Ein ganzes Fragen-Bündel zum Leipziger Nahverkehr, zum Stadtentwicklungsplan Verkehr und der Bürgerbeteiligung dabei, zu alten und neuen Plänen und Verkehrsversprechen hatte der Stadtrat der Linksfraktion, Jens Herrmann-Kambach, am 4. Oktober gestellt. Normalerweise gibt es dazu meist lakonische Antworten der Verwaltung und Verweise auf diverse Beschlüsse. Aber Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau (Grüne) scheint es anders machen zu wollen. Selbst ein 10-Minuten-Takt der Straßenbahn ist ihr eine ausführliche Antwort wert.

In der Woche ist zumindest in der Kernzeit ein 10-Minuten-Takt auf fast allen Linien das Normale. Schon zum Feierabend dünnt es oft aus. Am Wochenende fahren dann nur noch die Hauptlinien in dichteren Taktzeiten. Aber wenn die Straßenbahn ein attraktives Fahrmittel sein soll, dann sind 20 oder 30 Minuten geradezu kontraproduktiv. Das weiß man auch bei den Leipziger Verkehrsbetrieben (LVB). Deswegen starteten sie zum Fahrplanwechsel 2012 ein Pilotprojekt, auch auf den Linien 3, 4 und 12 zumindest am Samstag die Straßenbahnen im 10-Minuten-Takt fahren zu lassen.

Nach beinah einem Jahr wollte Jens Herrmann-Kambach, der als Straßenbahnfahrer ja das Leipziger Gleisnetz selber bestens kennt, wissen, ob die Sache funktioniert hat. Und ob es jetzt so weiter geht. Denn immerhin wollen Stadt und LVB ja den Anteil von Bus und Bahn am “Modal Split”, also der Verkehrsmittelwahl der Leipziger, von derzeit 20 auf 25 Prozent erhöhen. Das funktioniert nur, wenn auch die Bahnen häufiger fahren. Auch am Wochenende. Dorothee Dubrau betont, dass sie sich die entsprechenden Informationen auch erst von den LVB besorgte.

Endgültige Ergebnisse liegen noch nicht vor. Aber eine erste Evaluation im März 2013 konnte einen moderaten Fahrgastanstieg bei den betreffenden Linien nachweisen, darüber hinaus bestätigte eine Befragung von Fahrgästen auch die zusätzliche Nutzung der drei Linien durch Gelegenheitsnutzer und eine damit verbundene geänderte Verkehrsmittelwahl. “Insofern kann die Maßnahme im Sinne einer vorsichtigen Ersteinschätzung als erfolgreich bewertet werden”, so Dubrau. “Allerdings kann mit Basis März noch keine statistisch gesicherte Aussage zur tatsächlichen Höhe des Fahrgastanstiegs getroffen werden, einerseits wegen zu geringer Datenstichproben aus dem automatischen Fahrgastzählsystem und andererseits wegen der noch sehr kurzen Zeitspanne seit Einführung des neuen Angebots.”

Was also tun? Warten bis zum Fahrplanwechsel? – Die frohe Botschaft aus dem Hause LVB: Sie haben aufgrund der Datenlage entschieden, den Probebetrieb auf den Linien 3, 4 und 12 auch 2014 fortzusetzen und eine längere Zeitspanne zur Datenauswertung anzusetzen, um auf Basis statistisch gesicherter Werte eine Entscheidung zu einer möglichen Ausdehnung treffen zu können.

Was natürlich auch heißt: Der Trend geht zu mehr kurzen Taktzeiten am Wochenende. Das Problem aber: Es gibt keinen Reservepark und keine Reservefahrer, die man dafür schnell mal einsetzen kann. Es kostet also mehr Geld. Und es berührt ein für die LVB derzeit nicht ganz schmerzfreies Thema: Man braucht mehr Fahrer. Die müssen rekrutiert und ausgebildet werden. Insofern ist das zweite Testjahr auch eine Bedenkzeit: Ziel ist eine Entscheidungsfindung mit Umsetzungsperspektive zum Advent 2014.

