Dass im sächsischen Landtagswahlkampf die völlig falschen Themen bespielt wurden, das wird sich schon ziemlich bald herausstellen. Weder wird in Sachsen entschieden, wann es endlich Frieden in der Ukraine gibt, noch werden in Sachsen die Probleme der weltweiten Fluchtbewegungen gelöst. Dafür werden Klimawandel, Artensterben und Energiewende die wichtigsten Themen der nächsten Jahre. Denn die werden richtig teuer. Auch weil Sachsens Regierung eine fahrlässige Kohlepolitik betreibt, die Milliardenkosten mit sich bringt.

Ein Thema, das wir an dieser Stelle immer wieder behandelt haben. Keine Fraktion im Landtag hat sich so ausdauernd mit dem Thema beschäftigt wie die Linksfraktion. Aber die wäre beinah aus dem Landtag geflogen, weil viele Wähler lieber ihr Kreuz beim BSW gemacht haben, das in der Energiepolitik genauso veraltete Positionen vertritt wie die AfD.

Kann man machen. Das ist sicher am Stammtisch ganz in Ordnung. Aber nicht, wenn die Folgen des Klimawandels auch für Sachsen immer drastischer werden, das Land schnellstens klimaneutral werden muss und der Kohleausstieg immer näher rückt. Beim ausgehandelten Kohlekompromiss stehen zwar immer noch die Ausstiegsjahre 2035 (für Mitteldeutschland) und 2038 (für die Lausitz) auf der Uhr. Aber je weiter der Ausbau der Erneuerbaren Energien voranschreitet, umso unrentabler werden die Kohlemeiler. Sodass Fachleute davon ausgehen, dass das Produzieren von Kohlestrom schon vor 2030 zum Minusgeschäft wird.

Eiertanz um die Vorsorgeleistungen

Was zumindest die Linksfraktion im Sächsischen Landtag immer wieder zu der Warnung veranlasste, die Staatsregierung solle sich um die Vorsorgeleistungen kümmern, damit genug Geld da ist, die Tagebaulandschaften wieder zu sanieren, wenn der letzte Meiler vom Netz gegangen ist.

Doch genau bei dem Punkt druckst und schweigt die Staatsregierung, will keine Zahlen nennen, was an Vorsorgeleistungen tatsächlich schon gesichert ist.

Greenpeace hat nun am 19. November eine Meldung veröffentlicht, die befürchten lässt, dass nur ein Bruchteil der benötigen Milliardensumme tatsächlich bereitsteht und dass sich die tschechische Holding EPH, die hinter der LEAG steht, einfach aus der Verantwortung ziehen könnte und die benötigten Gelder schon vorher aus dem Unternehmen gezogen hat.

„Das erste Alarmsignal schrillt, als die PPF Group, einer der Investoren in den ostdeutschen Braunkohlekonzern LEAG, einen 20-prozentigen Anteil an der LEAG Holding für den symbolischen Preis von einem Euro verkauft. Auf den ersten Blick könnte dies wie ein simpler Ausstieg aus einer schrumpfenden Branche erscheinen. Doch die Zahlen erzählen eine weitaus brisantere Geschichte“, beschreibt Greenpeace das, was es nach Durchsicht der Geschäftsberichte der Energetický a Průmyslový Holding (EPH) herausgefunden hat. „Während die PPF-Group von ihrem 50-prozentigen-Anteil 20 Prozent für einen Euro veräußert, weist sie gleichzeitig den Buchwert ihrer LEAG-Investition mit mehr als einer Milliarde Euro aus. Noch erstaunlicher: Sie verbucht aus eben dieser Investition stattliche Gewinne: 800 Millionen Euro im Jahr 2022 und 731 Millionen Euro im Jahr 2023. Eine Rechnung, die augenscheinlich nicht aufgeht – und das sollte erst der Anfang sein.“

Nur: Diese Gewinne (wenn es denn welche waren) blieben nicht im Unternehmen. Greenpeace: „Durch eine Reihe interner Transfers und Umstrukturierungen gelang es der EPH, sagenhafte 1,932 Milliarden Euro aus den LEAG-Operationen herauszuziehen. Als wäre das nicht genug, presste sie durch die Auflösung ihrer Beteiligung an der EP New Energies GmbH weitere 50 Millionen Euro heraus.“

