Am 7. Januar war in der Dienstberatung des Oberbürgermeisters mal wieder das Thema Radfahren auf der Tagesordnung. Der "Radverkehrsbericht" für das Jahr 2012 wurde zur Kenntnis genommen. Ein 16-Seiten-Papier, in dem der Radverkehrsbeauftrage Jan Rickmeyer nicht nur Zustand und Baufortschritt im Leipziger Radwegenetz analysiert. 2012 ist Leipzig ein kleines Stück vorangekommen auf dem Weg zu einer fahrradfreundlicheren Stadt.
Dazu gehören ein paar wichtige neu gebaute Radverkehrsanlagen im Stadtgebiet. Die auch ihren Teil beitragen, Radfahren wieder attraktiver zu machen. Vor allem im Freizeitbereich. 2012 war das Jahr, in dem der Wegeanteil des Radverkehrs an den Wegen in der Freizeit zum ersten Mal deutlich den aller anderen Verkehrsarten übertraf. Was dann, wie Jan Rickmeyer feststellt, wohl auch den Gesamt-Modal-Split verändern wird. Der nächste wird 2015 ermittelt. In den jährlichen Bürgerumfragen aber erkundigt sich die Stadt Leipzig nach den Wegeanteilen der Verkehrsarten etwa zu Fahrt zur Arbeit, in die Freizeit, in die City oder zum Einkauf.
“Aufgrund von unterschiedlichen Erhebungsformen sind die kommunale Bürgerumfrage und die SrV-Erhebung nicht vergleichbar”, heißt es im Bericht. “Überträgt man jedoch den Trend der kommunalen Bürgerumfrage (Steigerung um 20 % im Mittel) auf den in 2008 erhobenen Radverkehrsanteil von 14,4 %, erhält man für die SrV-Erhebung einen überschlägigen ganzjährigen Radverkehrsanteil von ca. 17,2 %.”
Der Bericht 2012 bestätigt also die aktuelle Tendenz, dass der Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehr in Leipzig künftig weiter steigt. Insgesamt dient der Bericht dem Radverkehrsbeauftragten zur Abrechnung der für den Radverkehr getätigten Maßnahmen, als Übersicht zur Entwicklung des Radverkehrs, sowie zur Festlegung von Schwerpunkten der Radverkehrsförderung für das kommende Jahr.
Es gibt aber auch ein paar Hinweise im Radverkehrsbericht, die mehr als bedenkenswert sind. 2012 wurden nicht nur Radwege gebaut oder saniert – im Umfang von 1,9 Millionen Euro. Es wurden auch neue Radfahrerampeln und über 300 neue Radbügel installiert. Und Rickmeyer erwähnt auch die Tatsache, dass den größten Teil an den 15 neuen Kilometern Radweg die abmarkierten Radfahrstreifen hatten – 9 Kilometer entstanden auf diese Weise neu. Der größte Batzen dabei sind die 6 Kilometer in der Georg-Schumann-Straße, die eigentlich wieder in die Diskussion gehört. Denn im üblichen Leipziger Klippklapp, das dort, wo neue Radwege entstehen, auch neue Parkmöglichkeiten für Pkw aufgemalt werden, hat man auch in der Georg-Schumann-Straße die Parkstreifen für Pkw viel zu weit in die Kreuzungsbereiche gezogen. Das Ergebnis kann jeder in der Rushhour bewundern: Dann sind zwar die meisten Parkstreifen leer. Aber weil der Radfahrstreifen fast in der ursprünglichen Fahrbahnmitte liegt, stehen die Autos auf den Gleisen der Straßenbahn und hindern diese am Einfahren in die Haltestelle.
Andererseits sind Radfahrstreifen nicht nur die sicherere Alternative zu Radwegen, sie kosten im Schnitt auch nur ein Sechstel in den Herstellungskosten. Im Bericht steht es so: ” In 2012 wurden 9,2 km neue Radfahrstreifen markiert bzw. Radverkehrsmarkierungen erneuert, bei einem Investitionsvolumen von 553 TEuro. Dies entspricht im Vergleich zu 2011 nahezu einer Verdreifachung der investierten Haushaltsmittel sowie das 2,5-fache der Länge der neuen Radverkehrsmarkierungen. Zum Vergleich wurden in 2011 insgesamt 3,7 km Radfahrstreifen markiert bei einem Investitionsvolumen von 184 TEuro.”
Und ein Problem brennt Rickmeyer natürlich auf den Nägeln: Die Lage der Radfahrstreifen am Fahrbahnrand verführt Autofahrer geradezu dazu, sie als Parkfläche zu missbrauchen. Und selbst dort, wo der dauernde Missbrauch offensichtlich ist, schreitet die Stadt nicht ein.
Trotzdem verändert sich das Klima in Leipzig unübersehbar hin zu mehr Akzeptanz für den Radverkehr. Im Frühjahr 2014 will die Stadtverwaltung einen neuen Fahrradstadtplanes kostenlos verteilen.
“Damit möchten wir erreichen, dass die Bemühungen der Stadtverwaltung den Radverkehr zu fördern durch noch mehr Bürger anerkannt werden”, sagt Edeltraut Höfer, Leiterin des Verkehrs- und Tiefbauamtes. Im Fahrradstadtplan berücksichtigt werden sollen auch die im Bau befindlichen Radverkehrsanlagen, wie etwa der Radfahrstreifen in der Karl-Liebknecht-Straße.
