Ist das Fahrrad tatsächlich das Leipziger Verkehrsmittel der Zukunft? Alles deutet darauf hin. 2014 ist der Anteil der Leipziger, die das Fahrrad täglich bzw. mehrmals in der Woche nutzen, von 30 auf 32 Prozent gestiegen. Und noch deutlicher ist der Trend bei den Erwerbstätigen: Fuhren von ihnen 2013 noch 30 Prozent fast täglich mit den Rad, waren es 2014 bereits 33 Prozent. Besonders häufig wählen jüngere Leipziger das Rad als Hauptverkehrsmittel.

Bei den 18- bis 34-Jährigen stieg die (fast) tägliche Fahrradnutzung von 39 auf 45 Prozent. Die Leipziger Verkehrsdiskussion ist augenscheinlich eine Generationenfrage. Das wird selbst bei der Frage der Leipziger Statistiker in der “Bürgerumfrage 2014” sichtbar, die da lautet: “Wird in Leipzig genügend für den Radverkehr getan?”

Während bei den 35- bis 85-Jährigen 8 Prozent der Befragten sagen “viel zu viel”, sind es bei den jungen Befragten nur 2 Prozent. Im Grunde sogar eine recht freche Frage, wenn man bedenkt, dass sowohl bei den 18- bis 34-Jährigen als auch bei den 35- bis 54-Jährigen  die Unzufriedenheit mit dem, was für den Radverkehr getan wird, sehr hoch ist.

Die meisten Befragten pegeln sich – gefragt nach dem Zustand der Radwege – bei zufrieden (26 Prozent) und teils/teils (37 Prozent) ein. Wobei gerade ältere Befragte eher zu teils/teils neigen. Beim Angebot an Radverkehrsanlagen ist das Bild ebenso gemischt: zufrieden und sehr zufrieden sind nur 23 Prozent der Befragten, 36 Prozent finden das Radnetz sehr durchwachsen, 17 Prozent sind unzufrieden bis sehr unzufrieden. Bei den 35- bis 54-Jährigen sind sogar 24 Prozent unzufrieden bis sehr unzufrieden.

Das erzählt von einem Radwegenetz, das an einigen Stellen schon ganz gute Bedingungen bietet – an anderen aber den Radfahrern den Schweiß in den Nacken treibt, weil Übergänge nicht ohne Gefahr zu passieren sind, der Wegezustand schlecht ist oder sichere Alternativen abgeschirmt vom motorisierten Verkehr fehlen.

Denn wenn mehr Radfahrer unterwegs sind, heißt das auch, es sind mehr Leute unterwegs, die entweder schlaglochfreie Wege zur Arbeit brauchen oder ein höheres Sicherheitsbedürfnis haben.

Das wird sogar an einem Punkt deutlich, an dem sich Verkehrsplaner an den Kopf fassen: 60 Prozent der befragten Leipziger bevorzugen tatsächlich “separate, baulich getrennte Radwege neben der Straße”. “Viel zu gefährlich” sagte der ADFC an so einer Stelle. Die Radfahrer sind für die Autofahrer nicht sichtbar und kommen erst direkt an der Kreuzung in ihren Blickwinkel – Ursache für viele Kollisionen mit linksabbiegenden Fahrzeugen. “Radfahrstreifen direkt an der Straße sind viel sicherer”, sagt der ADFC. “Die Radfahrer sind jederzeit im Blick der Autofahrer. Die Unfallgefahr ist geringer.”

Aber Sicherheit und Sicherheitsempfinden sind oft genug zwei völlig verschiedene Dinge. Gerade in Leipzig, wo Radfahrstreifen oft und gern als Parkplatz oder Haltefläche genutzt werden, als Baustellenlagerplatz herhalten müssen oder durch sich unverhofft öffnende Fahrertüren erst zu Gefahrenzonen werden.

Schlechte Erfahrungen sorgen für bleibende Verhaltensänderungen. Was 2014 an zwei Einzelaspekten sehr schön deutlich wurde. Zwar scheint die Akzeptanz aller Befragten für die unterschiedlichen Radwegetypen insgesamt leicht gesunken zu sein. Aber gerade die berufstätigen 35- bis 49-Jährigen zeigen ein gesteigertes Vertrauen in separate Radwege: der Wert stieg von 68 Prozent im Jahr 2013 auf 72 Prozent. Es ist augenscheinlich eben doch kein Vergnügen, den Weg zur Arbeit direkt neben dem rauschenden Pkw-Verkehr zu absolvieren.

Und gleichzeitig sank sowohl bei den 35-bis 49-Jährigen als auch bei den 50- bis 64-Jährigen die Liebe zu den “separaten Wegen abseits von Straßen (z. B. Grün- oder Parkanlagen)”. Bei den einen von 61 auf 54 Prozent, bei den anderen von 52 auf 39 Prozent. Viele dieser Wege befinden sich mittlerweile in einem völlig abgefahrenen Zustand oder sind – wie im Clara-Zetkin-Park- so stark frequentiert, dass man kaum noch gefahrlos vorankommt. Das gehört dann eben auch in die Frage nach der “Qualität der Radverkehrsanlagen”.

Mit 28 Prozent Zufriedenheit mit der Qualität der Radverkehrsanlagen wird übrigens ein ähnlich niedriger Wert erreicht wie bei der Frage nach der Qualität der Fußwege in Leipzig.

Im nächsten Teil kommen wir also zu den Fußgängern, Parks, Grünanlagen und anderen ruhigeren Bestandteilen der Stadt.

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Fahrräder sind Fahrzeuge, demzufolge gehören sie auf die Straße, nicht auf den Fußweg (Ausnahme: Kinder im Vorschulalter) bzw. Radweg (in der Regel für zügiges Radfahren ohnehin ungeeignet) oder gar Fußgängerübergänge. Wer glaubt, dass die Straßen nur für den motorisierten Verkehr da sind, hat sich gründlich geirrt. Von daher braucht es kein “Radwegenetz” – es sind genügend Straßen da! Man muss den Kraftfahrzeugbenutzern nur klar machen, dass mehr PS nicht mehr Rechte bedeuten! Und wenn das im Guten nicht gelingt, dann eben mit Zwang (z. B. Tempo 30 innerorts).

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