Es gibt viele Gründe, mit dem jetzt veröffentlichten Stadtentwicklungsplan (STEP) Verkehr nicht zufrieden zu sein. Die Diskussion bestimmen derzeit vor allem Akteure, die alles so, wie es seit den 1990er oder gar den 1970er Jahren lief, prima fanden: Freie Fahrt für jedes Automobil, autogerechte Stadt, wären die Schlagworte. Aber tatsächlich steht Leipzig längst am Scheideweg: Der Autoverkehr droht die Stadt in manchen Stunden regelrecht zu ersticken.

Und das nicht nur beim “ruhenden Verkehr”, wie die zugeparkten Straßen gern beschrieben werden, sondern auch im gewöhnlichen Alltagsverkehr, wenn sich immer mehr Verkehrsteilnehmer im verengten Straßenraum drängen.

Der Leipziger Umweltbund Ökolöwe lobt nun ausdrücklich die in dem Umfang noch nie dagewesene Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Erstellung des neuen Stadtentwicklungsplans (STEP) Verkehr und öffentlicher Raum. Ex-Baubürgermeister Martin zur Nedden (SPD) hatte zwischen 2011 und 2014 dutzende Veranstaltungen und sogar einen eigenen Bürgerwettbewerb für neue Verkehrskonzepte durchgeführt. Zur Nedden hatte alle gesellschaftlichen Akteure bei der Erarbeitung eingebunden.

Aber Beteiligungsprozess heißt eben auch, dass nicht nur die Aktivisten für die umweltgerechten Verkehrsarten ihre Wünsche berücksichtigt sehen. Auch die klassischen Verkehrsarten sind im STEP verankert und sehr ausführlich berücksichtigt.”Wir kritisieren jedoch, dass am Ende des Prozesses der Wirtschaftsverkehr in dem Plan einseitig bevorzugt wird, obwohl andere Verkehrszwecke, wie Freizeit-, Einkaufs-, Berufs- und Ausbildungsverkehr viel größere Bedeutung für das Geschehen auf Leipzigs Straßen haben”, erklärt dazu Tino Supplies, verkehrspolitischer Sprecher des Ökolöwen.

Nur rund 10 Prozent des Verkehrsgeschehens in deutschen Städten ist Wirtschaftsverkehr, das heißt dienstlichen Wegen zuzuschreiben. Die größte Bedeutung haben Einkaufs- und Freizeitverkehr mit zusammen 70 Prozent aller Wege. Die Frage ist also auch: Muss der STEP Verkehr nicht auch mit anderen Stadtentwicklungsplänen – wie dem STEP Zentren – besser verzahnt werden? Denn wenn immer neue Einkaufsmärkte mit großem Parkplatzangebote gebaut werden, animiert das die Einkäufer nicht wirklich zum Umsteigen auf Bahn oder Rad.

“Bei den Mobilitätsbedürfnissen von Kindern und Jugendlichen ist der STEP ebenso schmallippig”, bedauert Supplies. “Aspekte einer kindergerechten Stadt müssen im Verkehrskonzept mindestens genauso intensiv behandelt werden wie der Wirtschaftsverkehr.”

Deutlich kritisiert der Ökolöwe den im Konzept vorgesehenen Neubau von Straßen. Neben vielen weiteren fragwürdigen Neubaumaßnahmen für den Autoverkehr enthält der STEP auch Pläne für den Bau einer großen Verbindungsstraße quer durch ein intaktes Wohngebiet in Stahmeln sowie durch ein angrenzendes Naturschutzgebiet. So richtig will sich Leipzigs Stadtverwaltung vom Mega-Projekt “Mittlerer Ring” immer noch nicht trennen, obwohl die Zeit dafür überreif ist.

“Wenn das kommt, werden die Anlieger enteignet und wichtige Naturräume zerstört. Solche Relikte aus der Steinzeit der autogerechten Verkehrsplanung gehören nicht in einen zukunftsfähigen Mobilitätsplan”, sagt Supplies abschließend.

Zum Anteil des Wirtschaftsverkehrs im “MiD 2008”: www.mobilitaet-in-deutschland.de

Eine ausführliche Stellungnahme des Ökolöwen: www.oekoloewe.de/mobil_aktuell.html

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