Ist das nur Naivität oder Absicht, mit der die sächsische CDU den Ausbau der Windkraft in Sachsen nicht nur ausgebremst, sondern zurückgedreht hat? An Naivität mag kaum noch jemand glauben, der sich seit Jahren mit dem Thema beschäftigt. Und so sorgte eine Wortmeldung von Georg-Ludwig von Breitenbuch, immerhin der haushaltspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag, am 21. Juli für eine ziemlich heftige Debatte in den sozialen Netzwerken.
Bei einer Aussprache im Sächsischen Landtag hatte er gesagt: „Wir haben in den vergangenen Jahren aus Sachsen heraus das Gefühl gehabt, wir brauchen die Braunkohle noch lange. Deswegen waren andere Länder sehr viel eher dabei, Windkraft auszubauen. Jedes zusätzliche Windrad im Land schwächt die Situation der Braunkohle. Das Geld wird dann eben nicht mehr verdient, wird in der Windkraft verdient. Irgendwann können die Tagebaue nicht mehr rekultiviert bzw. die Nachsorge betrieben werden. Insofern waren wir lange Zeit verhalten mit dem Ausbau von Windkraft.“Gefühlte Politik? Das glauben wirklich nur naive Wähler.
Seit Jahren liegen alle Fakten auf dem Tisch, wissen auch Sachsens Unionspolitiker um die Folgen der Kohleverbrennung und welche Auswirkung deren Fortbestand auf sämtliche sächsischen Klimapläne hat, die damit allesamt längst Makulatur sind.
Die unionsgeführten Regierungen haben nicht nur alles getan, um die Laufzeiten sächsischer Kohlekraftwerke bis 2035 bzw. 2038 zu sichern und den Kraftwerksbetreibern im Kohlekompromiss den Weg eröffnet, für jedes abgeschaltete Kraftwerk mit hohen Millionensummen entschädigt zu werden.
Sie haben parallel auch alles dafür getan, die Windenergie in Sachsen auszubremsen – und zwar nach dem Vorbild Bayern, wo sich Ministerpräsident Markus Söder inzwischen als neuer Apostel des Kohleausstiegs geriert, seit die Flutkatastrophe in Rheinland und NRW den Klimawandel mit aller Wucht wieder auf die Tagesordnung gesetzt hat.
Die CDU gestern im #saxlt: Windkraft haben wir nicht ausgebaut, "weil jedes zusätzliche Windrad im Land schwächt die Situation der Braunkohle" – ein #Thread zum erklärten Ausverkauf der Zukunft durch die Sächsische Regierung (2014-2019) ⬇️⬇️ https://t.co/pwnho14HYK pic.twitter.com/m9DXDmjr5w
— Parents for Future Leipzig #Eiffelturmtag (@P4F_Leipzig) July 22, 2021
Und natürlich widersprach postwendend Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. „Der Kohlekompromiss muss weiter gelten. Der Kompromiss gibt Sicherheit für alle Betroffenen“, zitiert ihn der „Spiegel“. „Der Freistaat Bayern ist nicht betroffen und kann von außen leichter reden.“
Womit Kretschmer irrt.
Denn genau das bringt der Kohlekompromiss nicht: Sicherheit für alle Betroffenen. Nur für die Kraftwerksbetreiber, die jetzt nämlich selbst entscheiden können, wann sie aus einem zunehmend unrentabel werdenden Geschäft aussteigen. Der sogenannte „Kohlekompromiss“ hat sogar simple Marktregeln, auf die Unionsparteien sonst immer so gern schwören, außer Kraft gesetzt.
Die Kraftwerke laufen auch dann noch weiter, wenn sie tiefrote Zahlen schreiben – der Steuerzahler zahlt ja. Er wird auch zahlen, wenn nach Auslaufen des Bergbaus die Gelder nicht da sind, um die Tagebaue zu renaturieren. Denn auch da hat Sachsen die Absicherung der benötigten Beträge in die Zukunft verschoben. Und natürlich zahlt hier der Steuerzahler, wer sonst?
In der Meldung des Oberbergamtes zum neuen Vertrag mit der LEAG vom 1. Juli heißt es eindeutig: „Die durch den vorzeitigen Einstellungstermin im Jahr 2038 hervorgerufenen höheren Tagebaufolgekosten werden in voller Höhe bereits in den Jahren 2021 bis 2024 durch LEAG eingezahlt. Die restlichen Zahlungen in den Jahren 2025 bis 2039 werden durch den Bund als Entschädigungen für den Kohleausstieg geleistet.“
Eine Zukunft, die mit dem Anstieg der Preise für CO2-Zertifikate immer unsicherer wird. Denn die müssen die Kraftwerksbetreiber zukaufen, während alternative Energieanlagen den Strom deutlich unterm Kohlestrompreis produzieren können.