Im Investitionshaushalt der Stadt Leipzig 2014 sind 800.000 Euro für Baumaßnahmen eingestellt die ausschließlich dem Radverkehr dienen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die tatsächlichen Haushaltsausgaben für den Radverkehr im Jahr 2014 den im Investitionshaushalt festgesetzten Betrag übersteigen werden, weil die Belange des Radverkehrs auch bei komplexen Baumaßnahmen mit berücksichtigt werden. Des weiteren werden auch durch verschiedene andere Fördermöglichkeiten, wie etwa der Stellplatzablösegebühr, Maßnahmen für den Radverkehr finanziert, betont die Verwaltung.
“Potentiale zur Erhöhung des Radverkehrsanteils liegen bei der Betrachtung nach der Art der Wege, in jedem Fall aber auch im Bereich Fahrradnutzung bei Einkäufen”, heißt es im Bericht, womit Rickmeyer ein heißes Eisen anspricht. Denn gerade die Leipziger “Stadtteilzentren”-Politik hat den Modal Split bei den Einkaufswegen in den letzten Jahren in eine ganz andere Richtung verschoben – hin zu mehr Pkw-Verkehr. Denn all die von der Stadt genehmigten “Stadtteilzentren” basieren auf der leichten Erreichbarkeit mit Pkw.
Ergebnis: “Hier liegt der Radverkehrsanteil über die Jahre gleichbleibend bei 12 – 13 Prozent. Lösungsansätze für die Unterstützung der Radverkehrsnutzung auf dem Weg zum Einkaufen, ist die Schaffung von sicheren Fahrradabstellanlagen im Umfeld der Geschäfte und Öffentlichkeitskampagnen in Zusammenarbeit mit dem Einzelhandel”, heißt es im Bericht. Ausgespart bleibt die Frage, ob die Versessenheit auf den Pkw-Kunden nicht gerade das Einkaufsverhalten von Fußgängern und Radfahrern negativ beeinflusst.
ADFC Leipzig zum Fahrradklimatest 2012: Fahrradklima in Leipzig hat sich seit 2005 verschlechtert
Das Klima für Radfahrer ist in Leipzig …
ADFC-Radklimatest: Sachsens Städte nur im Mittelfeld – auch Leipzig schafft nur Mittelmaß
Es gibt, wie es aussieht, eine ganze Reihe …
Bericht des Radverkehrsbeauftragten: Mehr Radverkehr macht Druck auf Leipzigs Verkehrspolitik
Rund 2,33 Millionen Euro hat die Stadt Leipzig …
Ein Thema fand der Radverkehrsbeauftrage ebenfalls wichtig: die Frage nach der Verkehrssicherheit für Radfahrer. Denn die Polizeiberichte sind ja gespickt mit Unfällen, an denen Radfahrer beteiligt waren. Und wenn Autos und Radfahrer kollidierten, ging das für die Radfahrer nicht immer glimpflich ab. Drei getötete Radfahrer gehören zur Leipziger Unfallbilanz 2012.
Aber diese Zahlen, so Rickmeyer im Bericht, müssten auf den gestiegen Radverkehr berechnet werden. Nur dann könne man sagen, ob Radfahren in Leipzig unsicherer geworden sei. “Betrachtet man jedoch die Steigerung des Radverkehrsanteils aus den Daten der kommunalen Bürgerumfrage im Vergleich zu 2002 (zeitlicher Vergleichshorizont), fällt auf, dass einer Steigerung des Radverkehrsanteils um 40 % (Modal Split Radverkehr in 2003: 12,4 %) nur eine Erhöhung von 20 % der Unfallkosten für schwer verletzte und getötete Radfahrer gegenübersteht (2002: 13,4 Mio. Euro zu 2012: 15,9 Mio. Euro). Das bedeutet also, dass das Risiko bei einem Unfall schwer verletzt oder getötet zu werden im Vergleich zu 2002 in 2012 reduziert werden konnte.”
Und dann noch der Widerspruch, der auffällt: Die Akzeptanz des Radfahrens ist in Leipzig deutlich gestiegen – das Radfahrklima aber hat sich sogar verschlechtert. Wie geht das zusammen? – Eigentlich ganz einfach, stellt Rickmeyer fest: Hier spielen sowohl die Stadt als auch die mediale Öffentlichkeit eine wesentliche Rolle. – “Der Fahrradklimatest stellte jedoch auch heraus, dass bestimmte Themen in der Stadt Leipzig als problematisch gesehen werden. Vor allem bei den Fragen zum Umgang der Presse mit dem Thema Radverkehr, der Reinigung von Radverkehrsanlagen, der Ahndung von Falschparkern auf Radverkehrsanlagen und der Fahrradmitnahme im ÖPNV wurde Leipzig nur unterdurchschnittlich bewertet. Besonders hervorzuheben ist darüber hinaus, dass bei den Fragen zum Winterdienst und zum Fahrraddiebstahl die Stadt Leipzig am zweitschlechtesten im gesamten Bundesgebiet bewertet wurde. Hier zeichnet sich also ein besonderer Handlungsbedarf ab.”
Heißt ja wohl im Klartext: Die Stadt muss noch ein bisschen mehr machen als nur Radwege bauen und Flyer verteilen. Sie muss auch dafür sorgen, dass die Radwege befahrbar sind und keine Autos drauf stehen und keine Schneeberge drauf liegen. Denn auch in der kalten Jahreszeit fahren die Leipziger mit dem Rad. Die Medien in der Autostadt Leipzig wird man hingegen eher schlecht ändern können.
Der Radbverkehrsbericht für das Jahr 2012:
Keine Kommentare bisher