Es ist nicht nur der Leipziger Stadtrat, wo ein paar alte Herren mit Inbrunst versuchen, ihre alte, fossile Welt und Denkweise zu erhalten. Das tun sie auch im sächsischen Landtag, wo sie im Sommer erst ihre 1.000-Meter-Abstandsregel für Windkraftanlagen durchboxten. Was dann so etwas wie der letzte Nagel zu sein schien für den Windkraftausbau in Sachsen. Doch im Juli beschloss dann der Bundestag das „Wind-an-Land-Gesetz“. Und das Verblüffende ist: Sachsen hat dieses Gesetz noch im Dezember in Landesregeln umgesetzt.

Und selbst Umweltminister Wolfram Günther war sichtlich erleichtert, dass das noch vor Weihnachten gelungen ist. Am 20. Dezember beschloss der Sächsische Landtag das Haushaltsbegleitgesetz, in dem als Artikel 25 auch die „Änderung des Landesplanungsgesetzes“ zu finden ist, in dem die Vorgaben aus dem „Wind-an-Land-Gesetz“ für Sachsen übernommen wurden. Das „Wind-an-Land-Gesetz“ tritt am 1. Januar 2023 in Kraft.

Endlich die Bremsen lösen

„Die Bremsen sind gelöst“, sagte Wolfram Günther am 21. Dezember.

„Unser Beschleunigungspaket zum Ausbau der Windenergie hat Gesetzeskraft. Wir schaffen Flexibilität und geben den Kommunen künftig viel breiter die Möglichkeit, dass auf ihren Flächen Windenergieanlagen errichtet werden können. Ein schnellerer Ausbau der Erneuerbaren Energien stärkt den Wirtschaftsstandort Sachsen und die Energiesouveränität. Außerdem können die Anlagen Geld in die Kassen von Städten und Gemeinden fließen lassen, die damit auch Angebote für die Bürgerinnen und Bürger finanzieren können.

Damit zahlt sich der dringend notwendige Klimaschutz auch ganz direkt vor Ort aus und schafft neue Entwicklungsperspektiven. Ich bin froh, dass wir auch das Flächenziel des Bundes von zwei Prozent für Windenergie schnell umsetzen und die Planungsverbände hierfür mit zusätzlichen Mitteln und Personal ausstatten.“

Aktuell, stehen in Sachsen gerade einmal 0,2 Prozent der Landesfläche für den Windkraftausbau zur Verfügung. Die Hoheit für die Ausweisung von Windkraftvorranggebieten lag bei den Regionalen Planungsverbänden, die sich allesamt darum bemühten, möglichst wenig Landesfläche überhaupt für Windkraft zu öffnen.

„Zur neuen gesetzlichen Regelung gehört, dass ab Januar auch Windenergieanlagen auf Flächen außerhalb von regionalplanerisch festgelegten Vorrang- und Eignungsgebieten Windenergieanlagen errichtet oder repowert werden können (Flexibilisierungsklausel)“, sagte Günther.

Damit liegt die Definitionsmacht nicht mehr allein bei den meist tiefkonservativen Planungsverbänden, sondern die Kommunen können auf eigenem Gebiet souveräner agieren.

„Voraussetzung sind jeweils ein sogenanntes Zielabweichungsverfahren sowie ein Ratsbeschluss der Kommune. Zudem sollen die Regionalen Planungsverbände bis 2027 die bundesgesetzlich geforderte Ausweisung von Windenergieflächen in einer Größenordnung von zwei Prozent der Landesfläche umsetzen.“

Das Schneckentempo der Regionalplanung

Und selbst das ist sportlich, wie ja bei Arbeiten auch im Regionalen Planungsverband Westsachsen (zu dem Leipzig gehört) zu beobachten war. Die schwerfälligen Abstimmungsprozesse nehmen oft Jahre, manchmal Jahrzehnte in Anspruch. Fünf Jahre für die Neuausweisung von Windenergieflächen, das dürfte auch für Westsachsen ein mehr als sportliches Tempo sein.

Die Vereinigung zur Förderung der Nutzung Erneuerbarer Energien (VEE) macht für die Blockade im Windkraftausbau sogar genau die lähmende Arbeitsweise der Regionalen Planungsverbände verantwortlich.

„Der Windkraft-Ausbau in Sachsen stockt nach wie vor“, kritisierte der Verband im September.