Fünf Milliarden Euro werden benötigt

Das Problem wird deutlicher, wenn Greenpeace die heute schon absehbaren Rekultivierungskosten für die Tagebaue der LEAG thematisiert: „Die zentrale Frage bleibt: Wie können tschechische Finanzoligarchen Milliarden aus der LEAG ziehen und dabei unzureichende Mittel für die Rekultivierung der Braunkohletagebaue hinterlassen? Die Diskrepanz ist frappierend: Brandenburg schätzt die tatsächlichen Rekultivierungskosten auf etwa zwei Milliarden Euro, doch das Ziel des Sondervermögens liegt bei nur 915,6 Millionen Euro. Sachsen steht vor einer ähnlichen Finanzierungslücke, wobei die Gesamtkosten für beide Bundesländer mindestens fünf Milliarden Euro erreichen.“

Das heißt: Brandenburg – abe auch Sachsen – haben viel zu niedrige Zielmargen für das Sondervermögen zur Tagebaurekultivierung gesetzt. Die LEAG legt dafür also absehbar zu wenig Geld zurück. Ein Thema, bei dem auch das Sächsische Wirtschaftsministerium jedes Mal mauert, wenn es dazu eine Landtagsanfrage gibt – wie zuletzt im April, als die Landtagsabgeordnete der Linken Antonia Mertsching einmal mehr nach den Rückstellungen zum Stand 31. Dezember 2022 fragte.

„In ihrem Konzernlagebericht über das Geschäftsjahr 2022 gibt die LEAG GmbH an, zum 31.12.2022 insgesamt 2,644 Mrd. EUR für bergbaubedingte Rückstellungen hinterlegt zu haben, wobei die zu erwartenden Beträge aus den Entschädigungszahlungen bereits in der Summe berücksichtigt wurden“, stellte sie in ihrer Anfrage fest.

Die Antwort auf die Anfrage von Antonia Mertsching (Die Linke) zu den Rückstellungen zur Tagebausanierung.

Nach Kenntnis der Staatsregierung…

Aber fließen diese Gelder tatsächlich auf das Konto der extra für die Sanierung gegründeten LEAG-Tochter LEVES, wollte Mertsching wissen.

Die Antwort des Wirtschaftsministers klingt ganz und gar nicht danach: „Nach Kenntnis der Staatsregierung erfolgen die Zuführungen in das Zweckvermögen der LEVES nicht aus den Rückstellungen, sondern erfolgten bisher aus den laufenden Einnahmen der LEAG und sollen ab 2025 gemäß der Vorsorgevereinbarung (Sachsen-LEAG) und dem öffentlich-rechtlichen Vertrag (Bund-LEAG) direkt durch den Bund erfolgen.“

Welche Summen da geflossen sein sollen, bezifferte das Wirtschaftsministerium nicht. Aber der Verweis auf die Entschädigungszahlungen macht deutlich, dass die LEAG hier schon die – noch gar nicht gewährten 1,2 bis 1,75 Milliarden Euro für den vorgezogenen Kohleausstieg mit einberechnet hat. Was natürlich aus Unternehmenssicht die dann noch anzusparende Summe drastisch senkt. Rein theoretisch.

Denn Greenpeace geht wohl berechtigt davon aus, dass auf die Bundesländer Brandenburg und Sachsen viel höhere Rekultivierungskosten zukommen als nur 2,644 Milliarden Euro in der Lausitz. Es werden wohl eher die erwähnten 5 Milliarden sein.

Da müssten in den Staatskanzleien in Potsdam und Dresden eigentlich alle Alarmglocken schrillen, denn die Differenz von rund 2,5 Milliarden Euro rollt dann auf die Haushalte der beiden finanziell sowieso schon klammen Bundesländer zu.

Es droht ein chaotischer Kohleausstieg

„Diese Koalitionsverhandlungen könnten die letzten sein, bevor um 2030 ein chaotischer, marktgetriebener Kohleausstieg in der Lausitz einsetzt. Damit ist sie die letzte Chance für notwendige Weichenstellungen, damit Křetínskýs EPH die massiven Tagebau-Folgekosten nicht auf die Allgemeinheit abwälzt“, kommentiert Dr. Lasse Thiele arbeitet bei dem Konzeptwerk Neue Ökonomie (Leipzig) zu Klimagerechtigkeit, diese Vorgänge.

