Eine Lobeshymne auf die Vielfalt, die kleinen und mittleren Verlage und natürlich auf das Gastland Österreich: so präsentiert sich die Leipziger Buchmesse in diesem Jahr. Teile des Bildes könnten eher Fassade sein. Auch im Hinblick auf Digitalisierung und Debattenkultur soll dieses Jahr einiges mehr geboten werden und Angebote für Jugendliche sollen dabei im Mittelpunkt stehen. Geld für neue Ideen gab es zumindest reichlich.
Nach drei Jahren Pause freuen sich viele Leipziger*innen darüber, dass die Buchmesse (Programm) ihre Tore wieder öffnet. Eigentlich war die Wiedereröffnung schon im letzten Jahr geplant. Sie scheiterte daran, dass verschiedene große Verlage wie Westermann, Carlsen, Random House, Diogenes, Piper, Ullstein oder Reclam ihre Teilnahme im Vorfeld absagten. Grund war die Angst vor zu geringen Besucher*innenzahlen aufgrund der Omikron-Welle.
In der Folge stellte die Buchmesseleitung auch die Vorbereitungen von „Leipzig liest“ ein: Es ging direkt ans Eingemachte, eine Debatte um die generelle Zukunft von Publikumsmessen allgemein und die der Buchmesse speziell machte die Runde.
Zahlreiche kleine und mittlere Verlage fühlten sich durch die Absage der Großen nicht nur auf den Schlips getreten: Nach zwei Jahren Pandemie sehen sich viele von ihnen immer noch in ihrer Existenz bedroht. Die Buchmesse als Ort der Neuentdeckung ist dabei für die kleineren Verlage deutlich relevanter als für die großen.
5 Millionen Euro für die Messegesellschaft
Schließlich organisierte eine Gruppe mittelgroßer Verlage um „Voland und Quist“ die „Pop-Up-Buchmesse“, unabhängige, große Verlage wie Suhrkamp und Klett-Cotta schlossen sich an. Eine weitere privat finanzierte Initiative aus Leipzig fing mit dem „weiter:lesen22“ (unter LZ-Mithilfe) abgesagte Lesungen ab, am Ende standen derer 60 Stück im kurzfristig organisierten Programm. Zudem entstand ein Überblick über noch stattfindende Lese-Veranstaltungen.
Beide privat finanzierten Veranstaltungen sollten eine einmalige Alternative sein und blieben es auch – lediglich die „Pop-Up“-Party an diesem Freitag im Felsenkeller ist vom Eigenengagement aus dem Jahr 2022 geblieben.
Finanziert wurde die einmalige „Pop-up Buchmesse“ privat, durch die Verlage. Eine Förderung aus dem „Neustart Kultur“ Programm der Bundesregierung gab es nicht. Die Leipziger Buchmesse hingegen erhielt nach Recherchen des Deutschlandfunks Geld: Trotz der dritten Absage in Folge gab es bereits 2022 zwei Millionen Euro vom Bund.
Damit seien „unter anderem die Kosten für die Organisation der dann ausgefallenen Messe kompensiert“ worden, so Deutschlandfunk. Weiteres Geld sei nach Angaben der Buchmesse „in Preisverleihungen sowie eine Veranstaltungsdatenbank geflossen. Wie viel genau wofür verwendet wurde, ist auch auf mehrfache Nachfrage nicht zu erfahren“, so Deutschlandfunk in seiner breit angelegten Recherche zur Verteilung der coronabedingten „Kulturmilliarde“.
Und auch in diesem Jahr erhält die Leipziger Messegesellschaft „eine Förderung in Höhe von drei Millionen Euro vom Bund. Auch hier wird das Geld zum Teil für automatisch abgezogene Standmieten-Rabatte verwendet“, so Deutschlandfunk abschließend zur Buchmesse 2023.
Damit stützt der Bund in diesem Jahr die Fülle in den Leipziger Messehallen, wie es 2024 weitergeht, ist offen.
Der Start in vier Buchtage 2023
Mehrmals wurde auf der Eröffnungs-Pressekonferenz der Buchmesse vor allem durch Peter Kraus von Cleff, Geschäftsführer des Börsenvereins betont, wie wichtig die kleinen und mittleren Verlage für die Buchbranche seien. Auf der Messe wird sich das in diesem Jahr allerdings nur begrenzt widerspiegeln. Das Format der Sammelstände, an denen mehrere Verlage sich präsentieren und sich dementsprechend auch die Kosten für den Stand teilen, gibt es so nicht mehr.
Im nächsten Jahr werde man aber natürlich unabhängig von den Fördermillionen dieses Jahres die Buchmesse stattfinden lassen, so Martin Buhl-Wagner, Geschäftsführer der Leipziger Messe bei der Eröffnungs-Pressekonferenz am heutigen Mittwoch. Eventuellen Abbau der 2023 errichteten neuen Ideen inklusive: Man müsse dann eben schauen, ob alle neu eingerichteten Formate so weitergeführt werden können.
Das sind vor allem die „#buchbar“, ein Format um mit Autor*innen ins (moderierte) Gespräch zu kommen und das „Forum Offene Gesellschaft“. Hier sollen während der Buchmesse 2023 Diskussionen zu Themen wie Demokratie, Diskriminierung oder Krieg stattfinden. Außerdem bündelt der „Jugendcampus Uverse“ die bisherigen Angebote für Jugendliche und Kinder, wie zum Beispiel Bastelangebote oder „spielerische“ Lernangebote.