„Auch im Jahr 2022 werden in Sachsen nur zwölf Windräder ans Netz gehen. Notwendig wären 60 bis 80, jedes Jahr – und das seit 2020. Einer der Hintergründe: die derzeit gültigen oder gerade vor der Verabschiedung stehenden Regionalpläne basieren auf dem Energie- und Klimaprogramm von 2012.

Einer Zeit noch vor dem Pariser Klimaabkommen und längst überholt. Die Regionalplanung ist in der derzeitigen Art und Weise, wie sie in Sachsen praktiziert wird, nicht mehr zeitgemäß. Die VEE fordert daher den Wegfall der Ausschließlichkeit der Regionalplanung bei Windenergie.“

Es ist nur ein Teil der ausufernden Bürokratie, die den Netzanschluss erneuerbarer Energieanlagen verzögert und behindert. Aber es war bislang immer die entscheidende Bremse.

Die VEE hat auch genau erklärt, warum die Planungsverbände genau das Gegenteil dessen sind, als was sie eigentlich arbeiten müssten.

„Eine der Hauptursachen dafür, dass die Genehmigung neuer Windräder Jahre dauert, ist die aktuelle Art der Regionalplanung: Die von der Regionalplanung gewünschte Sperrwirkung für den gesamten Planungsraum bedingt es, dass Windnutzungsflächen über mehrere Stufen geprüft und freigegeben werden müssen.

Projekte in diesen Gebieten und der Ausschluss der Windenergie außerhalb dieser Flächen müssen aufwendig gerechtfertigt werden – dies nennt man die Ausschließlichkeit der Regionalplanung. Der Prozess ist fehleranfällig, schwerfällig und komplex. In der Regionalplanungsregion Chemnitz beispielsweise hat dies zu einem kompletten Stillstand geführt, es liegt seit Jahren kein gültiger Regionalplan vor“, so die VEE.

Acht Jahre für eine Regionalplananpassung

Und auch der Regionalplan für Westsachsen war mit jahrelanger Verspätung an den Landesentwicklungsplan des Freistaats Sachsen von 2013 angepasst worden, der seinerseits auf dem Klimaschutzplan von 2012 aufbaute. Beides schon angejahrt und in vielen Teilen veraltet, als der neue Regionalplan für Westsachsen 2021 endlich in Kraft trat.

Die VEE Sachsen e. V. forderte aus diesem Grund ein komplettes Umdenken bei der Regionalplanung – weg vom negativen Verhinderungsinstrument hin zu positiven Gestaltungsplanung. Die Ausschließlichkeit der Regionalplanung sollte wegfallen. Die Kommunen sollten deutlich mehr Entscheidungskompetenzen bekommen, um auf eigenem Gebiet Windkraftanlagen bauen zu dürfen.

„Denn der Handlungsdruck wächst auch auf kommunaler Ebene: durch die finanziellen Beteiligungsmöglichkeiten für Kommunen beim Ertrag aus Windstrom, mit Blick auf die aktuelle politische Weltlage sowie den vermehrten Ansiedlungsdruck von Unternehmen, für die der Anteil der Stromproduktion aus Erneuerbaren immer entscheidender wird“, betonte die VEE.

„Bislang konnten Kommunen keine eigenen, zusätzlichen Flächen der Windenergie zur Verfügung stellen, weil sie an das starre und unflexible Korsett der Regionalplanung gebunden waren.“

Für Leipzig hat die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen schon im Mai beantragt, mögliche neue Windkraftstandorte im Stadtgebiet zu finden. Denn gerade Leipzig hat ein großes Interesse daran, möglichst viel der benötigten erneuerbaren Energie auch auf eigenem Territorium zu erzeugen und damit deutlich unabhängiger zu werden.

Noch am 21. Dezember hat einer, der die Materie bestens kennt, die neuen sächsischen Regelungen genauer unter die Lupe genommen: Prof. Dr. Paul Lehmann vom Umweltforschungszentrum Leipzig. Seine Analyse behandeln wir gleich an dieser Stelle.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Hier ist wieder der Klimaleugner. Wunderbar wie sich der grüne Umweltminister freuen kann, er wird irgendwann auch erleben, dass der Schatten des Windrades durch sein Wohnzimmer geht.

Schreiben Sie einen Kommentar