„Das betrifft angesichts der wasserintensiven Rekultivierungspläne, insbesondere wasserpolitische Fragen in der immer trockeneren Region. Noch besteht die Chance, die riesigen Revierflächen in öffentliches Eigentum zu überführen, so die Energiewende und den Strukturwandel im Revier demokratisch zu gestalten und aus den neuen Geschäftsfeldern die Rekultivierungskosten abzusichern.

Dass die Vorstellungen der Parteien in dieser für die Zukunft Brandenburgs so wichtigen Frage weit auseinandergehen, findet im öffentlichen Diskurs bislang zu wenig Aufmerksamkeit.“

Thiele ist Co-Autor des Dossiers „Sozialisierung der Kosten, Privatisierung der Gewinne? – Braunkohlefolgen und Energiewende in Ostdeutschland“. Und er befürchtet: „Der Kohlekonzern LEAG kündigte im Juni eine Umstrukturierung an, mit der er die Braunkohlesparte isoliert. Dieser Schritt nährt die Sorgen vor einer geplanten Insolvenz der Braunkohlesparte als ‚Bad Bank‘ und einer Abwälzung der Langzeitkosten auf öffentliche Kassen.“

Betriebsgeheimnis

Und was antwortet das Sächsische Wirtschaftsministerium auf Antonia Mertschings Frage nach der Höhe der tatsächlich in Sachsen zu erwartenden Rekultivierungskosten?

„Die aktuellen nominellen Kosten der Wiedernutzbarmachung mit Stand Jahresabschluss 2022 sind der Sächsischen Staatsregierung bekannt und werden geprüft. Die Kosten mit Stand Jahresabschluss 2023 werden in Kürze vorgelegt und wiederum geprüft.“

Das klingt, als würde das Wirtschaftsministerium diese Zahlen tatsächlich veröffentlichen wollen. Tut es aber nicht: „Von einer weiteren Beantwortung der Frage wird abgesehen. Einer Beantwortung stehen Rechte Dritter im Sinne des Artikel 51 Absatz 2 der Verfassung des Freistaates Sachsen entgegen.“

Das Versteckspiel geht also weiter. Während der Ausstiegszeitplan für die Kohlekraftwerke immer mehr unter Druck kommt. Etwa im Kraftwerk Lippendorf, das heute schon nur noch mit einem Block am Netz ist, weil EnBW keinen ökonomischen Sinn mehr darin sieht, den eigenen Block mit einer Millioneninvestition noch einmal ans Netz zu bringen. Offiziell sollte auch der EnBW-Block erst 2035 vom Netz gehen. Doch das Unternehme hat längst für sich den kompletten Kohleausstieg bis 2028 beschlossen. Da wird auch in Lippendorf nichts mehr investiert.

Je unrentabler Stromproduktion aus Kohle wird, umso eher werden auch andere Meiler vom Netz gehen, die noch gar nicht für den Kohleausstieg vorgesehen waren. Und das hat Folgen, denn damit verringern sich die noch abzubauenden Kohlemengen drastisch. Und gleichzeitig schrumpfen die erwirtschaftbaren Summen, die für die Rekultivierung angespart werden könnten.

Was am Ende eben bedeuten kann, dass Brandenburg und Sachsen auf Milliardensummen zur Rekultivierung sitzen bleiben, die sie durch nichts refinanzieren können.

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Keine Kommentare bisher

Was mich an dieser bereits lange bekannten Sachlage maßlos wütend und sprachlos macht, ist, dass hier im “öffentlichen Interesse” Gemeingüter zerstört, ausgeraubt und daraus resultierende Gewinne privatisiert werden.
Dafür werden sogar Privatgrundstücke letztlich enteignet.

Und dann hat der Landesbürger keinerlei Transparenzrecht zu erfahren, was hier genau passiert, wie Sicherheiten gewährleistet und im Anschluss ein ökologischer Zustand wiederhergestellt werden sollen?

Das sind manifestierte, mafiöse Zustände innerhalb der Landesregierung.
Wen wundert’s da, dass alternative Parteien Zulauf haben?

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