„Wir sind ein rohstoffarmes Land, das auf einen dramatischen Fachkräftemangel blickt. Lesen hat eine wirtschaftliche Relevanz. Da geht es grundlegend um Bildung, Partizipation und Chancengleichheit. Es darf nicht sein, dass Bildungsherkunft Bildungszukunft heißt. Deshalb brauchen wir Leseförderung (…) Studien bescheinigen uns Deutschen dramatische, alarmierende Defizite im Bereich Lesekompetenzen“, so Peter Kraus von Cleff.
Es lässt sich befürchten, dass die Messe drei verpasste Corona-Jahre aufholen möchte, in denen die Nutzung digitaler Medien weite Sprünge gemacht hat. Alles kann potenziell online stattfinden, den ersten Schritt will die Buchmesse in diesem Jahr mit „Buchmesse On Air“ und vielen Liveübertragungen gehen. Viele Online-Formate haben sich neu etabliert. Das Lernen mit digitalen Medien ist nun nicht mehr nur für die Schüler*innen, sondern auch für Lehrer*innen weit mehr Normalität geworden.
Insgesamt haben die Debatten, die im Internet stattfinden, sei es durch die Pandemie oder durch die allgemein fortschreitenden Möglichkeiten, deutlich an Sichtbarkeit gewonnen. Viele Formate wie Online-Lesungen, Podcasts oder Online-Theaterstücke sind ausgebaut worden oder überhaupt erst entstanden. Den Austausch vor Ort, das Zusammentreffen mit anderen Menschen kann das Internet natürlich nicht ersetzen.
Ob die Buchmesse tatsächlich ansprechend für junge Menschen sein wird und ob die neuen Formate tatsächlich Neues bieten oder ob sie eher ein weiterer Tropfen im Ozean der Demokratie- und Debattenkultur sind: davon können sich Interessierte in den nächsten Tagen selbst ein Bild machen.
Förderung für rechtsextreme Verlage
Peter Kraus von Cleff nahm in der Eröffnungs-Pressekonferenz auch Bezug auf die weitgehenden Recherchen des Deutschlandfunks. Laut diesen wurden durch das Programm „Neustart Kultur“ des Bundes auch verfassungsfeindliche, rechtsextremistische Bücher gefördert, darunter welche mit eindeutigen Verbindungen zum „Institut für Staatspolitik“ (IfS) um Verleger Götz Kubitschek. Just am heutigen 26. April 2023 verkündete nun der Bundesverfassungsschutz die Verfassungsfeindlichkeit eben jenes neurechten IfS neben der Identitären Bewegung und der Jungen Alternative (JA) als AfD-Jugendorganisation.
Die Bearbeitung der Förderanträge, welche Gelder an den rechtsextremen Rand brachten, führte der Börsenverein auf Grundlage von durch die Beauftrage der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) festgelegten Förderkriterien durch.
„(Wir haben) alle Anträge im Börsenverein sehr gründlich auf die Einhaltung der von der BKM festgelegten Förderkriterien geprüft und keinen Antrag zugelassen haben, der diesen nicht entsprach“, so Kraus von Cleff. Buchprojekte seien außerdem fluide und der genaue Inhalt könne bei Beantragung der Förderung noch gar nicht bekannt sein. „Selbstverständlich werden wir die Mittel zurückfordern, wenn sich nachweislich nicht an diese Regularien gehalten wurde“, so von Cleff.
Auch die Buchmesse selbst hat eine Vorgeschichte mit rechtsextremistischen Verlagen. Jedes Jahr lief bislang das gleiche Spiel in Leipzig ab: Die Verlage werden aufgrund der „Meinungsfreiheit“, mit der zum Beispiel auch Oliver Zille, Direktor der Leipziger Buchmesse argumentierte, zugelassen.
Gastland Österreich präsentiert sich vielfältig
Das Gastland Österreich präsentiert sich unter dem Motto „meaoiswiamia“ (mehr als wir) vielfältig. Mehr als 200 österreichische Autor*innen und ebenso viele Verlage sind laut Buchmesse dieses Jahr in Leipzig vertreten. Der österreichischen Literatur wohne ein „schöne Komplexität“ und damit ein „grundemanzipatorischer Gedanke“ inne, so Katja Gasser, künstlerische Leiterin des Gastlandes. Vertreten sind in Leipzig unter anderem Autor*innen wie Franzobel, Arno Geiger, Dževad Karahasan, Michael Köhlmeier und Robert Seethaler.
„Die Auftritte von Franziska Füchsl bei der Pressekonferenz und Doron Rabinovici bei der Stand-Eröffnung setzen einen Rahmen, der deutlich macht: Die Bandbreite der österreichischen Literatur und die Unterschiedlichkeit der literarischen Positionen, die in diesem Gastland auftritt, die egalitär nebeneinander und miteinander präsentiert werden“, so Gasser.
Auch das Gastland Portugal, das im letzten Jahr wieder ausgeladen werden musste, bekommt dieses Jahr seinen besonderen Platz. Dabei soll nicht nur das Land, sondern auch die portugiesische Sprache im Mittelpunkt stehen, die weltweit gesprochen wird. So sind Schriftstellerinnen wie Carla Bessa aus Brasilien, Ana Paula Tavares aus Angola oder Isabela Figueiredo aus Mosambik vor Ort.
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