Und was Breitenbuch ja angedeutet hat, ist die Tatsache, dass Sachsen – genauso wie Bayern – alles dafür getan hat, den Ausbau der Windenergie zu verunmöglichen. Über die bekannte Abstandsregel, die Sachsen genauso restriktiv handhabt wie Bayern, sodass gerade einmal 0,2 Prozent der Landesfläche überhaupt für den Bau von Windenergieanlagen zur Verfügung stehen.
Ja, es ist eine wahre Kärrnerarbeit, die jahrelange, systematische Totalblockade der Windenergie in Sachsen beiseite zu räumen. Angesichts mehrjähriger Planungsphasen wirkt die frühere Sabotage nach.
Dennoch knacken wir die Blockade. Mit aller Kraft. https://t.co/tJqs9DpAn6— Gerd Lippold 🇺🇦 (@gerdlippold) July 27, 2021
Die Wirkung bis heute
Das musste auch Umweltminister Wolfram Günther zugeben, als er im Januar 2020 auf eine Anfrage des energiepolitischen Sprechers der Linksfraktion, Marco Böhme, antwortete. Denn an dem, was die Vorgängerregierungen in dieser Beziehung beschlossen haben, hat sich bis dato nichts geändert. Für Siedlungsflächen innerhalb der Ortslage gelten nach wie vor 1.000 Meter Abstand zur nächsten Wohnbebauung, außerhalb von Ortslagen sind es 750.
Dazu kommen alle weiteren Raumwiderstände von Naturschutzgebieten über Überschwemmungsgebiete bis hin zu Flugplätzen und „Rohstoffgewinnungsanlagen“. Die abgebildete Karte stammt aus dem 2020 beschlossenen Regionalplan Westsachsen, der natürlich die geltenden Regeln alle ansetzt. Übrig bleiben als Windvorranggebiete die kleinen roten Flecken auf der Karte.
Den größten sieht man unten links im Abbaugebiet Peres, wo die MIBRAG tatsächlich einen großen Windpark plant. Aber kaum hatte sie im April die Pläne bekannt gegeben, gründete sich im benachbarten Neukieritzsch eine Bürgergruppe, die 700 Unterschriften gegen den Windpark sammelte.
Was ja viel leichter ist, wenn es in einer Planungsregion wie Westsachsen überhaupt nur noch ein Dutzend geeigneter Vorranggebiete für Windparks gibt. Da kann man sich dann darauf konzentrieren, auch hier noch den Bau von Windrädern zu verhindern.
Was man gelb auf der Karte sieht, sind die „harten Tabuzonen“ für Windkraftanlagen. Und da der Regionalplan jetzt wieder für zehn Jahre gilt, sind damit die Beschränkungen aus dem Jahr 2015 für die nächsten Jahre festgeschrieben und Sachsen kann heute schon alle Möglichkeiten vergessen, die Klimaschutzziele der Bundesrepublik zu erreichen.
Ein Thema, das Marco Böhme, Sprecher der Linksfraktion für Energie und Klimaschutz, regelrecht auf die Palme bringt. Denn Sachsen verzeichnet inzwischen als einziges deutsches Bundesland einen Negativsaldo beim Windkraftausbau.
„Seit Jahren schon werden in Sachsen mehr Windenergieanlagen abgebaut als neue hinzukommen. Die CDU-geführten Regierungen haben die Energiewende verschleppt und auch das Energie- und Klimaprogramm Sachsen 2021 wird keinen Schwung für eine stärkere Nutzung der Windenergie bringen. Wie die Staatsregierung die Ausbauziele erreichen will, bleibt unklar“, stellt er fest.
„Regionalpläne enthalten bereits jetzt zu wenige ausgewiesene Flächen für die entsprechenden Anlagen. Neue Hindernisse wie feste Mindestabstände für Windenergieanlagen verringern die sowieso knappen Flächen zusätzlich und machen deren Ausbau faktisch unmöglich.“
Nicht nur die Hochwasserkatastrophen zeigen für ihn deutlich: Wir müssen jetzt handeln, um die Klimaerhitzung zu begrenzen und uns vor einer Zunahme ihrer Folgen zu schützen. Die Linksfraktion habe deshalb ein Klimaschutzgesetz für Sachsen (Drucksache 7/4895) vorgelegt, in dem nicht nur die Pariser Klimaschutzziele rechtsverbindlich festgeschrieben, sondern auch Maßnahmen für einen schnellen Ausbau klimaneutraler Energieanlagen vorgeschlagen werden.
