Es muss so einiges reinpassen in den STEP Verkehr, den Stadtentwicklungsplan (STEP) Verkehr und öffentlicher Raujm, der nun - nach rund drei Jahren Diskussion, endlich am 25. Februar vom Stadtrat beschlossen werden soll. Die CDU thematisierte den Wirtschaftsverkehr. Nun hat auch die Linksfraktion einen wichtigen Änderungswunsch: Bus und Bimmel haben nicht die Priorität, die sie verdienen.
Seit 2003 gilt der aktuelle STEP Verkehr. Normalerweise ist er für zehn Jahre gedacht. Der neue ist also schon überfällig. Nicht ganz zufällig soll dieses neue 100-Seiten-Papier bis 2020 gelten. Aber was schreibt man wirklich rein, wenn man die Verkehrsentwicklung der nächsten Jahre irgendwie sinnvoll gestalten will?
Denn eklatant ist der Unterschied ja: 2003 waren die ersten zarten Blüten einer wieder wachsenden Großstadt erst geradeso zu sehen. 497.531 Einwohner stehen für dieses Jahr in der Leipziger Statistik. Von einem Einwohnerzuwachs um jährlich 10.000 wagte damals nicht mal der Verwaltungsbürgermeister zu träumen, der Baubürgermeister auch nicht. Dessen Hauptthemen waren damals “Rückbau” (von leer stehenden Wohnblöcken vor allem in Grünau) und über 30.000 leer stehende Wohnungen in innerstädtischen Quartieren.
Das ist vorbei.
Die Entwicklung geht schneller, als städtische Politik überhaupt umdenken kann. Mittlerweile hat Leipzig wieder ganz offiziell 535.732 Einwohner (Stand Juni 2014), auf den Dezember 2014 hochgerechnet längst über 540.000. Das hat auch die Verkehrsströme deutlich anschwellen lassen. Nicht nur im ÖPNV oder im Radverkehr, wo beides unübersehbar ist. Auch im Pkw-Verkehr. Die Straßen sind ja nicht deshalb so vollgestellt, weil die Stadt überall den Parkraum reduziert, sondern weil der Autobestand auch ganz einfach mitsamt der steigenden Bevölkerungszahl gewachsen ist. Allein der Bestand von Privat-Pkw, die die normale Parksituation in Leipzigs Straßen bestimmen, nahm von 175.941 Fahrzeugen im Jahr 2003 auf 191.722 im Jahr 2013 zu.
Da aber gleichzeitig mehr Menschen mit Rad, Bus und Bimmel unterwegs waren, ist die Situation im gesamten Straßennetz enger geworden. Auch wenn der ein oder andere Politiker dann doch lieber nur über die breiten Radfahrstreifen schimpft.
Ein modernes Konzept für alle Verkehre
Es könnte sein – so merkte zumindest die CDU-Fraktion an – dass Leipzig ein tatsächlich modernes Verkehrskonzept, das diese sich verdichtenden Probleme aufgreift, fehlt. Der Wirtschaftsverkehr sei ja nur ein Teil der Gesamtlage – bekomme aber die Situation längst zu spüren. Deshalb brauche die Stadt nicht nur einen einfachen Modal Split (über die täglichen Wege der Leipziger), sondern einen Gesamt-Modal-Split, der auch die unterschiedlichen Wirtschaftsverkehre mit erfasse.
So ein wenig bildet auch das Beschlussblatt der Stadtverwaltung zum STEP Verkehr die verdichtete Gemengelage ab, wenn unter den “Planungsgrundsätzen des Stadtentwicklungsplanes” aufgelistet steht:
- Verkehrspolitik ist Stadtpolitik,
- gleichwertige Mobilitätschancen sind zu sichern,
- stadt- und umweltverträgliche Organisationen des Verkehrs ist zu fördern,
- der Wirtschaftsstandort Leipzig ist zu stärken,
- der öffentliche Raum ist als Gestaltungsaufgabe zu begreifen,
- knappe Ressourcen sind effektiv einzusetzen und
- Verkehrsplanung ist als offener Prozess zu gestalten
Wo steht denn eigentlich der ÖPNV in der Rangordnung?
