Wie gefährlich einseitiges Betrachten komplexer Zusammenhänge sein kann, ist am Beispiel der CDU-Stadtratsfraktion sichtbar. Vor wenigen Tagen gab deren stv. Vorsitzende, Frau Dr. Heymann, die Parole aus, dass sich alles um den „Fließenden Verkehr“ drehen müsse und gegebenenfalls dafür die Straßenbahn ausgebremst gehört. Unter dem fadenscheinigen Vorwand des „Wirtschaftsverkehrs“ ist mit Verkehr natürlich nur der PKW-Verkehr gemeint.
Dass vom Fußgänger bis zum Straßenbahnfahrgast alle anderen auch Verkehrsteilnehmer sind, ist schon ein zu weiter Horizont. Jegliche Beschreibung, was mit Wirtschaftsverkehr gemeint sein könnte, fehlt ebenso. Offenbar kennt die Stadt-CDU auch nur den auf 4 Rädern.
So wichtig ein Sprachrohr für die Belange der „Wirtschaft“ ist, dringend kann dieser nur geraten werden, sich bessere Vertreter als die Rats-CDU zu suchen. Denn mit den veröffentlichten Ambitionen, für eine fiktive Grüne Welle sogar die ureigene städtische Wirtschaft gefährlich zu schädigen, hat Frau Dr. Heymann sämtliche Holzwege auf einmal durchritten. Bereits heute sorgen die vermeidbaren Stopps und Schleichfahrten der Bahnen und Busse vor den Leipziger Ampeln für einen jährlichen Zusatzaufwand von 10 bis 12 Millionen Euro. Das ist kommunales, also unser aller Geld. Etwa in der Größenordnung von sechs Jahren Fahrpreiserhöhung! Dieser Schaden reicht der CDU offenbar nicht, er muss noch größer werden.
Überraschend zeigt die millionengroße Zahl des Zeitverlustes auch, dass der Öffentliche Nahverkehr mitnichten stetiges Ampelfrei genießt. Stattdessen wurde gerade an der Lützner Straße die Grüne Welle für den Straßenverkehr geplant. Umso erstaunlicher, dass hier wie anderswo diese nicht bemerkt wird: das Ergebnis jahrelanger selektiver Wahrnehmung. Weder erklärbar noch notwendig ist, noch mehr Versuche zu unternehmen, denn das anhaltefreie Fahren wird augenscheinlich nicht honoriert. Nur die Nachteile schlagen zu Buche!
Wie alles hat auch die Grüne Welle ihre Schattenseiten. Die augenscheinliche Attraktivität sorgt vor allem für wesentlich höheres Fahrzeugaufkommen. Die Menge an Fahrzeugen ist veränderlich, der Wirtschaftsverkehr macht mit 20 Prozent einen kleinen Teil aus, sonntags nahe an der Bedeutungslosigkeit. Warum sollte auf Kosten städtischer Unternehmen der PKW-Strom künstlich verstärkt werden?
Völlig vergessen wird, dass Fußgänger und auch Radfahrende fast nie in den Genuss Grüner Wellen kommen. Dementsprechend hinderlich werden ampelgeregelte Kreuzungen empfunden. Andere Großstädte, Kopenhagen zum Beispiel, schaffen längst stoppfreie lange Radwege bis ins Zentrum, um größere Mengen Berufspendler anzusprechen. Davon profitiert die Wirtschaft, denn die Kosten der Schattenseiten bleiben den Bürgern erspart.
Die Feinstaubdebatte zeigt obendrein, wie sach- und fachfremd lediglich Lobbyinteressen vorgeschoben werden. Leider geht es hier nicht um „fehlendes Verständnis“, sondern um die reale Gefahr, in enorme Strafzahlungen hineingezogen zu werden, weil selbst simple Möglichkeiten, die Partikelmengen zu mildern, ungenutzt bleiben. Der Straßenverkehr sorgt gewiss nicht allein für die Messwerte, doch neben Abgasen sind es die Staubaufwirbelungen beim Fahren, die negativ zu Buche schlagen. Unschöne Fahrverbote klingen schrecklich, treffen viele. Doch hat die Stadtrats-CDU bisher ernsthaft Temporeduzierungen auch auf Hauptstraßen als Alternative unterstützt? Durch Minderung der Aufwirbelungen hilft es doppelt, sorgt in Summe nicht wirklich für Reisezeitverlängerungen und stärkt zahlreiche Alternativen vom ÖPNV bis zum Radfahren. Und hat die Landes-CDU nicht erst die Baumschutzsatzung gekippt, mit der Bilanz, dass sofort tausende Bäume in den Großstädten verschwanden? Vor diesem Hintergrund kolossaler Fehlentscheidungen als ultima ratio den städtischen ÖPNV noch weiter schädigen zu wollen, kann wahrlich kein Empfehlungsschreiben für Wirtschaftsinteressensvertretung sein.
„Das Kind mit dem Bade ausschütten“ beschreibt am ehesten, wie unter dem Deckmantel des Wirtschaftsverkehrs jedwede Beeinflussung des Straßenverkehrs abgelehnt wird. Dabei reduziert sich der Verkehrsbedarf der Wirtschaft auf den Transport von Waren. LKW-Kolonnen rollen nicht mehr durch die Stadt, längst um diese herum. Längst sind die größten Versender und Empfänger in den Industriegebieten außerhalb der zentralen Stadtquartiere angesiedelt. Es gibt schlichtweg keinen plausiblen Zusammenhang.
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