So mancher offizielle Weiheakt, der unbedingt eine heiter-erwärmte Atmosphäre verdient hätte, war im diesjährigen Endlos-Winter in dicke Jacken gepackt und mit roten Nasen "verziert." So auch am 13. März in Dessau-Süd. Der Anlass war eher bescheiden, das Klima frostig, die Stimmung gedrückt. Warum das denn? Lag es nur an den Außentemperaturen, die auch der Transsibirischen Eisenbahn zur Ehre gereicht hätten?
Nein, die Inbetriebnahme des modernisierten Bahnhofs (Kostenpunkt: 700.000 Euro) – eine knappe Bahnstunde von Leipzig entfernt – offenbarte vielschichtige City-Tunnel-Bezüge.
Der Reihe nach: Dessau-Süd ist gewissermaßen der Hausbahnsteig des DB Werkes Dessau, wo 1.200 Fachleute die E-Loks der Deutschen Bahn am Laufen halten. 500 Personen – vor allem DB-Mitarbeiter – nutzen jeden Tag den Halt von insgesamt 40 Zügen, ein exzellenter Wert für eine sachsen-anhaltische Vorort-Station. An solchen Stellen zeigen sich prominente Eröffner gern. Das Protokoll listete den chronisch gut gelaunten sachsen-anhaltischen Minister für Landesentwicklung und Verkehr, Thomas Webel (CDU), ebenso wie den gerade eine Woche im Amt befindlichen Konzernbevollmächtigten der Deutschen Bahn für das Land Sachsen-Anhalt, Alexander Kaczmarek, auf.
Welch schwierige erste sieben Tage das für den neuen obersten sachsen-anhaltischen Eisenbahner waren, brachte der Minister auf seine eigene Art auch gleich in Erinnerung. Mit aufgesetzter Fröhlichkeit entfuhr es ihm, dass Kaczmareks Start ja nicht einfach war. “Ich verstehe das”, bemerkte Webel tröstlich. “Aber eine Entscheidung ist nun mal gefallen, und es kommen wieder andere Tage, und darüber werden wir reden.”
Kryptisch? Vom Mitteldeutschen S-Bahn-Netz II (MDSB II) war in der kurzen Ansprache des Ministers nicht die Rede und erst recht nicht von der niederländischen Eisenbahngesellschaft Abellio, die ab dem Jahr 2015 S-Bahnen durch den City-Tunnel fahren soll. Faktisch ging es aber genau darum. Die weitreichende Vergabeentscheidung fiel genau in die ersten Amtstage des neuen Konzernbeauftragten. Ein unverschuldet schwieriger Start für Kaczmarek. Eisig war nach der launig vorgetragenen Ansicht des Ministers deshalb nicht nur die Lufttemperatur.
Ein Kontrollblick, wie die Anwesenden reagieren, zeigte spätestens in diesem Moment: Hier fehlt doch einer in der illustren Runde. Stephan Georg Wigger, omnipräsenter Chef von DB Regio Südost, war ausgerechnet in Dessau-Süd nicht dabei. Eine Woche zuvor begleitete Wigger in fülliger Gemütlichkeit noch alle Antrittstermine von Kaczmarek. Wigger weg? Gerüchte ließen nicht lange auf sich warten. Am 27. März kam dann die offizielle Bestätigung der Deutschen Bahn: Stephan Georg Wigger verlässt DB Regio Südost “auf eigenen Wunsch”. Sofort.Es fällt auf, dass in Wiggers Amtszeit zuletzt zwei Schlüssel-Ausschreibungen mitteldeutscher Bahnnetze für die Deutsche Bahn verloren gingen. Als der neue Konzernbeauftragte Kaczmarek die Geschäfte in Sachsen-Anhalt übernahm, bemaß sich Wiggers Verbleib plötzlich nur noch in Tagen. Auch das fällt auf. So rasant kristallisieren sich im harten Manager-Alltag manchmal eben “eigene Wünsche” heraus.
Stephan Georg Wigger war zeitweilig eine mächtige Eisenbahn-Spitzenkraft in Mitteldeutschland. Solange es die Mitteldeutsche S-Bahn GmbH gab, war er deren Geschäftsführer. Auch das ist längst Geschichte.
Die Mitteldeutsche S-Bahn GmbH wird in der vielfach gewundenen Geschichte des City-Tunnels und seiner konzipierten S-Bahn-Linien als jene Gesellschaft in Erinnerung bleiben, die stark und selbstständig genug sein sollte, um das ganze Linienbündel in einer Hand zusammenzuhalten, dann aber eiskalt von einigen Vergaben von Teilnetzen an DB-Konkurrenten überholt wurde, um schließlich Ende 2012 still und leise aufgelöst zu werden, ohne dass diese Hoffnungsbahn überhaupt schon praktisch losgelegt hatte. Die Mitteldeutsche S-Bahn GmbH verschwand in der Versenkung, ehe der erste S-Bahn-Zug in den City-Tunnel einfahren konnte.
Vorausschauendes Fahren? Vielleicht. Vorauseilendes Bremsen? Scheint so. Offensichtlich muss sich die passende Organisationsstruktur der MDSB erst noch herausbilden.
Nunmehr wird es eine alte Bekannte sein, die dazu auserkoren ist, in Mitteldeutschland weiter die tragende S-Bahn-Rolle zu geben – DB Regio. Die unternehmerische Eigenständigkeit der erwachsen werdenden MDSB in der Deutschen-Bahn-Gruppe endete mit der fürsorglichen Re-Integration des Jungspunds in den alten Familienverband. Eine Entwicklung in bewährten Bahnen. Willkommen daheim.
Dazu gehören personelle Weichenstellungen. Frank Klingenhöfer ist ab dem 31. März 2013 neuer Vorsitzender der Regionalleitung von DB Regio Südost. In der Vita des 43-jährigen diplomierten Kaufmanns finden sich in 18 Bahn-Jahren fünf Positionswechsel auf verschiedene Managementposten. So dynamisch sieht normalerweise das Karrieremuster eines Krisenmanagers aus.
Bricht das Ostereis des Jahres 2013, wird ein neuer Wind wehen. Keine Frage, Klingenhöfer soll die Position der großen Deutschen Bahn in Mitteldeutschland konsolidieren, auch wenn die Vergaben an die noch kleine Abellio erst einmal Fakten für die kommenden 15 Jahre geschaffen haben.
Zurück nach Dessau-Süd und vorwärts in den City-Tunnel: Wenn das Mitteldeutsche S-Bahn-Netz wie vorgesehen am 15. Dezember 2013 startet, wird es keine S-Bahnen ab Dessau auf der Tunnelstrecke geben. Komplizierte Achterbahnfahrten bei den Vergaben ließen das vorerst nicht zu. Wenn die DB-Mitarbeiter des Werkes Dessau Ende 2015 erstmals die Gelegenheit haben werden, in Dessau-Süd in S-Bahnen zu steigen, werden es Züge des Wettbewerbers Abellio sein.
Im Frühjahr 2013 hat die Bahn in Mitteldeutschland erst einmal neue Herren der Züge. Sie müssen sich auf neue Züge des Wettbewerbs im MDSB einstellen.
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