Aber just hier fehlt der Linksfraktion etwas. Auch aus guter Erfahrung: Gerade in den letzten Monaten hat sich die Fraktion intensiv mit der Situation des ÖPNV in Leipzig, also speziell den Arbeitsbedingungen der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) beschäftigt. Mit Anträgen, die automatische Tariferhöhung auszusetzen oder die Zuschüsse für das stadteigene Unternehmen endlich wieder anzuheben, scheiterte die Fraktion (manchmal gemeinsam mit den Grünen) an der Ablehnung durch die Verwaltungsspitze, aber auch an Mehrheiten, die so im Stadtrat nicht zu bekommen waren.
Doch die Studie des Mitteldeutschen Verkehrsverbundes (MDV) aus dem Herbst hat mehr als deutlich gemacht, dass auf die derzeitige Weise Bus und Bahn nicht mehr finanzierbar sind. Die steigenden Kosten können nicht einseitig auf die Fahrgäste umgelegt werden. Hier stehen auf jeden Fall Land und Kommune in der Pflicht, ihre Förderanteile wieder aufzustocken, damit Leipzig überhaupt noch einen funktionierenden ÖPNV behält.
Da ist dann die Sicherung von “gleichwertigen Mobilitätschancen” aus Sicht der Linksfraktion zu wenig. Auch das Bekenntnis zu “stadt- und umweltverträgliche Organisationen des Verkehrs” reicht ihr nicht aus. Sie sieht die Notwendigkeit, den ÖPNV in Leipzig sogar dringend zu priorisieren und beantragt deshalb eine Änderung in dieser Liste der Planungsgrundsätze. Sie will die Liste ergänzt haben um die Punkte:
- die Modernisierung, Attraktivitätssteigerung und der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) haben in Leipzig Priorität;
- bei allen künftigen baulichen, verkehrsorganisatorischen und sonstigen Maßnahmen in Verantwortung der Stadt Leipzig sind Verschlechterungen der Betriebsqualität der öffentlichen Verkehrsträger zu vermeiden.
Und die Fraktion begründet ihren Änderungsantrag so: “Der besondere Stellenwert des öffentlichen Personennahverkehrs kommt in der aktuellen Version des StEP Verkehr ungenügend zur Geltung. Indes ist in einer (wieder) wachsenden Stadt die durch die Verkehrszunahme zwangsläufige Verschlechterung der Bedingungen für alle Verkehrsteilnehmer nur dann vermeidbar, wenn der öffentliche Personennahverkehr hinsichtlich Attraktivität und Betriebsqualität Vorrang vor allen anderen Verkehrsträgern genießt.”
Was dann wieder mit dem heiß diskutierten Modal Split zu tun hat. Denn der sieht langfristig eine Steigerung des Anteils von Bussen und Bahnen am Gesamtverkehr von 25 Prozent vor (statt der 2008 ermittelten 16 Prozent). Die LVB haben daraus schon längst (zumindest auf dem Papier) ein “Projekt 25” gemacht.
Das “Projekt 25” braucht mehr nur ein Bekenntnis
Dumm nur, dass jährlich eine Investitionslücke von rund 20 Millionen Euro aufklafft. Das bedeutet nicht nur einen erheblichen Rückstand bei der Sanierung des Streckennetzes, sondern auch bei der Anschaffung von neuen Bahnen. Bis 2012 sollten einst die alten Tatra-Fahrzeuge aus dem Straßenbild verschwinden. Jetzt ist – mit dem neuen Beschaffungsprogramm für neue Straßenbahnen – das Jahr 2018 im Gespräch.
Das sind sechs Jahre Verzug, die in gleicher Größenordnung auch auf das Gleisnetz zutreffen. Der ÖPNV hatte (mangels ausreichender Finanzausstattung) in den letzten Jahren eindeutig keine Priorität. Und die Zeit drängt. Nicht ohne Grund verweist die Linksfraktion auf das Bevölkerungswachstum: Tatsächlich brauchen die LVB nicht nur größere Fahrzeuge, sondern letztlich auch mehr davon. Takte müssen verdichtet werden, neue Strecken geplant – gerade dort – wo sich neue Ortsteile dem Bevölkerungswachstum stellen müssen. Dieses Wachstum kann nicht allein mit Pkw oder Rad abgewickelt werden, das braucht eindeutig mehr und vor allem barrierefreie Kapazitäten im ÖPNV.
Und verankert werden muss es im neuen STEP Verkehr, der bis 2020 gilt. Denn die Entwicklung fällt genau in diese nächsten fünf Jahre. Ob es danach so weitergeht, weiß ja noch keiner.
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