Herrmann-Kambach hatte auch nach einem zusätzlichen Angebot in der Adventszeit gefragt, sozusagen mehr Bahnen für die Ströme der Weihnachtseinkäufer. Klare Ansage: “Grundsätzlich wird es keine Erweiterung des Angebotes speziell an den Adventswochenenden geben. (…) An den Adventswochenenden wird darüber hinaus die Größe der eingesetzten Fahrzeuge wie üblich dem höheren Bedarf angepasst.”Aber da gibt es doch noch – mitten im Weihnachtstrubel – diese große Eröffnung eines seit Jahren sehnlichst erwarteten City-Tunnels samt Mitteldeutschen S-Bahnnetz. Dass die LVB ein paar Haltestellen jetzt extra so bauen, dass die Übergänge kurz sind, wurde schon mehrfach berichtet. Aber sie wollen eine Bahnlinie jetzt tatsächlich aufwerten: “Ab dem Fahrplanwechsel am 15.12.13 ist eine Verdichtung des Takts der Straßenbahnlinie 14 von 20 auf 15 min bei Einsatz eines zusätzlichen Fahrzeugs vorgesehen, um der guten Nachfrageentwicklung in Plagwitz Rechnung zu tragen und eine bessere Kompatibilität zum S-Bahn-Takt zu ermöglichen. Schwerpunkt des Fahrplanwechsels im Dezember 2013 bildet die Einführung des Mitteldeutschen S-Bahn-Netzes, was eine erhebliche Angebotsverbesserung im ÖPNV-System bewirkt.”

Die Linie 14 dockt übrigens zwei Mal ans S-Bahn-Netz an: in ihrer Endhaltestelle Plagwitz an die S-Bahn S1, die ab 15. Dezember von Grünau über City-Tunnel nach Wurzen fährt, und am Hauptbahnhof an das ganze Bündel von S-Bahnen, die dort durchkommen. Eigentlich sogar drei Mal, denn am Wilhelm-Leuschner-Platz kann man aus der Tram 14 ebenfalls ins S-Bahn-Netz umsteigen.

Aber es ging Herrmann-Kambach ja darum, wann Leipzig auch am Wochenende endlich einen dichten Straßenbahntakt bekommt. Er fragte also auch: “Gibt es Ihrerseits Überlegungen zur Veränderung der Einstufung der Verkehrszeit Sonnabend (08:30 Uhr bis 19:00 Uhr im Nahverkehrsplan der Stadt Leipzig von der ‘Wochenendverkehrszeit’ in ‘Normalfahrzeit’?”

Das betrifft dann nicht mehr nur die LVB, sondern direkt die Stadt als Aufgabenträger für den ÖPNV. Wer 25 Prozent ÖPNV-Nutzung will, muss dem Auftragnehmer LVB auch die entsprechenden Rahmenbedingungen geben und vor allem auch die nötigen Zuschüsse.

Dorothee Dubrau: “Die Festlegungen im Nahverkehrsplan haben sich bislang sehr bewährt. Gerade die zuvor beschriebenen Aktivitäten der LVB zur Ausweitung des Angebotes am Samstag, aber auch das Netz 2010, zeigen, dass die heutigen Mindeststandards und Finanzierungsregelungen Anreize für Angebotsverbesserungen bieten. Bisherige Strategie von LVB und Stadt ist es, Angebotsverbesserungen ohne zusätzlichen städtischen Finanzierungsbedarf zu erreichen. Unbenommen davon wird Bestandteil der anstehenden Fortschreibung des Nahverkehrsplans auch eine Analyse zu den heutigen Mindeststandards sowie letztendlich ein Vorschlag für neue Mindeststandards sein.”

Was dann eigentlich die nächste Frage impliziert: Denkt die Stadtverwaltung überhaupt über alternative Finanzierungsmöglichkeiten nach? Immer weiter steigende Fahrpreise können nicht die Lösung des Dilemmas sein. Aber auch danach hat Jens Herrmann-Kambach gefragt. Dazu gleich mehr.

Zum Mitteldeutschen S-Bahn-Netz: www.s-bahn-mitteldeutschland.de/s_mitteldeutschland/view/index.shtml

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