Die hohen Kraftstoffpreise belasten Verbraucher und Unternehmen. Und sie belasten die Wirtschaft als Ganzes. Doch die Diskussion um Steuersenkungen greift zu kurz. - Die ganzen 1990er hindurch lag der Ölpreis bei um die 20 Dollar pro Barrel/Fass (159 Liter). Ab 2004 durchbrach er dauerhaft die Schwelle von 40 Dollar pro Fass und liegt heute etwa beim Sechsfachen dessen, was in den 1990ern zu bezahlen war.
Das heutige Rekordniveau an den deutschen Tankstellen ist kein Ergebnis von neuen Steuern auf den Spritverbrauch, sondern von einer grundlegenden Veränderung des weltweit gültigen Öl-Preises. Was ist die Ursache dafür, dass sich der Preis für Öl binnen weniger als 20 Jahren vervielfacht?
Da ist einerseits die steigende Nachfrage nach Öl in den Schwellenländern. Jegliche wirtschaftliche Aktivität benötigt Öl: Sei es zum Transport von Waren, Rohstoffen oder Mitarbeitern, sei es zur Fahrt zum Einkaufen oder um die Kinder in die Schule zu bringen, sei es, weil Öl über 70% des Rohstoffeinsatzes in der Chemieindustrie ausmacht. Unser Lebensstil, der weltweit nachgeahmt wird, beruht auf der Nutzung von Öl. Und so wie China, Indien und Südamerika die Angleichung der Lebensverhältnisse anstreben, so steigt die Nachfrage nach Erdöl.Die andere Seite dieser Entwicklung ist eine bislang unterschätzte Besonderheit der Ölförderung. Zwar gilt es als Allgemeinwissen, dass Öl ein endlicher Stoff ist, aber bereits weit vor dem sprichwörtlich “letzten Tropfen” wird die tägliche Fördermenge sinken. Seit 1990 stieg die täglich geförderte Ölmenge an: Waren es 1990 noch 66 Millionen Fass Öl pro Tag, so waren es 2011 schon 87 Millionen Fass. Doch immer mehr Beobachter warnen: Diese Menge lässt sich nicht mehr beliebig steigern! Man spricht vom Erreichen des “Ölfördermaximums” (Peak Oil).
“Peak Oil” bedeutet, dass die Fördergeschwindigkeit begrenzt ist. Die Internationale Energieagentur (IEA) hat in ihren Jahresberichten die Förderprognosen immer weiter zurückgeschraubt. Glaubte man bei der IEA in 2004 noch, dass 2030 121 Millionen Fass Öl pro Tag förderbar wären, so kürzte man die Förderprognose im Jahresbericht 2010 auf nur noch 96 Millionen Fass. Das Fördermaximum für konventionell gefördertes Erdöl ist laut IEA bereits seit 2006 überschritten, nur noch unkonventionelle Fördermethoden wie die Förderung in der Tiefsee, der Abbau von Ölsanden in Kanada oder sogenanntes “Fracking”, das unterirdische Aufsprengen von Gesteinsschichten, könnten noch die Gesamtförderung steigern. All diese Fördermethoden sind aufwändig und teuer, risikoreich und schmutzig.Die Ölförderung in Europa hat ihr Fördermaximum bereits 2002 überschritten, 2011 förderten die Europäer deshalb schon 40 % weniger Öl als noch 2002. Es ist kein Zufall, dass der anhaltende Preisauftrieb ab 2004 begann und der Einfluss dieses Förderrückgangs auf die europäische Finanzkrise könnte sich rückblickend als groß herausstellen.
Der weiter steigenden Öl-Nachfrage steht also ein Öl-Angebot gegenüber, was an seine Obergrenze stößt. Der Mechanismus von Angebot und Nachfrage führt in einem solchen Fall zu steigenden Preisen. Dabei könnten die heutigen Preise von knapp über 1,70 Euro pro Liter Benzin in einigen Jahren günstig erscheinen! Selbst von der Deutschen Bank gibt es Prognosen, nach denen der Ölpreis in 2017 bei 180 Dollar pro Barrel liegen könnte und das Hamburger Büro EnergyComment erwartet ab 2015 Ölpreise von 150 Dollar, die später auf 200 Dollar klettern können. Dann wären an unseren Tankstellen Spritpreise von 2,50 Euro möglich.
Der Ruf nach Steuersenkungen liegt da nahe. Doch die Nebenwirkungen wären beachtlich: Der Staatshaushalt würde noch schneller Richtung Staatsbankrott trudeln und die Dämpfung der Spritpreise würde vortäuschen, dass man sich um das Problem nicht zu kümmern brauche. Tatsache ist, dass mit dem Ölfördermaximum in unseren Haushalten, unseren Unternehmen und unseren Städten vorzeitig ankommt, was sowieso alle wissen: Erdöl ist ein endlicher Stoff!
Mit dem Überschreiten des Fördergipfels steht uns eine Öl-Diät ins Haus, die alle Bereiche unseres Lebens umfasst. Nicht nur, dass sich Besitzer von Ölheizungen überlegen müssen, womit sie heizen, auch unsere gewohnte Mobilität und sogar die Art, wie wir unsere Städte gestalten steht infrage. Die jetzt vergleichsweise sanft ansteigenden Spritpreise sollten statt in kurzsichtigen Steuerforderungen vielmehr darin münden, dass wir gemeinsam überlegen, wie wir den Übergang in die Zeit nach dem Öl gestalten. Statt nur nach dem Preis des Öls zu schielen müssen wir uns viel grundsätzlicher fragen, wie wir von dem Stoff loskommen. Seit einigen Jahren sagt der Chefökonom der IEA Fatih Birol in Interviews regelmäßig einen Satz, der eigentlich in jedem Benzinpreiskommentar unserer Zeitungen zu lesen sein sollte: “Wir müssen das Öl verlassen, bevor es uns verlässt.”
Norbert Rost leitet das Büro für postfossile Regionalentwicklung in Dresden.
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