Anlässlich des jüngst veröffentlichten Statistischen Jahrbuches 2012 und der Veranstaltung "Leipzig weiter denken - Mobilität der Zukunft" wirft die Leipziger Ortsgruppe des Fachverbandes Fußverkehr FUSS e.V. die Frage auf: "Ist Leipzig auf dem Weg zu einer fußgängerfreundlicheren Stadt?"
Mit Ja und Nein beurteilt die Ortsgruppe von FUSS die in Leipzig beobachteten Entwicklungen. So finden Fußgänger im Stadtzentrum gute Bedingungen vor. Dies gilt auch für die Zeit bis 11 Uhr, wenn sich Lieferwagen, Radfahrer und Fußgänger die Flächen teilen. Ebenfalls löblich: Das Konzept der autoarmen Innenstadt wird sukzessive weiter umgesetzt. Wenig komfortabel ist jedoch deren Erreichbarkeit: “Der für den motorisierten Verkehr sehr komfortabel ausgebaute Cityring hat für Fußgänger in Teilen eine ähnliche Wirkung wie früher die Stadtmauer. Erfreulich sind die in letzter Zeit umgesetzten Verbesserungen am Neuen Rathaus, sowie in Höhe der Grünewaldstraße oder auch die geänderte Ampelsteuerung am Willi Brandt Platz mit verkürzten Wartezeiten. Insgesamt sind beim Innenstadtring aber noch viele Verbesserungen möglich.
Ansonsten fällt nicht nur Fußgängern unangenehm auf, dass insbesondere sonnabends einige Auto-Führer zur Demonstration ihres sozialen Status ihre Luxus-Limousine oder ihren Geländewagen im Parkverbot oder auch auf Behindertenstellplätzen parken. Denken wir uns einfach, sie sind zu arm, die Parkgebühren im Parkhaus zu entrichten …Außerhalb des “Fußgänger-Reservats” zeigt sich der Alltag sehr gemischt. Das jüngst veröffentlichte Statistische Jahrbuch 2012 verdeutlicht, aus welcher Richtung ein eisiger Wind weht: “2011 ist der PKW-Bestand erneut angestiegen. Allein in den letzten vier Jahren kamen 13.380 Privat-PKW’s hinzu.” Diese beanspruchen “natürlich” weiteren öffentlichen Raum – zusammen genommen eine Fläche, die sechzehn mal so groß ist wie der Marktplatz. “Wollte man diese zusätzlichen Autos beispielsweise in der Tiefgarage Augustusplatz unterbringen, müsste man diese um einundzwanzig Geschosse erweitern. Oder hintereinander geparkt ergäben sie eine etwa 80 Kilometer lange Schlange.”
Fazit: Auch künftig sollen alle Bürger ihr Verkehrsmittel frei wählen können. Wenn jedoch die Verkehrsgruppe der Autofahrer ein Problem erschafft – dadurch, dass sie zu viele werden – so kann dieses nicht auf dem Rücken der anderen Bürger ausgetragen werden, indem etwa deren Mobilität eingeengt und die Aufenthaltsqualität in Straßen ruiniert wird. Damit also die Belange der Fußgänger und der autofreien Bürger nicht noch mehr unter die Räder respektive Stellplätze kommen, bedarf es in der Leipziger Verkehrspolitik klarer Weichenstellungen. Beispielhaft ist hier der so benannte “Historische Kompromiss” zu einem “non plus ultra” [von lateinisch non plus ultra > “nicht noch weiter”], mit welchem in Zürich schon 1996 eine Obergrenze für Stellplätze definiert wurde. Weder der Mobilität der Züricher noch deren Wirtschaftsleistung hat dies einen Abbruch getan, aber ihre Stadt hat dadurch an Qualität gewonnen.
Hingegen etwa noch mehr Stellplätze auf bisherigen Gehwegen anzuordnen – eine immer wieder zu hörende Forderung – bringt angesichts dieser Zuwachszahlen noch weniger als der viel zitierte Tropfen auf den heißen Stein. Aber es geschieht trotzdem. In einigen Straßen vollzieht sich dies im Rahmen von amtlichen, meist wenig öffentlich beachteten Umbauten, in anderen Straßen erfolgt es autonom durch die stoische Selbstbezogenheit einiger Autoparker.
Besonders ärgerlich hierbei: Wiederholt wurde die an sich viel zu lasche Ahndung der Falschparker als “Abzocke der Stadt” diskriminiert und den in manchen Straßen permanent zu beobachtenden Verstoß gegen die geltende Straßenverkehrsordnung in ein “Gewohnheits-Recht” verdreht. Aus Perspektive derjenigen Haushalte, die ohne eigenes Auto mobil sind, grenzt diese Darstellung an blanken Zynismus. Dabei handelt es sich bei dieser “auto-freien Gruppe” nicht etwa um eine kleine Minderheit, sondern etwa 38 % der Leipziger Haushalte verfügen nicht über einen PKW. (Zur Relation: Die derzeit stärkste Stadtratsfraktion erhielt etwa 15% weniger Stimmenanteil.)
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