entgegen des Luftreinhalteplans, die Stickoxid-Grenzwerte der EU erneut überschreiten. Hauptursache für diese Schadstoffbelastung ist der motorisierte Straßenverkehr. Die rasant wachsende Bevölkerung könnte sogar für noch schlechtere Werte sorgen”, erklärt dazu Martin Hilbrecht, Vorsitzender des BUND Leipzig. “Der Abgas-Skandal zeigt, dass man nicht auf saubere Motoren hoffen braucht. Wenn die Stadt EU-Strafzahlungen vermeiden will, muss sie die Luftschadstoffe selbst rasch senken. Leipzig kann sich dreckige Luft nicht leisten.”
Der Umweltverband verweist auf die Luftqualitäts-Untersuchungen der Umweltbehörden Leipzigs, Sachsens und des Bundes. Sie alle zeigen, dass die Stickstoffdioxid-Grenzwerte in Leipzig öfter überschritten würden, als erlaubt. Hinzu komme, dass die Stadt ihren eigenen Luftreinhalteplan noch immer nicht vollständig umgesetzt habe. Ein wirksames Mittel, um die gesetzlich geforderten Werte zu erreichen, sei die Senkung des PKW-Anteils im Verkehrsmix.
Aber da haben augenscheinlich die Vertreter der starken Motoren mehr Gehör im Stadtrat als die eher stillen Radler. Im Leitantrag des BUND heißt es dazu: “Der Leipziger Luftreinhalteplan hinkt seinen Zielen hinterher. Bis Ende des Jahres 2015 wollte die Stadt allen BewohnerInnen saubere Luft garantieren. Zwar wurden viele begrüßenswerte Maßnahmen geplant, aber längst nicht alle umgesetzt. Das ist nicht immer klammen Kassen geschuldet, manchmal sind es auch laut tönende Lobbygruppen, die auf Kosten des Gemeinwohls ihren Beitrag verweigern.”
Wobei das zähe Ringen um ein barrierefreies Radnetz auch zeigt, dass die Widerstände auch in der Verwaltung groß sind. Über den schizophrenen Kampf um die Finanzierung der Leipziger Verkehrsbetriebe ganz zu schweigen. Auch die Zahlen zum “Modal Split” zeigen, dass die LVB sogar deutlich Anteile verloren haben. Der ÖPNV-Anteil sank von 18,8 auf 17,1 Prozent. Das kann man allein mit Baustellen und S-Bahn-Vorbereitungen nicht erklären. Tatsächlich verliert der Leipziger ÖPNV gerade im Berufsverkehr deutlich an Zuspruch und Attraktivität. Und es sind auch nicht allein die alten Tatra-Bahnen, die das Bild beeinträchtigen.
Typisches Beispiel ist die neu gebaute Karl-Liebknecht-Straße mit dem Peterssteinweg: Man hat zwar barrierefreie Haltestellen gebaut, eine zusätzliche auch noch an der Münzgasse. Aber gleichzeitig hat man vier neue Ampelsysteme eingebaut, die die Fahrt der Straßenbahn jetzt endgültig ausbremsen. Die Fahrgäste erleben hier tagtäglich mit, was ein ausgebremstes System bedeutet, in dem die Straßenbahn keinen Vorrang hat, aber selbst sinnlose Straßenquerungen mit starren Ampelschaltungen versehen sind.
Falsches Denken führt in Leipzig zu einer falschen Verkehrsphilosophie.
Und nicht nur die Straßenbahn wird ausgebremst – der Radverkehr genauso.
Leipzig habe das Potential zur Fahrradstadt, heißt es im Leitantrag des BUND Leipzig. Eine Stadt der kurzen Wege mit Platz für Fahrrad und ÖPNV biete mehr Barrierefreiheit, weniger Lärm und ein besseres Klima. Bevor das wachsende Leipzig am Auto-Verkehr ersticke, sollten der Fahrrad-Stadtring, autofreie Stadtviertel und der fahrscheinlose ÖPNV umgesetzt werden.
Wobei Leipzigs übereifrige Stadträte das Thema “Autofreiheit” am Markthallenviertel gerade wieder gründlich versiebt haben. Deutlicher hätte das Gremium gar nicht zeigen können, dass es noch immer auf der alten Spur ist und das Auto immer noch als Fortbewegungsmittel Nr. 1 betrachtet. So schafft Leipzig weder seine Klimaziele noch den Anfang 2015 so heiß diskutierten “Modal Split” mit 25 Prozent ÖPNV.
Die bis 2025 prognostizierten 20 Prozent Radverkehr wird es hingegen wohl geben. Aber zu hohen Kosten auch an Leib und Leben. Denn noch ist das Leipziger Radnetz gespickt mit unübersichtlichen, schlecht geregelten Abschnitten und Kreuzungen. Und immer da, wo es wirklich gefährlich wird, hat in Leipzig der Kraftverkehr Vorfahrt. Es zeichnen sich nur vage die Konturen einer modernen Stadt ab, in der das Fahrrad zum selbstverständlichen Verkehrsmittel wird. Aber der BUND Leipzig hat zumindest eine Vision. Und die heißt Fahrradstadt.
Und er will 2016 so emsig weitermachen wie 2015. Mit dem alten Führungsduo: Vorsitzender Martin Hilbrecht sowie seine Stellvertreterin Franziska Heß wurden von der Mitgliederversammlung im Amt bestätigt, neu im Leitungsteam ist Jessica Keim. Für sein Lebenswerk wurde Erich Liebisch, der nicht erneut kandidierte, zum Ehrenmitglied ernannt.
Der von BUND Leipzig beschlossene Leitantrag.
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Auch wenn die “Leipziger Messe” mit “Beach & Boat” und einige andere verwirrte Ratsmitglieder meinen, Leipzig sei die “Wasserstadt Leipzig”, so bleibt zu wünschen, dass der Spagat zwischen Wasserstadt für Bootsbesitzer und Studentenstadt für Fahrradbesitzer bald zum knallen kommt.
Die Stadt brauch Entscheidungen, keinen Eiertanz.