So sollen zwei Prozent der Landesfläche für die Windenergienutzung ausgewiesen werden, derzeit sind es nur rund 0,2 Prozent. Zudem sieht das Gesetz Instrumente vor, die Bürgerinnen und Bürger am Ausbau demokratisch zu beteiligen. Die Anwohnerinnen und Anwohnern sollen zudem finanziell von den Anlagen profitieren können. Damit erhöhe sich die Akzeptanz für den Bau von Windenergieanlagen nachweislich, so Böhme.
Im Gegensatz dazu führen Abstandsregelungen, wie sie auch die Staatsregierung umsetzen möchte, laut der Fachagentur Windenergie an Land nicht automatisch zu einer erhöhten Akzeptanz von Windenergieanlagen in der Nachbarschaft.
Aber da ist das nicht zu übersehende Problem, dass die Linksfraktion im Landtag in der Opposition sitzt und kaum durchdringt mit ihrem Vorstoß.
„Die Koalitionsfraktionen haben unser Klimaschutzgesetz allerdings im Landtag mit dem Hinweis auf das Energie- und Klimaprogramm abgelehnt“, sagt Böhme. „Nun muss die Staatsregierung zügig das versprochene Maßnahmenprogramm liefern und dafür sorgen, dass beim Kampf gegen die Klimaerhitzung ein anderer Wind in Sachsen weht.“
Der sollte auch ein deutliches Aufweichen der Restriktionen für Windkraftanlagen beinhalten, sonst wird Sachsen in der Energiewende endgültig abgehängt, schafft nicht einmal, den selbst benötigten Strom in alternativen Anlagen zu erzeugen und wird spätestens zum Stromimportland, wenn die ersten Kohlekraftwerke aus simplen Rentabilitätsgründen vom Netz gehen.
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Es gibt 2 Kommentare
Es gehört quasi zur Idee und Definition der Energiewende, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien aus Wind und Solar den fossil betriebenen Kraftwerken Konkurrenz macht. Sich jetzt hinzustellen und zu sagen, man wäre beim Ausbau der Windkraft verhalten gewesen, um der Energiegewinnung aus Braunkohle nicht Konkurrenz aufzubauen, dann heißt das, dass man nicht nur die Notwendigkeit der Energiewende nicht verstanden hat, sondern auch noch bewusst gegen den politischen Konsens agiert.
An der Stelle sei noch mal erinnert, dass bereits im Koalitionsvertrag der Vorgängerregierung 2014-19 (CDU-SPD) folgendes stand: “Wir orientieren uns bei sächs. Ausbauzielen für Erneuerbaren Energien an Bundeszielen, welche derzeit bis 2025 zwischen 40 & 45% und bis 2035 zwischen 55 % 60% Prozent liegen.”
Das heißt, dieser Konsens bestand sogar innerhalb der Regierungskoalition und wurde auch den Wähler:innen auch so präsentiert. Umgesetzt wurde davon absolut gar nichts und wie wir jetzt hier hören, wurde sogar das Gegenteil getan.
Das muss man noch mal zusammenziehen: Wir stehen mit der sich immer mehr verschärfenden Klimakrise nicht nur einfach vor der größten Herausforderung der Jetztzeit, sondern wir erleben bereits hautnah, dass es auch eine zunehmende Gefahr für Menschenleben wird (was zudem in anderen Ländern auch schon längst viel stärker ist, wir können dort hinschauen und sehen, was passiert). Die Poltik von CDU und auch SPD – in Sachsen, wie auch in der Bundesrepublik – hat aber das “Gefühl”, dass die notwendigen Maßnahmen, um diese Gefahr zu mindern, der etablierten fossilen Industrie schadet und macht deshalb eine “jedes zusätzliche Windrad im Land schwächt die Situation der Braunkohle”-Politik und das obwohl sie das Gegenteil behauptet.
Keine weiteren Fragen mehr.
Der CDU-Mensch heißt Georg-Ludwig von Breitenbuch.
Auch wenn er mit seinen Aussagen einen entsetzlichen Bruch zu längst bekannten Fakten offenbart.